Mythos und Wirklichkeit der Teufelsherrschaft

Kurt Flasch: „Der Teufel und seine Engel – Die Biographie“. Mit einer Fülle von bislang zu wenig wahrgenommenen Quellen erzählt er in zwanzig Kapiteln die Geschichte des Teufels.
Titelbild
"Der Teufel und seine Engel" über die biblischen Anfänge der Satanologie durch die Kirchenväter und im Mittelalter, die verhängnisvolle Verbindung von Satan und Sexualität und von Teufelsglauben und Hexenwahn, aber es geht darüber hinaus bis in die Gegenwart.Foto: Cover C.H. Beck
Von 23. November 2015

„Wie bequem macht sich’s nicht Luther durch seinen Teufel, den er überall bey der Hand hat, die wichtigsten Phänomene der allgemeinen und besonders der menschlichen Natur auf eine oberflächliche und barbarische Weise zu erklären und zu beseitigen.“(J.W. von Goethe – „Zur Farbenlehre“, Band 2, Tübingen 1810)

Das aktuellste Buch aus der Feder des jetzt 85-jährigen Wissenschaftlers und Denkers Kurt Flasch: „Der Teufel und seine Engel – Die Biographie“ mit einer Fülle von bislang zu wenig wahrgenommenen Quellen erzählt in zwanzig Kapiteln die Geschichte des Teufels.

Das Buch beschreibt die biblischen Anfänge und die Ausgestaltung der Satanologie durch die Kirchenväter und im Mittelalter, die verhängnisvolle Verbindung von Satan und Sexualität und von Teufelsglauben und Hexenwahn, es macht einen Besuch in der Hölle und widmet sich dem dortigen Personal, den Engeln des Bösen, aber es geht darüber hinaus bis in die Gegenwart.

Der Teufel hat sich gründlich in den Alltag der Menschen eingemischt, bis endlich im Zeitalter der Aufklärung seine Macht beschnitten wurde. Trotzdem reden heute evangelikale Kreise, fundamentalistische Gruppen und das Römische Lehramt wieder viel und realistisch von Satan. Papst Johannes Paul II. hat das von 1614 stammende Ritual der Teufelsaustreibung (Exorzismus) anno 1998 überarbeitet und erneuert. Flaschs Sympathie gilt in seiner großen Erzählung besonders jenen Denkern, welche die Herrschaft des Teufels nicht bestärkt, sondern an seiner Entmachtung mitgewirkt haben.

Professor Dr. Kurt Flasch, einer der bedeutendsten deutschen Historiker für mittelalterliche Philosophie, wurde am 12. März 1930 in Mainz geboren. Er erlebte die schleichende Vergiftung der Atmosphäre unter der Nazi-Herrschaft. Früh erfuhr er von Gästen des Elternhauses von den furchtbaren Verbrechen. Im November 1944, kurz vor Kriegsende, flohen die Mutter und der Bruder mit Kurt aus dem zerbombten Kastel nach Bingerbrück – und wurden dort im Bunker, eine Armeslänge entfernt von ihm, bei einem Brandbombenangriff getötet. Eine Katastrophe, die ein Leben prägte.

Von 1970 bis 1995 war Kurt Flasch Ordinarius für Philosophie im Philosophischen Institut der Ruhr-Universität Bochum. Rufe auf andere Lehrstühle in Wien und Freiburg im Breisgau während dieser Zeit lehnte er ab, hielt aber zahlreiche Gastvorlesungen, unter anderem an der Sorbonne in Paris.

Der Schatten des Teufels

Er betont die in die christliche Kultur eingearbeiteten Bilder der Menschlichkeit und Hilfe für die Schwachen, aber er sieht auch „ein moralisches und politisches Glaubwürdigkeitsproblem“ der christlichen Kirchen. In dieser Wahrnehmung kann man Kurt Flasch voll zustimmen.

Der Teufel stammt nicht aus Europa, sondern aus dem Orient. Aber jahrhundertelang lag sein Schatten auf dem Kontinent und nahm von da aus den Weg in die neue Welt. Die Europäer erlitten Satan (wie er auf Hebräisch heißt), aber sie verwandelten ihn auch, veränderten den Teufel nach ihrem Bild und Gleichnis. Er nahm die Form an, die gebraucht oder gefürchtet wurde. Er wechselte sein Gesicht und passte sich den Europäern an, die ihn riefen.

Kurtl Flasch resümiert auf den letzten Seiten seines sehr bedeutsamen Buches: „Könnte das Christentum die Abschaffung des Teufels überstehen? Lässt sich das Christentum ohne Satan rekonstruieren? Dagegen spricht die intellektuelle Innovationsscheu von Autoritäten. Fast alle Gelehrten bleiben ihr Leben lang bei ihrem einmal gewählten Paradigma.

Dagegen spricht die Vollständigkeit des Systems, vielleicht auch die Angst vor dem Teufel. Das Neue Testament spricht zu viel vom Teufel; Satans psychologische Ambivalenzen deuten vage ins Tiefe und werden so noch geschätzt. Der Teufel repräsentiert die Übermacht des Bösen in der Welt zusammen mit dessen Besiegbarkeit.

Diese psychologische Koinzidenz disparater Motive übersteigt die bloß moralistische Betrachtung der Welt und tritt daher auf als Ausbund von Tiefsinn. Sie straft diejenigen Lügen, die den Unterschied von Gut und Böse unbedingt festhalten wollen in der Annahme, das sei das Höchste, was menschliches Denken erreichen kann. Frühe Christen mussten die grausame Hinrichtung Jesu als in Gottes Welt möglich denken können – ohne Teufel war diese blutige Genugtuung, diese Art der Besänftigung des Gotteszorns nicht plausibel…

Der Teufel bewirkt Wehrhaftigkeit, und diese ist besonders in geschichtlichen Situationen gefragt, in denen sichtbare Feindesgruppen auftreten, die sich als Teufelssöhne identifizieren lassen: Juden, Hunnen, Ungarn, heidnische Slawen, Sarazenen, Mongolen, Türken, Kommunisten. Politiker finden es nützlich, die Gegenseite als ‚Reich des Bösen’ auszumachen. Den Führern des Lichtreiches bestätigt die Rede von der Existenz des Bösen die Wichtigkeit ihrer Aufgabe; sie bereitet sie darauf vor, dass sie besonderen Versuchungen ausgesetzt sind…

Der Zusammenhang von Gott und Teufel ist eng, enger als gedacht. Vielleicht wurden deshalb selbst die reformeifrigsten Theologen den Teufel nicht recht los…“

Foto: Cover C.H. Beck

Kurt Flasch

Der Teufel und seine Engel – Die Biographie

C.H. Beck-Verlag München

ISBN-10: 3406684122

464 Seiten

€ 26,95



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