Aus für „Oberindianer“: Humboldt Forum zensiert „Sonderzug nach Pankow“ von Udo Lindenberg

Weil im Text das Wort „Oberindianer“ vorkommt, hat das Humboldt Forum die Zensur des 1980er Hits „Sonderzug nach Pankow“ von Udo Lindenberg veranlasst. Chöre sollen den Titel im Rahmen einer geplanten Veranstaltung mit angepasstem Text interpretieren.
Udo Lindenbergs «Sonderzug nach Pankow» war 1983 ein Hit. (Archivbild)
Udo Lindenbergs „Sonderzug nach Pankow“ war im Jahr 1983 ein Hit. (Archivbild)Foto: Robert Michael/dpa
Von 1. November 2024

Am 16. und 17. November sollen im Rahmen der Veranstaltung„Vielstimmig II“ acht Chöre im Humboldt Forums in Berlin auftreten. Eines der Stücke, die dabei angestimmt werden sollen, ist „Sonderzug nach Pankow“ von Udo Lindenberg. In diesem hatte im Jahr 1983 der Rockmusiker seinen Wunsch nach Auftritten in der damaligen DDR unterstrichen.

Das für Kultur verantwortliche Politbüromitglied, Kurt Hager, lehnte das Ansinnen jedoch ab. In seinem Song wandte der Sänger sich auf ironische Weise an Staats- und Parteichef Erich Honecker. Dabei bezeichnete er diesen als „Oberindianer“ des Arbeiter- und Bauernstaates. Der Song erreichte in Deutschland und Österreich hohe Hitparaden-Platzierungen.

Humboldt Forum hat „offene Diskussion mit den Chören“ geführt

Just der in spöttischer Weise auf Honecker gemünzte Ausdruck „Oberindianer“ hat jedoch nun das Missfallen der Verantwortlichen im Humboldt Forum erregt. Da sie offenbar dennoch nicht auf eine Darbietung des Stücks verzichten wollen, haben sie einen Entschluss gefasst. Wie „Bild“ berichtete, wird der „Sonderzug nach Pankow“ mit verändertem Text interpretiert.

Nach einer „offenen Diskussion mit den Chören“, so hieß es aus der Einrichtung, habe man eine Entscheidung getroffen. Diese bestehe darin, „das Wort, das aus heutiger Sicht diskriminierend wahrgenommen werden kann, auszulassen“. Gegenüber dem „Tagesspiegel“ brachte ein Museumssprecher ins Spiel, an der entsprechenden Stelle nur das Wort „Ober-I“ zu verwenden. Dabei solle das „i“ lediglich gehalten werden. Diesbezüglich sei man aber „noch in der weiteren Abstimmung“, zitiert die DPA den Sprecher.

Indigene: Wort „Indianer“ mit zu vielen Stereotypen verbunden – Zensur fordert aber niemand

Man sei sich zwar darüber im Klaren, dass es im „Sonderzug nach Pankow“ weder um indigene Völker noch um die Kolonialzeit ging. Vielmehr hatte das verwendete Wort „in seiner Entstehungszeit im Jahr 1983 eine metaphorische Konnotation“. Dennoch werde das Wort „von vielen indigenen Menschen, aber auch von vielen unserer nationalen und internationalen Besucher*innen als diskriminierend und rassistisch wahrgenommen“.

Diese Sichtweise wolle man ernst nehmen und respektieren, hieß es vonseiten der Einrichtung weiter auf eine Anfrage von „Bild“. In dem Wort „Indianer“ schwinge eine „lange Gewaltgeschichte der Kolonisierung und Stereotypisierungen mit“. Diese wirkten in indigenen Bevölkerungsgruppen bis heute nach.

Carmen Kwasny, die Vorsitzende der Native American Association of Germany, äußert gegenüber der „Morgenpost“, das Wort „Indianer“ an sich sei nicht rassistisch. Es gebe viele Stämme und Gemeinschaften, die in ihrem Namen selbst die Bezeichnung „Indian“ verwendeten. Es habe auch niemand aus ihrer Community ein Verbot des Liedes oder auch nur von „Winnetou“-Filmen gefordert. Allerdings sei das Wort „Indianer“ mit zu vielen Stereotypen verbunden, sodass es nicht in Bezug auf amerikanische Ureinwohner verwendet werden sollte.

Stiftung unter permanentem Rechtfertigungszwang

Die im Jahr 2009 von der Bundesregierung ins Leben gerufene Stiftung Humboldt Forum ist in der Öffentlichkeit vor allem in ihrer Eigenschaft als Betreiberin des gleichnamigen Forums bekannt. Ihre Aufgabe war und ist es, das im Zweiten Weltkrieg beschädigte und in der DDR gesprengten Berliner Schloss in einer Neuinterpretation wiederzuerrichten und für eine kulturelle Nutzung Sorge zu tragen.

Im Herbst 2020 war der Wiederaufbau abgeschlossen. Seither finden dort regelmäßig Ausstellungen, Konzerte, Diskussionen und andere Veranstaltungen statt. Der Start des Humboldt Forums war holprig. Das lag nicht nur an den Baukosten, die im Laufe der Realisierung des Projekts explodiert waren.

Neben einer Debatte um koloniale Raubkunst, wurden 2021 auch antisemitische Aussagen eines 2016 verstorbenen Großspenders bekannt. Die zu dessen Ehren angebrachte Ehrenplakette wurde daraufhin aus dem Forum entfernt. Die Führung der Stiftung sah sich seither in einem beständigen Rechtfertigungszwang.

Kubicki: Humboldt Forum handelt „kulturlos“

Von Lindenberg selbst gibt es noch keine Reaktion auf die Debatte. Allerdings hat einer seiner Mitarbeiter, Peter Lanz, auf Facebook mit deutlicher Zustimmung einen Kommentar der „Berliner Morgenpost“ geteilt.

In diesem wirft Birgitta Stauber den Verantwortlichen im Forum vor, diese machten „Udo Lindenbergs Botschaft kaputt und auch seinen historischen Erfolg“. Sein „Sonderzug nach Pankow“ inklusive der Titulierung Honeckers als „Oberindianer“ habe dazu beigetragen, das „Lebensgefühl einer ganzen Generation“ zu verändern. Die Botschaft sei gewesen, „locker zu bleiben“ in einer Zeit akuter Atomkriegsangst.

Auf X nennt Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki das Vorgehen des Humboldt Forums „kulturlos“ und spricht von einer eigenmächtigen Zensur eines über vier Jahrzehnte alten Textes.

Dehm zeigte Silbereisen wegen Veränderung seines Textes an

Andere Musiker, in deren Songs das Wort „Indianer“ eine Rolle spielte, zeigen sich bezüglich einer Anpassung ihrer Texte bislang eher reserviert. Erst im Vorjahr hatte der Texter des Klaus-Lage-Hits „1000 und 1 Nacht (Zoom!)“, der Ex-Linken-Bundestagsabgeordnete Dieter Dehm, Anzeige gegen Schlagersinger Florian Silbereisen erstattet. Dieser hatte während einer Show zusammen mit Co-Moderatorin Beatrice Egli den Song interpretiert – und dabei eigenmächtig aus „Indianer gespielt“ ein „zusammen gespielt“ gemacht. Dehm bestand unterdessen auf Werktreue und sah sich in seinen Urheberrechten verletzt.

Die Band Pur führt ihren Verkaufserfolg der 1990er-Jahre, der „Indianer“ gar als Titel hatte, weiterhin in ihrer Setlist. Gleich auf mehreren Sammel-CDs vertreibt Koch Universal Music alte Schlager von Gus Backus, inklusive „Da sprach der alte Häuptling der Indianer“. Und in einigen Hotels in bekannten Touristenzentren machen Kinderanimateure nach wie vor von Titeln des „Super Power Kinder Clubs“ Gebrauch, zu denen auch „Cowboys und Indianer“ gehört.



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