Missbrauchsvorwürfe stürzen Schwedische Akademie in tiefe Krise
Missbrauchsvorwürfe im Umfeld der Schwedischen Akademie haben die renommierte Institution in eine tiefe Krise gestürzt. Nach Rücktritten namhafter Mitglieder erklärte am Donnerstag die Vorsitzende Sara Danius auf Wunsch der Akademie ihr Amt nieder.
Kurz darauf räumte auch das Mitglied Katarina Frostenson, gegen deren Mann sich die Belästigungsvorwürfe richten, ihren Platz. Die Akademie, die über die Vergabe des Literaturnobelpreises entscheidet, bestimmte einen Interims-Chef.
Danius sagte, sie lege ihr Amt auf Wunsch der Akademie mit sofortiger Wirkung nieder. Sie selbst hätte ihre Arbeit gerne fortgeführt, betonte sie. „Aber es gibt auch andere Dinge im Leben zu tun.“
Die Zeitung „Dagens Nyheter“ hatte im November berichtet, dass Frostensons Ehemann über Jahre hinweg 18 weibliche Mitglieder der Akademie, Frauen oder Töchter von Akademiemitgliedern und Mitarbeiterinnen belästigt oder missbraucht haben soll. Der Franzose Jean-Claude Arnault ist selbst Künstler und Leiter eines Kulturzentrums.
Die Akademie kappte daraufhin alle Beziehungen zu Arnault, strich die Subventionen für die von ihm geleitete Einrichtung und leitete eine interne Untersuchung ein. Sie sprach aber Frostenson mehrheitlich das Vertrauen aus – woraufhin am Freitag vergangener Woche die drei prominenten Mitglieder Peter Englund, Klas Ostergren und Kjell Espmark aus Protest ihren Rücktritt erklärten. Nach dem Rücktritt von Akademie-Chefin Danius am Donnerstag erklärte schließlich auch Frostenson ihren Rückzug.
Englund, der bis 2015 die Akademie leitete, sagte, Danius sei das Ziel „unberechtigter“ interner Kritik. Das Akademie-Mitglied Horace Engdahl sprach dagegen von einem „Führungsproblem“. „Eine radikale Geste war nötig, um die Bedingungen für einen Neubeginn zu schaffen“, sagte er dem Fernsehsender SVT. Die Akademie ernannte den Literaturprofessor Anders Olsson zum provisorischen Vorsitzenden, wie dieser am Freitag im Radiosender SR sagte.
Danius, Literaturprofessorin an der Stockholmer Universität, war die erste Frau an der Spitze der altehrwürdigen Institution, welche die schwedische Sprache und Literatur fördert und alljährlich den Literaturnobelpreisträger auswählt. Die Mitglieder der Akademie werden auf Lebenszeit gewählt und können im Prinzip nicht zurücktreten. Sie können aber entscheiden, nicht mehr an den Sitzungen und Entscheidungen teilzunehmen.
Von den 18 Akademie-Mitgliedern sind sieben nicht mehr aktiv. Zwei Frauen, Kerstin Ekman und Lotta Lotass, haben eine mehrjährige Auszeit eingelegt.
Arnault bestritt über seinen von AFP kontaktierten Anwalt die von den Frauen erhobenen Vorwürfe. Die Staatsanwaltschaft in Stockholm hatte im März erklärt, sie habe die Ermittlungen gegen den Beschuldigten mangels Beweisen eingestellt.
Für den Ruf der Schwedischen Akademie wiegt die Krise schwer. „Das ist verheerend für den Nobelpreis“, sagte der Kulturjournalist Mattias Berg im Radiosender SR. „Der wichtigste Literaturpreis der Welt wird von einer Akademie vergeben, die alles bewiesen hat außer Urteilsvermögen und Integrität.“
Eine Welle von Rücktritten hatte die Schwedische Akademie bereits 1989 erlebt. Drei Mitglieder räumten damals ihre Stühle, nachdem sich die Institution geweigert hatte, die iranische Fatwa gegen den Schriftsteller Salman Rushdie wegen dessen Buches „Die satanischen Verse“ zu verurteilen. Erst 27 Jahre später verurteilte die Akademie die Fatwa mit dem Tötungsaufruf. (afp)
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