Auf den Spuren von Hitlers Raketenpionieren in „Rocket City“
Schnitzel zu finden ist nicht schwierig in Huntsville im tiefen Süden der USA. Auch Oktoberfeste gibt es hier, organisiert vom örtlichen Militärstützpunkt. Donnerstags ist Biergarten-Tag im Raumfahrtmuseum, und vor ein paar Tagen ließen sich die Gäste im Space & Rocket Center zur Feier des 50. Jahrestages der Mondlandung Bratwurst und bayrische Brezeln schmecken. Denn hier wohnten die Familien der Ingenieure, die im Nazi-Deutschland die V-2-Raketen entwickelten und nach dem Krieg die Flugkörper, die die US-Astronauten zum Mond brachten.
Mit Dutzenden anderen „Deutschen der zweiten Generation“ feierten auch Klaus Heimburg, Hans Hölzer und Peter Grau den Jahrestag der Apollo-11-Mission. Ihre Väter hatten sich unter ihrem Chef Wernher von Braun zum Ende des Zweiten Weltkrieges den US-Truppen ergeben. 1945 wurden dann die besten Köpfe des Dritten Reiches im Rahmen der geheimen „Operation Paperclip“ nach Texas gebracht und später nach Huntsville, damals ein schläfriges Bauernstädtchen.
Das US-Militär baute ein Waffenlager in ein Raketenentwicklungszentrum, dem Marshall Space Flight Center, um – die Stadt wurde zu einem Luft- und Raumfahrtzentrum. Hier wurde unter Leitung von Wernher von Braun die Saturn-V-Rakete entwickelt, die die ersten Astronauten zum Mond brachte.
„Wir spielten Cowboys und Indianer auf Deutsch“
Peter Grau wurde 1949 geboren, sein Vater Dieter leitete ein Labor zur Qualitätskontrolle. „Zwischen 1948 und 1949 gab es einen kleinen Babyboom, als all die Ehefrauen nachkamen“, erzählt er lächelnd. Viele deutsche Familien lebten im selben Viertel – das deshalb den Spitznamen „Sauerkraut Hill“ erhielt. „Mein Mittagessen war Schwarzbrot, die Amerikaner aßen Weißbrot, ich hatte Leberwurst, sie hatten Erdnussbutter“, erinnert sich Grau, der heute in Dallas lebt.
„Wir spielten Cowboys und Indianer auf Deutsch“, erzählt Klaus Heimburg, Sohn von Karl Heimburg, der die Tests leitete. „Unsere Eltern zogen uns Lederhosen an, ich rannte in den USA in Lederhosen rum.“ 60 Jahre später haben die Deutschen in Huntsville Spuren hinterlassen: Sie gründeten ein Symphonieorchester, ein Von-Braun-Sportzentrum, eine Astronomische Gesellschaft.
Rund die Hälfte des Teams von Brauns waren nach Angaben des Historikers Michael Neufeld Mitglieder der NSDAP, inklusive von Braun selbst, der 1940 auch von der SS rekrutiert wurde. Auf alle kritischen Fragen reagieren seine Söhne heute unisono: Wer Befehle im Hitler-Deutschland nicht befolgt habe, sei in den Tod geschickt worden. „Unsere Väter sind keine Psychopathen, sie machten keine bösen Sachen. Sie waren im Netz des Krieges gefangen“, betont Heimburg. Und schließlich hätten sie nur fünf Jahre unter deutschem Kommando gearbeitet, aber mehr als 25 Jahre für das US-Militär und später die Nasa.
Diese defensive Haltung teilen auch US-Bürger ohne deutsche Wurzeln in Huntsville, der örtliche Nasa-Historiker Brain Odom nennt es die „Huntsville school of history“. Mitten auf dem Campus der Nasa wurde gerade eine stattliche Büste von Brauns aufgestellt. Und neben seinem ehemaligen Büro steht eine V-2-Rakete – ohne Angaben zu ihrer Herkunft. Nach Recherchen des Historikers Stephen Waring von der University of Alabama ist es eine derer, die von Zwangsarbeitern im KZ Dora in Thüringen gebaut wurden.
Auch Bürgermeister Tommy Battle erkennt die Sensibilität des Themas, betont aber, die USA seien vor allem dank der deutschen Raketenpioniere zum Mond geflogen: „Zum ersten Mal in der Geschichte machte es Huntsville zu einem Ort, der etwas geschafft hatte, was niemand sonst geschafft hatte.“ (afp)
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