Änderung des Sprengstoffgesetzes: Hintergründe, Inhalte und Folgen

Wenn es in Deutschland irgendwo explosionsartig knallt, dann kommt das Sprengstoffgesetz zum Tragen. Dieses „Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe“ regelt den zivilen Umgang, den Handel und die Einfuhr von explosionsgefährlichen Stoffen und Sprengzubehör in Deutschland.
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Symbolbild.Foto: Thank you for your assistant/iStock
Von 8. Oktober 2024

Grundsätzlich kommen Bürger mit Sprengstoffen über den beruflichen Gebrauch hinaus nicht in Berührung. Aber regelmäßig an Silvester, wenn die Debatte um die sogenannten Polenböller auf die Tagesordnung kommt, oder wenn erneut die Sprengung eines Geldautomaten gemeldet wird, wird die erhebliche Gefahr für Mensch und Gebäude relevant.

Aktuell hat sich das Bundeskabinett des Themas angenommen und beschlossen, dass das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion zur Begehung von Diebstahlstaten, etwa Geldautomatensprengungen, mit Freiheitsstrafe von mindestens zwei bis zu 15 Jahren geahndet werden kann.

Der verschärfte Strafrahmen von fünf bis zu 15 Jahren soll gelten, „wenn der Täter durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht“, wie das Bundesinnenministerium in der vergangenen Woche mitteilte.

Zugleich seien die Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden erweitert worden, insbesondere auch, was den Handel mit Explosivstoffen betrifft. Stellen die Verfolgungsbehörden mindestens den Anfangsverdacht von gewerbsmäßigen oder bandenmäßigen Straftaten nach dem Sprengstoffgesetz fest, soll künftig auch eine Telekommunikationsüberwachung vereinfacht angeordnet werden können.

Für solche Überwachungen liegen normalerweise die Hürden sehr hoch, da sie einen Eingriff in die Grundrechte des Artikels 10 des Grundgesetzes des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses darstellen.

Den Herausforderungen der Zeit gerecht werden

In den letzten Jahren wurde das Sprengstoffgesetz mehrfach geändert, in der Regel um auf neue Bedrohungen und technologische Entwicklungen zu reagieren. Die jüngste Novellierung des Gesetzes will den Herausforderungen der heutigen Zeit gerecht werden.

Auch angestrebte Vereinheitlichungen auf Ebene der Europäischen Union zum Zwecke der Harmonisierung unterschiedlicher nationaler Regelungen spielten dabei eine wichtige Rolle. Darüber hinaus reagierte das Bundeskabinett mit dem Entwurf auch auf neue terroristische und kriminelle Gefahrenlagen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezog sich in einer Erklärung zu den vorgeschlagenen Änderungen explizit auf die Organisierte Kriminalität und erklärte: „Wer mit Sprengstoffen Geldautomaten in die Luft jagt oder andere hochgefährliche Taten verübt, riskiert das Leben von völlig unbeteiligten Menschen. Wir haben es hier mit skrupellosen Tätergruppierungen zu tun. Deshalb sorgen wir dafür, dass diese schweren Straftaten künftig mit bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden können.“

Die Ministerin will auch Banken in die Pflicht nehmen, ihre Automaten effektiv gegen Sprengungen zu schützen. Faeser gab dazu bereits konkrete Handlungsanweisungen: „Dazu gehören eine weiter verstärkte Videoüberwachung, Einfärbesysteme an Banknoten und die Reduktion von Bargeldbeständen an den Standorten.“

FDP-Justizminister Heiko Buschmann äußerte sich ebenfalls zum Kabinettsbeschluss: „Sprengungen von Geldautomaten haben in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Wir schärfen deshalb die rechtsstaatlichen Instrumente im Kampf gegen das organisierte Verbrechen nach.“

Eine Stärkung des Rechtsstaates

Wer Geldautomaten in die Luft sprenge, müsse laut Buschmann härter bestraft werden können. Das gelte für alle bandenmäßigen und gewerbsmäßigen Straftaten mithilfe von Sprengstoff. Die Verschärfung stellt für den Minister eine Stärkung des Rechtsstaates dar. So soll der Gesetzentwurf zur Änderung des Sprengstoffgesetzes vor allem relevante Strafbarkeitslücken schließen.

Künftig sei der versuchte unerlaubte Erwerb und Umgang mit Explosivstoffen und explosiver Pyrotechnik zu bestrafen. Gleiches gelte auch für das unerlaubte nicht gewerbliche Lagern und für den unerlaubten nicht gewerblichen Transport solcher Stoffe.

Da nur wenige Bürger überhaupt mit solchen Stoffen Umgang haben, war es den wenigsten allerdings bisher überhaupt bekannt, dass es eine solche Lücke gab. Allenfalls die Serie von Automatensprengungen mag die Frage aufgeworfen haben, wie Kriminelle überhaupt an die dafür benötigten Sprengstoffe gekommen sind.

Zuletzt hatte der illegale Einsatz von Sprengstoffen im öffentlichen Raum für mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Epoch Times berichtete dazu ausführlich Ende September.

Vor zwei Wochen war es Michael Esser, der Chef der Kriminalpolizei Köln, der von großen Herausforderungen durch, wie er es nannte, „beispiellose Fälle der Gewalt und Schwerkriminalität“ sprach, wie es sie in Köln bis dato so noch nicht gegeben habe.

Der Polizeichef berichtete von einer Serie von Sprengungen und Schüssen auf Häuser im Kölner Raum, welche von der Polizei dem Deliktbereich „Organisierte Kriminalität“ zugeordnet und seit Wochen von entsprechenden Ermittlungsgruppen verfolgt werden.

Eine weltweite Gefahrenlage

Verschärfungen des Sprengstoffgesetzes sind dennoch keine rein deutsche Angelegenheit. Die Sicherheitsanforderungen sind in vielen Ländern gestiegen. Die illegale Herstellung und Verwendung von Sprengstoffen, etwa in Verbindung mit terroristischen Aktivitäten, zwingen Regierungen weltweit dazu, ihre rechtlichen Rahmenbedingungen zu überprüfen und anzupassen.

Auch der technologische Fortschritt spielt eine Rolle, da die Möglichkeiten, Sprengstoffe illegal herzustellen oder zu modifizieren, durch das Internet und den leichten Zugang zu chemischen Substanzen zugenommen haben.

Deutschland arbeitet auf dem Gebiet gleich mit einer ganzen Reihe internationaler Organisationen zur Bekämpfung des Terrorismus zusammen.

Das Innenministerium nennt zwei besonders relevante Terroranschläge, die ein Umdenken auch auf europäischer Ebene zur Folge hatten: „Die gemeinsame Bedrohung durch den internationalen Terrorismus erfordert gerade im Schengen-Raum ohne Binnengrenzen gemeinsames, gut abgestimmtes Handeln. In Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 in Amerika und vom 11. März 2004 in Madrid entwickelten die Mitgliedstaaten der EU gemeinsame Aktionspläne und eine langfristige europäische Strategie zur Terrorismusbekämpfung.“

Zu der Gefährdung durch illegal beschaffte oder hergestellte Sprengstoffe komme laut Bundesinnenministerium zunehmend auch ein Missbrauch von pyrotechnischen Produkten hinzu. Insbesondere bei Großveranstaltungen wie Sportereignissen oder Festivals kam es in der Vergangenheit vermehrt zu gefährlichen Zwischenfällen.

Angriffe auf Polizeifahrzeuge

Zuletzt kam es immer wieder bei Auseinandersetzungen politischer Akteure mit der Polizei zum illegalen Einsatz von Sprengstoffen beziehungsweise nicht zugelassener Pyrotechnik. So wurde in Berlin in der Nacht des Jahrestages des Hamas-Terroranschlags auf Israel vom 7. auf den 8. Oktober nach Ende einer propalästinensischen Demonstration ein Einsatzwagen der Polizei mit Feuerwerkskörpern beschossen.

Immer wieder, so auch bei dieser Auseinandersetzung mit polizeilichen Sicherheitskräften, erleiden Beamte Knalltraumata, wenn sie mit Pyrotechnik angegriffen werden.

Eine der größten Herausforderungen bei der Reform des Sprengstoffgesetzes war die inzwischen relativ einfache Informationsgewinnung zur Herstellung von Sprengstoffen oder gefährlichen Chemikalien über das Internet. 

Die neuen gesetzlichen Regelungen haben das Ziel, diesen Handel im Internet empfindlich zu stören.

Auch sollen Plattformbetreiber stärker in die Verantwortung genommen und verpflichtet werden, den Behörden alle verdächtigen Aktivitäten zu melden. Das ist deshalb von besonderer Brisanz, weil vergleichbare Meldeaufforderungen an die Unternehmen der sozialen Medien immer wieder zu Debatten wie jene um die Verfolgung von „Hass und Hetze“ führen.

Die erweiterten Überwachungsmöglichkeiten durch Behörden, insbesondere im Onlinebereich, werfen Fragen hinsichtlich des Schutzes der Privatsphäre auf. Die Balance zwischen Sicherheit und den Grundrechten der Bürger bleibt daher ein umstrittenes Thema.

Für Unternehmen bedeutet die Novellierung des Gesetzes vor allem eine Erhöhung der Sicherheitsanforderungen und eine intensivere Überwachung. Das kann in der Praxis zu höheren Kosten führen, etwa durch zusätzliche Schulungen und Investitionen in Sicherheitstechnologien.

Für die Änderungen im Sprengstoffgesetz wird auch damit argumentiert, dass es gestiegene Sicherheitsanforderungen in einer globalisierten Welt gebe, auf die man reagieren müsse. Mit den neuen Regelungen werde, so das Anliegen der Bundesregierung, nicht nur der Missbrauch von Sprengstoffen und pyrotechnischen Produkten erschwert, sondern auch der Schutz der Bevölkerung verbessert.

Der Bundesverband der Pyrotechnik und Kunstfeuerwerke e. V. hat in einer Stellungnahme hingegen erklärt, man halte die bisherigen Regelungen für ausreichend. Die Interessenvertretung befürchtet zudem, dass sich jetzt noch mehr Bürger vor Silvester ins Ausland begeben, um dort ihr Silvesterfeuerwerk einzukaufen.



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