Aus für 1.000 russische Wissenschaftler am weltgrößten Kernforschungszentrum

Jahrzehntelang arbeiteten am europäischen Kernforschungszentrum Cern in Genf Wissenschaftler aus Russland mit. Doch damit ist Ende November Schluss. Was bedeutet das für die Forschung?
Zusammenarbeit mit Russland wird nach Jahrzehnten beendet. (Archivbild)
Die Zusammenarbeit mit Russland wird nach Jahrzehnten beendet. (Archivbild)Foto: Christiane Oelrich/dpa
Epoch Times3. November 2024

Das Ende der jahrzehntelangen Zusammenarbeit mit Russland bei der Europäischen Organisation für Kernforschung (Cern) in Genf steht bevor – negative Folgen für die Wissenschaft sind nicht auszuschließen. Davor warnte die deutsche Physikerin Beate Heinemann vom Forschungszentrum Desy in Hamburg.

„Russland hat starke Expertise im Ingenieurwesen“, sagte Heinemann der „Deutschen Presse-Agentur“ (dpa). „Es ist nicht so, dass bestimmte Forschung durch das Ende der Zusammenarbeit nun unmöglich wird, aber es macht die Sache schwieriger und es könnte zu Verzögerungen kommen.“

Das seit 1954 bestehende Cern ist eine der weltweit bedeutendsten Forschungseinrichtungen für Teilchenphysik. Mit 24 Mitgliedsländern betreibt das Cern die mit 27 Kilometern Länge größte Forschungsmaschine der Welt, den ringförmigen Teilchenbeschleuniger LHC 100 Meter unter der Erde bei Genf. Darin werden Kollisionen von Protonen mit beinahe Lichtgeschwindigkeit erzeugt, um den Ursprung des Universums zu erforschen. An den Forschungen sind Tausende Wissenschaftler beteiligt, etwa 1.000 kamen aus Russland.

Ukraine-Krieg setzt Schlussstrich

Als Reaktion auf den Ukraine-Krieg hat das Cern jedoch beschlossen, die Zusammenarbeit mit Russland und Belarus zu beenden. Seit dem Jahr 1991 hatte Russland den Beobachterstatus am Cern inne, bevor dieser im März 2022 aufgrund des Krieges ausgesetzt und auch nicht wieder verlängert wurde. Die Zusammenarbeit endet mit dem 30. November 2024.

Wie der Cern-Forschungsdirektor Joachim Mnich gegenüber dpa sagte, haben die russischen Wissenschaftler sehr dabei geholfen, ihre Expertise vor dem Ausscheiden so weit wie möglich weiterzugeben. „Eine Detektor-Komponente können wir nicht weiterbetreiben, aber das ist keine große Lücke. Wir hoffen, dass es keinen größeren Verlust in der Wissenschaftsausbeute geben wird.“

Sanktionen erschweren Forschung

Probleme gab es beim Cern wegen russischer Komponenten für den Beschleuniger und die Experimente. Einige Teile konnten wegen der europäischen Sanktionen gegen Russland nicht mehr geliefert werden.

Insgesamt habe das einen Umfang von umgerechnet gut 50 Millionen Euro, rund 3 Prozent der Gesamtkosten, sagte Mnich. Dadurch müssten nun andere Geldgeber tiefer in die Tasche greifen, darunter das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung in Berlin.

„Wir haben am Cern mit Russland auch im Kalten Krieg zusammengearbeitet, getrieben von wissenschaftlicher Neugier, in friedlichem Umfeld. Das scheint nicht mehr möglich zu sein, und das ist extrem schade“, sagte Markus Klute, Leiter des Instituts für experimentelle Teilchenphysik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), der dpa. Das KIT arbeitet wie das Forschungsinstitut Desy eng mit dem Cern zusammen.

Russische Institute politisch instrumentalisiert

Sowohl das Desy als auch das KIT haben die Zusammenarbeit mit russischen Instituten ebenfalls auf Eis gelegt. Die meisten Kollegen aus Russland seien fantastisch, problematisch sei die Leitung ihrer Institute, die oft nicht in wissenschaftlichen Händen liege, sagte Klute.

Man sei besorgt gewesen, dass die russischen Forschungsinstitute anders als früher politisch instrumentalisiert werden, erklärte Beate Heinemann. Betroffen davon waren auch Desy-Arbeiten zur technischen Verbesserung der Cern-Detektoren. Der Plan, dafür russische Ingenieure nach Hamburg zu holen, wurde gestoppt. „Wir haben andere Lösungen gefunden“, sagte Heinemann.

Auch Klute ist in die Bresche gesprungen und führt nun am KIT Arbeiten aus, die eigentlich von russischen Instituten geleistet werden sollten. „Wir schneiden hier zum Beispiel Metallplatten. Das sind Präzisionsgegenstände, das macht man nicht mal eben so nebenbei“, sagt er. „Ich bin aber guter Hoffnung, dass wir es schaffen.“

Neue Jobs für russische Wissenschaftler in Deutschland

Für einige Dutzend russische Kollegen am Cern, die nicht in ihre Heimat zurückkehren können oder wollen, seien Lösungen gefunden worden, sagte Mnich. Sie kamen in anderen Ländern unter. Auch das Desy hat einen russischen Kollegen vom Cern übernommen. Klute bezeichnete es als Glück, dass drei russische Doktoranden, die am Cern waren, jetzt am KIT promovieren. Für andere Kollegen werde weiter an Lösungen gearbeitet.

Die Zusammenarbeit mit dem in Russland sitzenden Joint Institute for Nuclear Research geht am Cern unterdessen weiter. Dabei handele es sich um eine internationale Organisation, erklärte Mnich. (dpa/red/sua)



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