Automatische elektronische Patientenakte – Ja oder Nein? Was Sie wissen müssen

Im Moment informieren viele Krankenkassen zur elektronischen Patientenakte, die im Januar 2025 für alle gesetzlich Versicherten automatisch angelegt wird, sofern kein Widerspruch erfolgt. Was zunächst nach einer Erleichterung klingt, wirft nicht nur datenschutzrechtliche Fragen auf. Patienten müssen aktiv tätig werden, wenn sie ihre Gesundheitsdaten nicht zentral speichern wollen. Welche Vorteile bietet die ePA wirklich und wie kann man „Nein“ sagen?
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Nein sagen oder einfach geschehen lassen? Anfang 2025 soll die elektronische Patientenakte (ePA) für alle gesetzlich Krankenversicherten kommen.Foto: Patrick Pleul/Symbolbild/dpa
Von 12. Oktober 2024

Ab 2025 will Deutschland eine elektronische Patientenakte (ePA) für die gesetzlich Krankenversicherten einrichten. Wer das nicht möchte, muss derzeit bei der jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse widersprechen, mit einem sogenannten Opt-out. Opt-out bedeutet, dass ein Dienst automatisch aktiviert wird, es sei denn, der Nutzer widerspricht aktiv. Genau das ist bei der elektronischen Patientenakte vorgesehen: Die Akte wird 2025 automatisch erstellt, sofern der Patient nicht widerspricht. Eine Opt-in-Regelung hätte im Gegenzug bedeutet, dass der Patient ausdrücklich einwilligen müsste, dass die Akte angelegt wird.

Dieses aktive Widersprechen, Opt-out, wurde eingeführt, nachdem beim Opt-in der bereits seit 2021 wählbaren ePA nur ein Prozent der Versicherten sich für eine elektronische Krankenakte entschieden hatten.

Ab Januar 2025: Alles digital und zentral gespeichert

Konkret soll die ePA ab dem 15. Januar 2025 offiziell deutschlandweit automatisch für alle gesetzlich Krankenversicherten (GKV-Mitglieder), die kein Opt-out nutzen, scharf geschaltet werden.

Es handelt sich um eine versichertengeführte Akte, die mit der Gesundheitskarte (eGK) des gesetzlich Krankenversicherten verbunden ist. In der Patientenakte sollen dann Befunde, Laborberichte, Medikamentenverschreibungen und so weiter dokumentiert werden. Die Daten werden dabei aber zentral auf Servern gespeichert und liegen nicht auf der eGK.

Mit dem Opt-out-Verfahren soll es jetzt vor allem gelingen, die ePA flächendeckend auszurollen, so die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV). Dabei steht die große Mehrheit der Menschen in Deutschland der Digitalisierung im Gesundheitswesen positiv gegenüber, ermittelte das Meinungsforschungsinstitut Forsa für die Techniker Krankenkasse. Demnach geben 84 Prozent an, dass die ePA eher große oder sehr große Vorteile in der Gesundheitsversorgung bringen wird.

Die kommunizierten Vorteile einer ePA sind, dass dem behandelnden Arzt alle Informationen zum Patienten vorliegen, wenn es zum Arztbesuch oder Krankenhausaufenthalt kommt. Auch schnellere Diagnosen und Behandlungen sollen möglich sein. Ärzte haben durch den zentralen Zugang zu früheren Befunden, Diagnosen und Behandlungen einen besseren Überblick, was in erster Linie in Notfällen hilfreich sein kann.

Bequemlichkeit: Nie wieder den Impfausweis suchen

Aktuell haben die Krankenkassen damit begonnen, die Patientinnen und Patienten anzuschreiben und auf das Opt-out bei der ePA hinzuweisen. Der Digital- und IT-Sicherheitsexperte Günter Born schreibt dazu auf seinem Blog:

„Ich habe die Tage den Brief der Techniker Krankenkasse bekommen. Der O-Ton liest sich echt gut: ‚Ab Januar 2025 bekommen Sie automatisch eine elektronische Patientenakte (ePA). Das wurde gesetzlich so entschieden. Dafür brauchen Sie nichts zu tun. Wir kümmern uns um alles.‘ Ein Zuckerl gibt’s natürlich auch noch, ich hätte nie wieder Papierkram, brauche mein gelbes Heft mit den Impfungen nie wieder zu suchen, bekomme meine anstehenden Vorsorgeuntersuchungen auf einen Blick angezeigt, weiß, welche Medikamente und Leistungen ich (abgerechnet) bekomme und die ePA ermöglicht den Arztpraxen, sich schnell untereinander auszutauschen. Und meine Gesundheitsdaten sind besonders sicher im TK-Safe gespeichert. Da entscheide ich auch, wer meine Daten sehen darf. Wer kann da schon Nein sagen?“

Daten für den europäischen Pharmaforschungspool

Grundsätzlich dürfen die ePA nur diejenigen einsehen, die einen elektronischen Heilberufsausweis haben: Ärzte, Apotheker, Pflegepersonal, Praxen oder Krankenhäuser. In einem Krankheitsfall erhalten diese automatisch 90 Tage lang Zugriff auf die komplette Akte – vorausgesetzt, der Patient hat nicht selbst einige Daten gesperrt, was jeder Patient kann, aber auch einige Kenntnisse voraussetzt.

In dem Moment, in dem der Patient seine Karte über den Praxistresen reicht und damit Zugriff auf seine Akte gibt, verliert er gewissermaßen die Kontrolle über seine Daten, welche – so die gesetzliche Planung der EU – ohne Opt-out-Recht in den European Health Data Space (EHDS) eingespeist und über diesen Weg auch der Forschung und der Pharmaindustrie zur Verfügung gestellt werden sollen.

Wer also mittels Opt-out nicht einer elektronischen Patientenakte in Deutschland widerspricht, dessen Daten-Gold fließt über den Zugang der EU schnell zu Pfizer und Co. Die EU hat als Ziel in Bezug auf die Weitergabe der Daten und deren Nutzung erklärt, mit EHDS „einen vertrauenswürdigen und effizienten Rahmen für die Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschung, Innovation, Politikgestaltung und Regulierungstätigkeiten zu schaffen“. Wobei die „hohen Datenschutzstandards der EU“ dabei eingehalten werden sollen. Epoch Times berichtete.

Quantensprung oder Missbrauchspotenzial?

Gesundheitsminister Karl Lauterbach bezeichnet die ePA als „Quantensprung“. Kritiker warnen vor fehlendem Datenschutz und Missbrauchsgefahr.

Da Gesundheitsdaten äußerst sensibel sind, besteht die Sorge, dass sie durch Sicherheitslücken, Hackerangriffe oder unbefugte Zugriffe missbraucht werden könnten. Trotz Verschlüsselung und Pseudonymisierung, so Kritiker, können Datenlecks nicht vollständig ausgeschlossen werden. Gerade bei Menschen mit psychischen Erkrankungen oder HIV-Infektionen könnten diese Daten zu Diskriminierungen führen.

Schon allein, dass die ePA ab 2025 automatisch für alle Versicherten angelegt wird, sofern sie nicht aktiv widersprechen, zieht Kritik nach sich, da viele Menschen möglicherweise nicht ausreichend informiert sind und die Tragweite dieser Entscheidung nicht absehen können.

Im Raum steht auch, dass die ePA langfristig zu einem System führen könnte, in dem Patienten stärker von ihrer Krankengeschichte und den darin festgehaltenen Daten abhängig sind. Im schlimmsten Fall könnten negative Einträge in der ePA – selbst wenn sie Jahre zurückliegen – ihre Behandlungsoptionen oder ihre Versicherungsleistungen beeinflussen.

IT-Sicherheitsexperte Günter Born legt in seinem Blog praktische Beispiele dar:

„Ich kann nur jedem Versicherten empfehlen, sich mit der Möglichkeit des Opt-out aus der ePA zu befassen. Im Familienumfeld habe ich mehrere Fälle miterlebt, wo mir Ärzte gesagt haben‚ das schreiben wir nicht in die Krankenakte, denn dann kommt das nie wieder raus und wandert mit‘ – oder wo Ärzte auf eine Diagnose des Vorgängers hüpften und ich größte Mühe hatte, eine zweite Diagnose zu bekommen.“

Born warnt: „Selbst ohne Datenschutzvorfall oder Missbrauch bietet eine solche elektronische Patientenakte Fallen ohne Ende. Der gläserne Patient mit seiner Akte, gespeist aus Daten irrender und unfähiger Protagonisten (Laborergebnisse vertauscht, fehlerhafte Diagnose und so weiter), wird Wirklichkeit. Das alles gepaart mit technischen Unzulänglichkeiten öffnet Willkür und Fehlentscheidungen Tür und Tor.“

Einfach Nein sagen: Widerspruch ist möglich

Der Widerspruch ist nicht nur digital, sondern auch per Anruf oder direkt in der Kundenberatung der Krankenkasse möglich. Geht der Widerspruch ein, wird die Akte entweder erst gar nicht angelegt oder wenn sie schon angelegt seien sollte, gelöscht.

Widerspruch gegen die elektronische Patientenakte (ePA):

  • Telefonisch durch Anruf bei der Krankenkasse
  • Direkt vor Ort in der Kundenberatung der Krankenkasse
  • Digital über die App oder den Online-Login der Krankenkasse

Bei gesetzlich Versicherten wird die Akte automatisch angelegt, wenn der Versicherte nicht widerspricht, bei den privaten Kassen ist eine zusätzliche Erlaubnis von den Versicherten erforderlich, da es sich um privatrechtliche Verträge handelt.



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