Grausam, wahnsinnig, verschwenderisch: Basiert Neros schlechter Ruf auf Lügen?
Neros schlechter Ruf basiert auf Berichten, die während oder nach seiner Herrschaft von römischen Geschichtsschreibern verfasst wurden. Der Kaiser gilt seit langem als machtbesessener Tyrann, dessen Herrschaft (54 – 68 nach Christus) durch schreckliche Gewalttaten geprägt ist. So soll er unter anderem Britannicus, seinen 14-jährigen Rivalen und Sohn von Kaiser Claudius, vergiftet haben.
Selbst vor der Ermordung seiner eigenen Familie soll Nero nicht zurückgeschreckt haben, als er den Tod seiner Mutter und seiner Ehefrau organisierte. Gleichzeitig ist er für seine Verfolgung und Hinrichtung der Christen, sowie einen Brand bekannt, der einen Großteil Roms im Jahre 64 nach Christus zerstörte.
Forscher räumen mit Lügen auf
Bislang gehen Historiker davon aus, dass einige dieser Vorfälle tatsächlich passiert sind. Doch eine kürzlich durchgeführte Untersuchung lässt die Forscher nun darauf schließen, dass Nero nicht an allen abscheulichen Verbrechen beteiligt war. In dem neuen PBS-Dokumentarfilm „Secrets of the Dead: The Nero Files“ räumen die Historiker nun mit den Lügen auf.
Allgemein schreiben die römischen Geschichtsschreiber wie Tacitus oder Sueton, dass Nero sehr unbeliebt bei seinem Volk gewesen sei. Funde aus der Stadt Pompeji beweisen jedoch das Gegenteil. „Die archäologischen Beweise deuten darauf hin, dass Nero unerwartet beliebt unter den gewöhnlichen Menschen war“, sagte Rebecca Benefiel, Professorin für Klassik an der Washington and Lee University in Virginia, zu Live Science.
Nero wurde bereits im Alter von 16 Jahren zum Kaiser des Römischen Reiches ausgerufen – ein Bilderbuchstart in die Karriere. Doch allem Anschein nach, war er mehr an den Künsten interessiert, als an der Regierung. „Diese besorgniserregende Tatsache machte ihn beim mächtigen römischen Senat nicht gerade beliebt“, sagte Benefiel.
„Nero hatte nicht die militärischen Triumphe, die frühere Führer hatten“, sagte sie. „Feldzüge brachten dem Reich enorme Einnahmen. Sie feierten ihre Siege mit Triumphzügen durch die Stadt. Doch Nero trug kaum etwas zur Macht und zum Ansehen Roms bei.“
„Verschönerten“ die Historiker ihre Schriften mit Lügen über Nero?
Vieles, was über Nero bekannt ist, stammt von drei römischen Historikern: Tacitus, Sueton und Cassius Dio. Ihre Schriften könnten dabei viele Vorurteile gegenüber Nero enthalten haben. „Es ist sogar möglich, dass sie übertrieben oder Missetaten erfunden haben, um einen schlechten Kaiser noch schlechter aussehen zu lassen“, sagten PBS-Vertreter in einer Pressemitteilung.
So soll beispielsweise Nero in jungen Jahren seinen 14-jährigen Stiefbruder Britannicus ermordet haben, indem er ihm Gift in das Getränk mischte, so Tacitus. Eine Nachstellung in Neros Dokumentarfilm zeigte jedoch erhebliche Mängel in Tacitus‘ Darstellung der politisch motivierten Vergiftung.
Der römische Geschichtsschreiber und Senator Publius Cornelius Tacitus (* um 58; † um 120).
Tacitus schrieb, dass Nero einem Krug Wasser, der dann zum Kühlen eines Heißgetränks verwendet wurde, geruchloses, farbloses Gift hinzufügte. Das Gift war so stark, dass Britannicus innerhalb von Sekunden tot war.
„Heutige pflanzliche Gifte müssen jedoch sehr hoch konzentriert sein, um so schnell zu töten, wie es das Gift von Nero angeblich tat. Ein solches Gift hätte einen bemerkenswerten Geruch und eine bemerkenswerte Farbe gehabt und wäre leicht zu erkennen gewesen, bevor Britannicus einen Schluck nahm“, so die Filmemacher.
Roms großer Brand im Jahre 64 nach Christus
Tacitus war auch für die Geschichte verantwortlich, dass Nero im Jahre 64 nach Christus den großen Brand Roms auslöste. Laut ihm soll Nero dabei gesungen und auf seiner Leier spielte haben, während die Stadt brannte, so PBS.
Das Feuer brannte sechs Tage lang und zerstörte etwa zwei Drittel der Stadt. Dies ermöglichte Nero, einen neuen Komplex von Palästen über den verbrannten Ruinen zu bauen. Viele der römischen Aristokraten glaubten dabei, dass Nero das Feuer absichtlich legen ließ, um seine Baupläne ohne die Erlaubnis des Senats voranzubringen, berichtete PBS.
In den Augen der römischen Elite wäre Neros Bauprojekt „als sehr unangemessen“ angesehen worden, sagte Eric Varner, Professor für Kunstgeschichte an der Emory University in Atlanta, gegenüber PBS. Doch es gab keine Beweise dafür, dass Nero etwas mit dem Brand zu tun hatte. Der Unmut des Adels über Neros Bauvorhaben machte es demnach sehr leicht, ein derartiges Gerücht zu verbreiten.
In der Gunst des Volkes
Auch wenn Roms Adel Nero verachtete, feierte ihn das gemeine Volk, wie handgezeichnete Inschriften in der Stadt Pompeji zeigen. Nero regierte bis 68 nach Christus, 10 Jahre vor dem verheerenden Vulkanausbruch in Pompeji. Als die Asche des Vesuv die Stadt bedeckte, konservierte sie Schriften an öffentlichen Gebäuden, von denen einige Nero Lob priesen.
„Wir haben eine Reihe von gemalten Inschriften, die den Kaiser und seine Frau willkommen heißen und ihm applaudieren“, sagte Benefiel. „Einer von ihnen sagt: ‚Hurra auf die Entscheidungen des Kaisers und der Kaiserin – mit euch beiden sind wir sicher und gesund für immer glücklich.‘ So erhalten wir diesen wunderbaren Blick auf die Gunst des Kaisers gegenüber der Bevölkerung“, sagte sie weiter.
Die Geschichtsschreiber hingegen sahen Nero nicht in diesem schmeichelhaften Licht – besonders Sueton nicht, so Benefiel. Er beschrieb Nero als übermäßig mit dem Singen beschäftigt und rief einmal mehr als 5.000 junge Männer auf, ihm zu applaudieren, während er auftrat, so eine Übersetzung von Suetons Kaiserviten.
„Während er sang, durfte niemand das Theater verlassen, auch nicht aus den dringendsten Gründen“, schrieb Sueton. „Und so heißt es, dass einige Frauen dort Kinder zur Welt gebracht haben, während viele, die vom Zuhören und Beifall erschöpft waren, heimlich von der Mauer sprangen, da die Tore am Eingang geschlossen war […].“
Sueton ließ kein gutes Haar an Nero
Sueton zielte auch auf Neros Sexualleben ab und schrieb, dass Nero Jungen missbrauchte, verheiratete Frauen verführte und „sogar illegale Beziehungen zu seiner eigenen Mutter wünschte.“ Was Neros Führung betrifft, so schrieb er, dass der Kaiser ein Prasser sei, der „Geld ohne Einschränkung verschwendet.“ Zudem soll er den Rückhalt seiner Armee verloren haben, nachdem er es versäumt hatte, eine Rebellion der Gallier zu unterdrücken.
Doch der römische Historiker schreibt nicht nur negativ über Nero, sondern auch über Tiberius (römischer Kaiser von 14 bis 37 nach Christus). Wie auch Nero habe Tiberius ein lustvolles und gewalttätig-unterdrückerisches Leben geführt. So soll er auch Säuglinge, Kinder und schöne junge Frauen sexuell missbraucht haben.
Keine Zeitgenossen Neros
Ein großes Bedenken für die Frage nach dem Wahrheitsgehalt der Beschreibungen durch die römischen Historiker ist deren Lebenszeit. So ist einzig Tacitus ein Zeitgenosse Neros, der dennoch lediglich seine ersten 10 Lebensjahre unter der Herrschaft von Nero erlebte. Bereits in jungen Jahren wurde Tacitus zielstrebig auf eine Staatskarriere vorbereitet, die er unter Kaiser Vespasian als römischer Senator begann.
Sueton (* um 70; † nach 122) und Cassius Dio (*um 163; † nach 229) dagegen lebten erst lange Zeit nach dem Tod des Kaisers. Wie bereits Tacitus wurde auch Cassius Dio später zum römischer Senator. Vor allem die letzteren konnten nur Erzählungen über den Kaiser als Quelle für ihre Schriften nutzen. Doch wie viel Wert Erzählungen haben, erkennen wir auch heutzutage.
Der römische Geschichtsschreiber und Senator Lucius Cassius Dio (* um 163; † nach 229).
Die schwere Bürde des Kaisers
Neros Selbstmord im Jahre 68 nach Christus ließ das Römische Reich im Chaos versinken, so Benefiel. Nero hinterließ weder einen Erben noch einen klaren Nachfolger. Mit dem Ende der julisch-claudischen Kaiserdynastie durch Neros Tod wurde Galba für kurze Zeit römischer Kaiser. Ihm wiederum folgte das berühmte Vierkaiserjahr. Erst nach Vitellius‘ Sieg stabilisierte sich 69 nach Christus allmählich die Regierungslage in Rom.
Vielleicht wären alle glücklicher gewesen – auch Nero -, wenn er sich fernab der Politik ganz der Kunst verschrieben hätte, sagte Benefiel. „Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er sich wahrscheinlich nicht entschieden, Kaiser zu werden“, so die Archäologin. „Seine letzten Worte waren: ‚Oh, was für ein Künstler stirbt mit mir‘, er sah sich mehr als ein Künstler als ein Militärführer.“
Oft bestimmt der Kaiser noch zu Lebzeiten seinen Nachfolger, meist durch leibliche Nachkommen oder Adoption. Doch nicht alle folgenden Kaiser sind glücklich über den Karriereweg, der für sie bestimmt wurde, wie auch Tiberius. Oft zieht diese Situation machtsüchtige Neider an, die mit allen Mittel und Gunsten, den Thron erlangen wollen.
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