„Angriff auf die Würde“: Bischof sieht stetige Zunahme von Gewalt gegen Gläubige

Am 22. August ist der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer von Gewalt aufgrund von Religion oder Weltanschauung. Welche Gruppen sind besonders betroffen und in welchen Ländern ist ihre Situation besonders ernst?
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Katholiken in Pakistan feiern Ostern. Symbolbild.Foto: Betsy Joles /Getty Images
Von 22. August 2024

Weltweit fühlen sich rund 90 Prozent der Weltbevölkerung einer religiösen, spirituellen oder weltanschaulichen Tradition zugehörig.

Viele Menschen motiviere ihr Glaube, sich für nachhaltige Entwicklung und Frieden einzusetzen, heißt es seitens der Bundesregierung. „Geleitet von Prinzipien wie Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Nächstenliebe und Bewahrung der Schöpfung engagieren sie sich für Menschenrechte, für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, Umweltschutz und kooperieren gegen Armut und Ungerechtigkeit.“

In vielen Ländern müssen Gläubige allerdings aufgrund ihrer Überzeugungen Verfolgung und Gewalt fürchten.

Am 22. August wird alljährlich am Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer von Gewalt aufgrund von Religion oder Weltanschauung dieser Menschen gedacht. Der 2019 von den Vereinten Nationen ins Leben gerufene Tag soll dazu beitragen, das Bewusstsein für die Verfolgten zu schärfen.

Angriff auf die Würde

„Leider stellen wir statt eines Rückgangs eine stetige Zunahme von Gewalt gegen Menschen wegen ihres Glaubens oder ihrer Religionszugehörigkeit fest“, so der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Bertram Meier.

Wir müssen mitansehen, wie religiöse Intoleranz und Diskriminierung immer wieder zu Angriffen auf Andersdenkende führen.“

Dabei denke er nicht nur an Christen, die unter Ausgrenzung und Verfolgung leiden würden, sondern an alle Menschen, die von religiös motivierter Gewalt betroffen seien.

„Diese Übergriffe sind auch immer ein Angriff auf die Würde der Menschen, die die Basis der Menschenrechte ist und die, für uns in der Gottesebenbildlichkeit aller Menschen gründet“, so Meier.

Dort, wo man beginne, einander zu verstehen und zu respektieren, könne man Hass und Gewalt den Nährboden entziehen.

Vertreibung, Massenvergewaltigung, Versklavung

Im dritten Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religions- und Weltanschauungsfreiheit stellt sie fest, dass es in vielen Ländern zu Verletzungen der Religions- und Weltanschauungsfreiheit kommt.

„Systematische Verfolgung, Angriffe, Vertreibungen, massenhafte Vergewaltigungen, Versklavungen, Internierungen und Mord an ganzen ethno-religiösen bzw. religiösen Gemeinschaften“ würden Deutschland und die Weltgemeinschaft beschäftigen, heißt es dort.

Dabei hebt der Bericht die Verbrechen an den Jesiden in Irak, an den Uiguren in China und den Rohingya in Birma besonders hervor. Sie würden wie viele andere religiöse Gruppen an den Rand der Gesellschaft gedrängt und seien deshalb zu „wenig sichtbar, politisch unterrepräsentiert, sozial desintegriert“.

Jesiden in einem Flüchtlingslager im Irak. Foto: Safin Hamed/AFP/Getty Images

Sie wären vielfältiger Diskriminierung im Alltagsleben bis zu willkürlichen Verhaftungen, Verurteilungen und tödlicher Gewalt ausgesetzt. Das beträfe auch die Schiiten in Afghanistan, Christen in Pakistan und die Baha’i im Iran.

Wie viele Verfolgte weltweit?

Für die in Frankfurt am Main ansässige Menschenrechtsorganisation Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) ist es unklar, wie viele Menschen insgesamt weltweit um ihres Glaubens willen verfolgt werden.

Das Christentum ist zwar weltweit die größte Religionsgemeinschaft, aber ob es die am stärksten verfolgte Religion ist, lässt sich für die IGFM nicht eindeutig beantworten.

Denn im Islam gebe es „sehr heftige konfessionelle Konflikte“ zwischen Schiiten und Sunniten, und Muslime würden auch im bevölkerungsreichen Indien verfolgt, so die Menschenrechtsorganisation. Auch werden liberale Muslime, Atheisten, Konvertiten in vielen mehrheitlich islamischen Ländern Opfer von Gewalt.

In China würden zudem Millionen Muslime systematisch unterdrückt, berichtet IGFM weiter. Das gelte besonders für die rund zehn Millionen Uiguren, einem muslimischen Turkvolk, das im Nordwesten Chinas beheimatet ist. Nach Angaben der US-amerikanischen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch sollen rund eine Million von ihnen in Arbeitslagern gehalten und als Arbeitssklaven ausgebeutet werden.

Im buddhistisch geprägten Birma hat laut IGFM die Verfolgung der einheimischen Muslime der Rohingya sogar das Ausmaß eines Völkermordes angenommen, berichtet die Organisation.

Verfolgung von Falun Gong in China

Die IGFM erwähnt auch die Verfolgung der buddhistischen Meditationsschule Falun Gong in Festlandchina durch die Kommunistische Partei. Der damalige und bereits verstorbene Staatschef Jiang Zemin begann eine Kampagne zur „Ausrottung“ der nach Angaben staatlicher Medien 70 Millionen Praktizierende im Juli 1999.

Falun-Gong-Praktizierende in Washington gedenken der Opfer der Verfolgung. Foto: Minghui.org

„Während bei Weitem nicht jeder bekennende Christ in China effektiv diskriminiert wird, so muss praktisch jeder bekennende Falun Gong Praktizierende mit Verhaftung, ‚Umerziehung durch Arbeit‘ und Folter rechnen“, so die Menschenrechtsorganisation.

Zudem gilt es mittlerweile als erwiesen, dass insbesondere an inhaftierten Falun-Gong-Praktizierenden systematischer, staatlich organisierter Organraub betrieben wird.

Wie viele Falun-Gong-Praktizierende heute noch in Festlandchina leben, ist unklar, da sie sich aufgrund der Verfolgung unerkannt halten.

Hightech-Überwachung, Informanten, Tür-zu-Tür-Befragungen

Laut der in Göttingen ansässigen Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) nutzt die KP Chinas gegen religiöse Gruppen „Hightech-Überwachung, bezahlte Informanten, Tür-zu-Tür-Befragungen, biologische Informationen und Telefon- und Internetüberwachung“. Davon seien auch Christen betroffen. „Allein in den Jahren 2018 bis 2019 sind mindestens 17.000 Christen in verschiedenen Provinzen und Städten im ganzen Land verhaftet worden“, so die GfbV.

Dabei besteht im kommunistischen China grundsätzlich – also auf dem Papier – die Freiheit, einen religiösen Glauben auszuüben. In der Realität besteht dieses Recht jedoch nur für Gemeinschaften, die den von Peking kontrollierten und zur Überwachung dienenden offiziellen Dachverbänden der Religionen angehören.

US-Kommission: 17 Länder „besonders besorgniserregend“

Laut ihrem Jahresbericht 2024 empfiehlt die US-Kommission für internationale Religionsfreiheit (USCIRF) dem US-Außenministerium, 17 Länder als „besonders besorgniserregend“ einzustufen, da ihre Regierungen besonders schwerwiegende Verletzungen des Rechts auf Religions- und Glaubensfreiheit begehen oder dulden würden.

Zwölf dieser Länder seien bereits durch das Außenministerium im Dezember 2023 entsprechend eingeordnet worden: Birma, China, Kuba, Eritrea, Iran, Nicaragua, Nordkorea, Pakistan, Russland, Saudi-Arabien, Tadschikistan und Turkmenistan. Für fünf weitere gab die USCIRF eine Empfehlung ab: Afghanistan, Aserbaidschan, Indien, Nigeria und Vietnam.

Die Kommission empfiehlt dem Ministerium zudem, elf Länder zu beobachten: Algerien, Ägypten, Indonesien, Irak, Kasachstan, Kirgisistan, Malaysia, Sri Lanka, Syrien, Türkei und Usbekistan.

Boko-Haram-Terroristen in Nigeria. Foto: AFP/Issouf Sanogo

Sie rät auch sieben islamistischen Terrorgruppen wegen besonders schwerwiegender Verstöße gegen die Religionsfreiheit weiterhin als „besonders besorgniserregend“ zu klassifizieren: al-Shabaab in Somalia, Hai’at Tahrir asch-Scham in Syrien, die Huthis im Yemen und in Westafrika tätigen Boko Haram, Islamischer Staat Provinz Sahel, Islamischer Staat Provinz Westafrika und Jama’at Nasr al-Islam wal Muslimin.

Glauben in Deutschland

Von den knapp 84 Millionen Einwohnern in Deutschland gehört heute knapp die Hälfte der katholischen oder evangelischen Kirche an.

Hinzu kommen geschätzt drei Millionen orthodoxe und orientalische Christen. Ebenfalls knapp drei Millionen sind Muslime und 95.000 Juden. Zum Buddhismus bekennen sich etwa 300.000 Deutsche, zum Hinduismus knapp 100.000 und zum Jesidentum zwischen 100.000 und 200.000.

Mehr als 40 Prozent der Bevölkerung gehören keiner Religionsgemeinschaft an, heißt es im Ökumenischen Bericht zur Religionsfreiheit.



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