Aufgelesen und Mitgenommen

Zwischen Hamburg und Berlin geht auf den Bahngleisen nicht alles seinen gewohnten Gang.
Titelbild
Ein elektrischer Personenzug der Deutschen Bahn AG.Foto: iStock
Von 11. Februar 2022

Sonntagabend, 6. Februar. Stefan möchte mit seiner Frau von Berlin nach Bamberg – mit der Bahn. Sie wollten sich den Stress einer Autofahrt bei Nacht und stürmischem Wetter ersparen. Ausnahmsweise hatten sie sogar erste Klasse gebucht, wenn schon, denn schon. Immer wieder schauen sie auf die Bahn-App. Ihre Gesichter werden immer länger, die Unruhe steigt. Die Koffer sind gepackt, im Hotel sind sie ausgecheckt. Auf der Straße ist es sehr ungemütlich. Nass-kaltes Schmuddelwetter mit starken Windböen. Laut Bahn-App steigt die Verspätung ihrer Züge. Und steigt. Mit dem nächsten Aufrufen der App sind es bereits 60 Minuten. Sie warten auf einen der Züge, die von Hamburg über Berlin gen Süden fahren. In Berlin wollen sie zusteigen, von dort nach Naumburg an der Saale und ab 21 Uhr weiter nach Bamberg. Wenn der erste Zug ausfällt oder später als spät kommt, ist der Anschluss weg. Mitternacht auf dem Bahnsteig von Naumburg erleben? Das ist wahrlich nicht das, was sie für diese Nacht möchten.

So wie Stefan und seiner Frau erging es am Sonntag unzähligen Fahrgästen der Bahn zwischen Berlin und Hamburg. Es dürften weit mehr als die 17.000 Betroffenen gewesen sein, welche die Deutsche Bahn täglich für diese Strecke angibt. Weder der Sturm noch umgestürzte Bäume hinderten sie an der Reise – sondern ein Brand im Schaltkasten auf einer ganz anderen Strecke nördlich von Berlin.

Im Landkreis Havelland, im bisher eher unbekannten Vietznitz bei Friesack, brannte es in einem Kabelschacht, meldete die Deutsche Bahn im Laufe des Nachmittags. Dadurch sei eine Sicherungsanlage gestört, die Dauer der Reparatur wurde zunächst mit rund drei Tagen angegeben. Das bedeutet die Sperrung einer der Hauptstrecken des deutschen Streckennetzes – jener zwischen Berlin und Hamburg.

Durch den Ausfall der Strecke ist der gesamte Umlauf im Netz der Bahn gestört, wie es im Fachdeutsch heißt. Im norddeutschen Raum sind die Möglichkeiten für Umleitungen geringer als beispielsweise im Rhein-Main-Gebiet. Die Streckendichte ist dünner, es müssen größere Umleitungen gefahren werden, was die Fahrtdauer durcheinanderbringt.

Die Bahn setzte alle Hebel in Bewegung

Kabelbrände können theoretisch durch Kurzschlüsse entstehen, wenn die Isolation der Kabel beschädigt ist, wenn sie zu alt ist oder spröde. Wie im eigenen Haushalt springen dann die Sicherungen heraus und es passiert im Allgemeinen nichts. Daher wird durch viele Fachleute eher Sabotage angenommen.

Der Brand wurde von der Feuerwehr problemlos gelöscht, die Spurensicherung der Polizei angefordert. Spezialisten des Landeskriminalamtes Brandenburg waren vor Ort. Die Pressestelle des Polizeipräsidiums des Bundeslandes erklärt gegenüber Epoch Times: „Die Brandspezialisten haben bisher keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass der Brand durch Fremde von außen gelegt wurde. Vielmehr sprechen die aktuellen Untersuchungsergebnisse, die allerdings noch vorläufig sind, für eine Brandursache in Folge eines technischen Defektes.“

Und auch: Die Ermittlungen gehen weiter, die Kripo der Polizeidirektion West ist an der Arbeit. Die genaue Schadenshöhe ist noch unbekannt. Auf die Frage, ob Sabotage vorlag und diese – ähnlich vorherigen Vorfällen – von autonomer Seite verursacht sein könnte, gibt es keine Antwort.

Wir holen Auskunft bei einem Fachmann der Deutschen Bahn. Sabotage fände häufiger statt als vermutet, so seine Antwort. Mit Sabotage sei es ähnlich wie bei Suiziden, vieles werde nicht berichtet, um keine Nachahmer zu ermuntern. Nur wenn es spektakulärer sei, so wie der aktuelle Ausfall, gelange das in die Medien. Mit großer Wahrscheinlichkeit könne man sagen, dass dieser Ausfall kein Verschulden der Deutschen Bahn sei. Ein hausgemachter Ausfall wäre beispielsweise das Abreißen einer Oberleitung, die auf die Strecke fällt und vielleicht einen Brand auslösen könnte.

Die Strecke Berlin-Hamburg hat hohe Priorität bei der Deutschen Bahn, erklärt der Bahner der Epoch Times. Mit der Wiederherstellung werde sich sehr beeilt. Heikle Punkte sieht er darin, dass die Logistik der Bahn ebenfalls durch Corona beeinträchtigt ist und spezifische Kabel benötigt würden. Normalweise sind bei Kabelbränden wie diesen spezifische Kabel für Signale, Weichen, Gleisfrei-Meldeanlagen und eventuell auch Lichter betroffen. Im Notfall bediene man sich aus anderen Projekten, um die Strecke zügig wieder herzustellen. Ein anderer Arbeitsschritt, der ebenfalls Zeit benötige, sei die Abnahme der Reparaturen. Abnahmeprüfer müssten sicherstellen und dafür geradestehen, dass alles wieder funktionsfähig ist. 

Die Reparatur sei beendet, meldet offiziell ein Sprecher der Deutschen Bahn bereits zwei Tage später. Es wurden tatsächlich alle Hebel in Bewegung gesetzt, um schnell wieder zum Normalbetrieb zurückkehren zu können. In Einzelfällen könne es zwar noch zu Teilausfällen oder Verspätungen kommen, aber die Strecke sei wieder freigegeben.

Mobilfunknetz betroffen

Offenbar war nicht nur die Deutsche Bahn betroffen. Radio Berlin-Brandenburg berichtete, dass auch Mobilfunk-Kabel beschädigt wurden. In der Prignitz wurden seit dem 5. Februar, dem Samstagnachmittag, Störungen gemeldet. Vodafone sprach von rund 11.600 betroffenen Mobilfunkkunden.

Wann der Empfang uneingeschränkt wieder möglich ist, ist aktuell nicht bekannt. „Wir bitten die betroffenen Mobilfunkkunden bis zum Abschluss der Reparatur noch um etwas Geduld und um Entschuldigung für ihre Unannehmlichkeiten“, teilte Vodafone-Sprecher Volker Petendorf dem rbb mit.

Vom Mobilfunk-Ausfall waren Stefan und seine Frau nicht betroffen. Die Lösung ihres Transportproblems war an diesem Abend ein Auto. Eine Bekannte sammelte sie auf und machte auf ihrem Weg nach Thüringen einen Umweg über Naumburg. Dort erwartete sie ein hell erleuchteter Bahnhof sowie der Wind, der Stefan beinahe die Autotür aus der Hand riss. Er drückte seinen Hut ganz fest auf den Kopf und sah sich nach einem windgeschützten Fleckchen um. Bis zu ihrem Anschlusszug hätten sie sogar noch etwas Zeit für einen kleinen Imbiss in Bahnhofsnähe gehabt. Sofern noch einer offen gewesen wäre. So aber blieb nur der Wind, der ihnen Gesellschaft leistete.



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