Bedingungsloses Grundeinkommen: Volksentscheid über Modellversuch
In Hamburg dürfen die Bürger demnächst per Volksentscheid darüber abstimmen, ob die Stadt einen wissenschaftlichen Modellversuch über die Effekte des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) durchführen soll.
Wie die Behörde für Inneres und Sport des Stadtstaates am 5. November in einer Pressemitteilung bekannt gab, wurde die vorgeschriebene Mindestanzahl von 65.835 Stimmen für ein Volksbegehren zur Abstimmung klar erreicht. Die Zahl entspricht fünf Prozent der wahlberechtigten Bürger.
Allein die Volksinitiative „Hamburg testet Grundeinkommen“ hatte eigenen Angaben zufolge als treibende Kraft 95.000 Bürger dazu gebracht, ihren Antrag zu unterstützen.
Abstimmung spätestens am 28. September 2025
Nun ist nach Angaben der Innenbehörde zunächst die Hamburger Bürgerschaft am Zuge, also das hamburgische Landesparlament.
Wie die Bürgerinitiative Hamburg testet Grundeinkommen auf ihrer Website schreibt, haben die Parlamentarier in der Bürgerschaft bis zum 28. Januar 2025 Zeit, um die durch das Volksbegehren gewünschte Abstimmung per Volksentscheid umzusetzen. Falls sich dann eine Mehrheit für den BGE-Modellversuch ausspricht, muss er stattfinden.
Sollte die Bürgerschaft dem nun offiziellen Volksbegehren entgegen der Erwartung der Bürgerinitiative nicht entsprechen, werde sie einen eigenen Antrag für einen Volksentscheid stellen, kündigte die Gruppe Hamburg testet Grundeinkommen an. Die Abstimmung werde dann am 28. September 2025 parallel zur Bundestagswahl stattfinden.
Nach Angaben der Hamburger Innenbehörde könnte „der Volksentscheid auch an einem anderen Tag stattfinden, frühestens jedoch am Sonntag, dem 1. Juni 2025“.
Bürgerinitiative legte Gesetzentwurf vor
Zur Abstimmung wird ein Gesetzentwurf der Bürgerinitiative stehen. „Ziel dieses Gesetzes ist die Durchführung eines wissenschaftlichen Modellversuchs mit mehreren Varianten eines Modell-Grundeinkommens zur Erforschung der Wirkung, Akzeptanz und Umsetzbarkeit von Elementen eines bedingungslosen Grundeinkommens [BGE, Anmerkung der Redaktion] bezogen auf die Bevölkerung des Landes Hamburg“, wie es gleich zu Beginn des 36-seitigen Papiers (PDF) heißt.
Nach Vorstellungen der Bürgerinitiative soll der Modellversuch konkret so ablaufen, dass 2.000 möglichst repräsentative Teilnehmer 36 Monate lang prinzipiell in den Genuss eines individuellen „Modell-Grundeinkommens“ kommen können – und zwar per „negativer Einkommensteuer“. Dabei soll „das verfügbare Einkommen der berechtigten Personen mit berücksichtigt“ werden. Die Teilnehmer müssten sich lediglich bereit erklären, jeden Monat ihr vollständiges Einkommen zu dokumentieren:
Sinkt im Verlauf des Modellversuchs das anzurechnende Einkommen eines Monats unter eine definierte Schwelle oder entfällt ganz, wird der Grundbedarf mit einer Auszahlung entsprechend anteilig oder vollständig gedeckt, ohne dass eigenes Vermögen oder Einkommen anderer Haushaltsangehöriger berücksichtigt werden.“
Die Höhe der gewährten Geldleistung soll folgerichtig individuell variabel gestaltet werden, dabei allerdings das offiziell festgesetzte Existenzminimum und „Zusatzbedarfe“ berücksichtigen. Der Anspruch auf Wohngeld soll je nach finanzieller Situation der Probanden unabhängig von einer Versuchsteilnahme weiter bestehen.
Maximaler Auszahlungsbetrag pro Kopf: 1.230 Euro
Nach der Beispieltabelle von Seite 14 der Gesetzvorlage würde der Auszahlungsbetrag bei einem nicht erwerbstätigen Erwachsenen ohne jegliches Einkommen bei 1.230 Euro im Monat liegen. Empfängt er Kindergeld, würde der Auszahlungsbetrag auf 980 Euro sinken. Bezieher von Arbeitslosengeld (ALG 1) bekämen nur noch 434 Euro obendrauf.
Erwerbstätige mit einem Einkommen von 2.250 Euro würden leer ausgehen, ebenso wie Rentenbezieher, die 2.100 Euro monatliches Ruhegeld erhalten.
Die komplexen Berechnungen der Bürgerinitiative lassen sich somit auf die Faustformel herunterbrechen, dass der Auszahlungsbetrag pro Kopf umso höher werden soll, je niedriger das Einkommen ist – mehr als 1.230 Euro aber sollen nicht fließen.
Für die Zahlungen im Rahmen des Modellversuchs soll die Freie und Hansestadt Hamburg nach Vorstellungen der Initiative mindestens 45,9 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Das entspreche 0,227 Prozent des für das Jahr 2026 angenommen Gesamthaushalts in Höhe von 20,24 Milliarden Euro.
„Größeres Einkommen“ nicht Sinn und Zweck
Als Grundprinzip der Versuchsanordnung sollen die errechneten Geldleistungen bedingungslos fließen – „unabhängig von der Erwerbsbereitschaft und persönlicher Lebensumstände bzw. -entscheidungen sowie ohne stigmatisierendes Antrags- und Prüfverfahren“, wie es im Gesetzentwurf heißt.
Die Initiatoren sind überzeugt, dass ihr „Forschungsdesign nicht in erster Linie dazu“ führen werde, „den Teilnehmenden am Modellversuch ein größeres Einkommen zur Verfügung zu stellen, als sie außerhalb des Modellversuchs verfügbar hätten“.
Es gehe ihnen vielmehr darum, „die Wirkung eines Modell-Grundeinkommens“ zu messen, „bei dem die Sicherung des Existenzminimums individueller, ohne Zwang zur Arbeit, bürokratieärmer sowie stigmatisierungsfreier stattfindet als im Status quo.“
„Hamburg testet Grundeinkommen“
Bei den Mitgliedern der Volksinitiative Hamburg testet Grundeinkommen handelt es sich nach eigener Darstellung um eine „parteiunabhängige und gemeinnützige“ Gruppe von „Menschen, die für die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens brennen“. Im Impressum firmiert Johannes Ponader als Vorstand, ein Theaterregisseur und früherer politischer Geschäftsführer der Piratenpartei.
Zu den finanziellen Unterstützern der Initiative gehören eigenen Angaben zufolge die Stiftung Haleakala und das Freiburg Institute for Basic Income Studies (FRIBIS), ein „Kompetenzverbund“, der an der Freiburger Universität das BGE erforscht. Bei Haleakala-Mitbegründer Dr. Paul Grunow handelt es sich um den Gründer des Berliner Photovoltaik-Instituts.
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