Ich denke dein – Von Friederike Brun
Ich denke dein
Ich denke dein, wenn sich im Blütenregen
Und wenn des Sommers mild gereifter Segen
In Ähren strahlt.
Ich denke dein, wenn sich das Weltmeer tönend
Gen Himmel hebt,
Und vor der Wogen Wut das Ufer stöhnend
Zurückebebt.
Dein denk‘ ich, wenn der junge Tag sich golden
Der See enthebt,
An neugebornen zarten Blumendolden
Der Frühtau schwebt.
Ich denke dein, wenn sich der Abend rötend
Im Hain verliert,
Und Philomelens Klage leise flötend
Die Seele rührt.
Dein denk‘ ich, wenn im bunten Blätterkranze
Der Herbst uns grüsst;
Dein, wenn, in seines Schneegewandes Glanze,
Das Jahr sich schliesst.
Am Hainquell, ach! im leichten Erlenschatten
Winkt mir dein Bild!
Schnell ist der Wald, schnell sind die Blumenmatten
Mit Glanz erfüllt.
Beim trüben Lampenschein, in bittern Leiden,
Gedacht‘ ich dein!
Die bange Seele flehte nah‘ am Scheiden:
»Gedenke mein!«
Ich denke dein, bis wehende Zypressen
Mein Grab umziehn;
Und selbst in Lethe’s Strom soll unvergessen
Dein Name blühn!
Friederike Brun (1765 – 1835)
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