Alles in Dir

Aus der Reihe Epoch Times Poesie – Als 1901 der Vater und 1910 Mutter und Schwester von Gerrit Engelke nach Amerika auswandern, bleibt er, gerade 20 Jahre alt, in Europa zurück. Als gelernter Maler und Lackierer ist er auch mit bildender Kunst beschäftigt, wendet sich jedoch 1912 ganz dem Dichten zu. Bereits mit 28 Jahren stirbt er 1918 in Folge des ersten Weltkriegs im Lazarett.
Titelbild
Foto: iStock
Von 26. Mai 2024

Alles in Dir

In Dir, o Mensch, ist alles:

In Dir ist der Schlaf und das Wache:
In Dir ist die Zeit.
Und ohne Dich ist keine Zeit.
In Dir ist die Zeit
Und die Fülle der Zeit:
Der qualmende Dampfer,
Die rollende Bahn,
Der eiserne Lärm
Und das Schweigen des Domes.
Der Stein und der Mörtel:
Das Haus und die Stadt.
In Dir ist die Fülle
Des zeitlichen Werkes.

In Dir, o Mensch, ist alles:
Die mordende Hand
Und das Künstler-Gehirn, –
Das ruchlose, stinkende Wort
Und das schwellende, schwebende Lied.
Die Liebe um Liebe:
Die Liebe der männlichen Stärke
Zu weiblicher Weichheit.
Und trübe verzehrende Liebe
Der Gleichen zu Gleichem.
Ist Beides in Dir:
Der Gott und das Böse.

In Dir, o Mensch, ist Alles:
Das trinkende Ohr
Und der Antworten speiende Mund.
Der nehmende Mund
Und der scheidende Darm –
Der bohrende Keim
Und der schwellende Schoß:
Der aufsaugende Anfang,
Das ausbrechende Sein.
Ist Beides in Dir:
Der schäumende Anfang,
Das reifende Ende,
Das Ende,
Das wieder nur Anfang,
Ist Alles, o Alles in Dir!

Gerrit Engelke (1890-1918)



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