Selbstgebaut: Ein komplettes Cello in 100 Tagen
Als Kind hatte sich Ida Riegels in den Klang eines Cellos verliebt. Jahre später beschloss die in Kopenhagen geborene Cellistin, ein Instrument von Grund auf selbst zu bauen. Sie gab sich 100 Tage Zeit, um die komplexe Aufgabe zu bewältigen. Zur Verwirklichung ihres Traums erhielt sie Hilfe aus dem Internet.
Ida Riegels stammt aus einer musikalischen Familie. Schon ihre Großmutter spielte Cello und heiratete einen Geiger. Das Instrument faszinierte ihre Enkelin von Anfang an, weshalb die junge Ida schon in der Schulzeit mit dem Cellospielen begann.
„Meine Schwester besuchte die Musikschule, und ich durfte es auch ausprobieren“, erzählt sie der Epoch Times. „Ich war acht Jahre alt und so begeistert, dass meine Eltern mich auch Unterricht nehmen ließen. Jeden Tag in der Mittagspause rannte ich von der Schule nach Hause, nur um 20 Minuten lang üben zu können.“
Ausgebildet wurde Riegels an der Königlich Dänischen Musikakademie. Heute tourt sie als Konzertcellistin, spielt hauptsächlich solistisch und lotet gerne die Grenzen ihres Instruments aus. Ihr wichtigstes Anliegen beim Bau des Cellos war es, ein Instrument zu bauen, das zu ihrer eigenen „Ausdruckspalette“ passt, aber auch einen eigenen Charakter hat und zu neuen Musikinterpretationen inspiriert.
Ein maßgeschneidertes Cello
„Eigentlich hatte ich schon vor einiger Zeit angefangen, immer ein paar Stunden an meinem Cello zu arbeiten, nur war es schwierig, zwischen den Konzerten die nötige Zeit dafür zu finden“, erzählt Riegels. „So beschloss ich, 100 Tage zu investieren, um wirklich dranbleiben zu können. Ob ich es allerdings schaffen würde, das Instrument in diesem Zeitrahmen fertigzustellen, das wusste ich nicht.“
In ihrem Entwurf berücksichtigte Riegel sowohl ihren Körperbau als auch ihren Spielstil und nahm daher einige geringfügige Änderungen der Standardproportionen vor. Das maßgeschneiderte Violoncello sollte einen „tiefen, kraftvollen und ausladenden Ton“ bekommen und sowohl „singen, schmettern als auch flüstern“ können. Sie war der Meinung, dass ein breites Cello aus leichtem Holz mit einer geringen Saitenspannung am besten geeignet wäre, um die menschliche Stimme nachzuahmen.
Unter dem Hashtag #100daysofcellomaking begann sie, Videos auf Instagram zu teilen und war überrascht, wie viele Menschen ihre Fortschritte verfolgten. „Plötzlich hatte ich einen Stichtag“, sagt die Cellistin. „Ich denke, sich selbst eine Frist zu setzen, ist eine gute Möglichkeit, um Dinge voranzutreiben und zu verwirklichen!“
Es war nicht Riegels‘ erster Versuch, ein Cello zu bauen. Nach einem zweiwöchigen Kurs an der Cambridge Violin Makers Summer School, stellte sie in neun Monaten bei sich zu Hause ihr erstes Cello her. Mit ihrem Lehrer Chris Beament blieb sie in Kontakt, las Bücher und sammelte auf YouTube nützliche Anregungen.
Herausforderungen beim Bau
Beim Bau ihres zweiten Instruments gab es immer wieder neue technische Schwierigkeiten. „Die Rückenplatte war eine besondere Herausforderung“, erinnert sie sich. „Ich begann mit 15,5 Kilogramm Ahornholz und hatte am Ende eine dünne, gewölbte Platte, die nur 700 Gramm wog. 14,8 Kilogramm Holz mit der Hand abzutragen, ist harte Arbeit – ich bekam unzählige Blasen und meine Arme schmerzten sehr.“
„Eine weitere Schwierigkeit bestand darin, ein Design für die Schalllöcher zu finden, die gewellten Löcher auf der Vorderseite, aus denen die Töne austreten“, erklärt sie. „Wochenlang habe ich verschiedene Varianten aus schwarzem Papier ausgeschnitten, um zu testen, wie sie auf der Frontplatte aussehen. Schließlich war ich bei vier endgültigen Versionen angelangt, konnte mich aber nicht entscheiden.“
Riegels arbeitete täglich von morgens bis abends an ihrem Projekt, um eine Lösung zu finden und ließ sich dabei von ihrer Internet-Fangemeinde beraten. Nachdem sie die Meinungen ausgewertet hatte, entschied sie sich für ein geschwungenes, „lächelndes“ Muster, das sie selbst entworfen hatte. „Ich war wirklich froh, von so vielen Menschen Unterstützung zu erhalten.“
Der erste Ton
Am 96. Tag konnte sie es nicht mehr abwarten und spielte zum ersten Mal auf ihrem Cello. „Das war ein ganz besonderer Moment“, sagt sie. „Lange Zeit hatte ich mich bei jedem einzelnen Schnitt mit dem Stechbeitel gefragt: Wird diese Kurve singen? Wie ist die Resonanz in dieser Ecke? Ich hatte den ganzen Prozess so sehr genossen, dass ich das Projekt beinahe nicht beenden wollte.“
Als sie den ersten Ton anspielte, wusste sie, dass sie ein großartiges Instrument geschaffen hatte. „Die erste halbe Stunde des Spielens ist unglaublich, denn dann erwacht das Instrument zum Leben“, reflektiert sie. „Anfangs hört man noch das kernige Holz, und man bekommt ein Gefühl dafür, welches Instrument man gebaut hat.“
„Ich war vom ersten Moment an verliebt; es ist tief und laut, sehr resonanzreich und leicht zu spielen.“
Am 100. Tag war das Cello fertig. An Tag 101 brachte Riegels das neue Instrument zu einer befreundeten Cellistin, um den Klang „von außen zu hören“. Ihre Freundin spielte wunderschön und wollte gar nicht mehr damit aufhören.
Fahrrad-Konzertreise mit dem Cello
Im Internet begeistert Riegels ein breites Publikum, das sie auf jedem Schritt ihres Weges begleitet hatte. Eines ihrer Videos wurde über eine Million Mal angesehen.
Abschließend ging es an die Feinabstimmung und das Experimentieren mit verschiedenen Saiten, Endpins und Bögen. „Holzinstrumente sind lebendig“, sagt Riegels. „Sie entwickeln sich ständig weiter und müssen je nach Klima und Wetter angepasst werden. Celli bleiben etwa 100 Jahre lang jung. Danach wird das Holz härter und der Klang reift auf ein neues Niveau. Ich muss allerdings sagen, dass der Klang von frischem Holz auch seine Reize hat.“
Riegels wuchs in der Nähe von Kopenhagen in der kleinen Stadt Birkerød, inmitten von schönen Wäldern, Seen, Wiesen und wilden Tieren auf. Dort entwickelte sie ihre Liebe für das Fahrradfahren. Heute ist es eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen, mit ihrem Cello auf dem Rücken auf Konzertreise zu gehen. Ihre längste Fahrrad-Konzertreise dauerte zwei Monate. Auf einer Gesamtlänge von 1.200 Kilometern von den Schweizer Alpen entlang des Rheins bis in die Niederlande, gab sie 40 Konzerte. Für ihr Spiel erhielt Riegels zwei Preise des dänischen Rundfunks, darunter einen für ihr Debütalbum „Cello Stories“ mit Originalkompositionen auf ihrem selbst gebauten Instrument.
Seitdem sie ihre 100-Tage-Cellobau-Challenge abgeschlossen hat, geht sie völlig darin auf, ihr neues Instrument kennenzulernen. Eine Aufgabe hat Riegels allerdings noch vor sich: Das Holz muss mit einer Lasur aus Walnussschalen und schwarzem Tee lackiert werden.
„Es fasziniert mich, dass ein Menschenleben so viel kürzer ist als das Leben eines Cellos“, sagt sie. „Ich frage mich, ob das Cello, das ich gerade gebaut habe, die nächsten 250 Jahre überleben wird und wie die Welt dann aussehen wird.“
Für diejenigen, die sich ein solches Projekt ebenfalls vorstellen können, kann sie einen Zeitraum von 100 Tagen sehr empfehlen. „In diesem Zeitrahmen kann man sehr intensiv arbeiten“, erklärt sie. „Es ist wunderbar, sich in etwas zu vertiefen, das einen interessiert, zu sehen, wie sich das Projekt entfaltet, und zu erleben, wie man sich selbst ebenfalls entwickelt und wächst.“
Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 59, vom 27. August 2022.
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