52. Berliner Theatertreffen: Eine Festival-Bilanz

Berlin (dpa) - Endspurt beim 52. Berliner Theatertreffen: Mit der Vergabe des Alfred-Kerr-Darstellerpreises und einem Stück, das so nie mehr auf der Bühne zu sehen sein wird, geht die Leistungsschau der deutschsprachigen Bühnen am Sonntag zu Ende…
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Berlins ehemaliger Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) gratuliert der Schauspielerin Corinna Harfouch zum Theaterpreis.Foto: Jörg Carstensen/dpa
Epoch Times14. Mai 2015
Endspurt beim 52. Berliner Theatertreffen: Mit der Vergabe des Alfred-Kerr-Darstellerpreises und einem Stück, das so nie mehr auf der Bühne zu sehen sein wird, geht die Leistungsschau der deutschsprachigen Bühnen am Sonntag zu Ende. Eine Bilanz nach zweieinhalb Wochen Festival:

ROTER FADEN: „Es gibt ein neues politisches Theater“, erklärte Theatertreffen-Leiterin Yvonne Büdenhölzer zum Start des Festivals. Vier der zehn eingeladenen Inszenierungen erzählten von Krieg, Gewalt, Vertreibung und Heimatlosigkeit. Das Echo auf Nicolas Stemanns Eröffnungsinszenierung von Elfriede Jelineks „Die Schutzbefohlenen“ (Thalia Theater Hamburg) mit Schauspielern sowie Flüchtlingen aus Afrika, Afghanistan, Iran und Pakistan war noch geteilt. Sehr beeindruckt zeigte sich das Publikum dann vor allem von Yael Ronens „Common Ground“ vom Berliner Gorki Theater – inszeniert mit Schauspielern, die in dem Stück über die Folgen des Balkan-Krieges ihre eigenen Biografien verarbeiten. Nach den Theatertreffen-Premieren wurden Spenden für Flüchtlinge gesammelt.

GEWINNER: Drei Preise werden traditionell beim Theatertreffen vergeben. Als „prägende Schauspielerin ihrer Generation“ wurde die 60-jährige Corinna Harfouch mit dem mit 20 000 Euro dotierten Theaterpreis Berlin ausgezeichnet. Die 34-jährige Lina Beckmann vom Deutschen Schauspielhaus Hamburg erhielt für ihre Rolle in Ibsens „John Gabriel Borkman“ (Regie Karin Henkel) den mit 10 000 Euro dotierten 3sat-Preis für eine besonders innovative Leistung. Am Sonntag wird der Gewinner des Alfred-Kerr-Darstellerpreises für Nachwuchstalente bekanntgegeben. Juror für die mit 5000 Euro dotierte Auszeichnung ist der Schauspieler Samuel Finzi.

ENTDECKUNG: Die österreichische Schauspielerin Stefanie Reinsperger. Gleich in zwei Theatertreffen-Inszenierungen überzeugte die 27-Jährige vom Wiener Burgtheater. In Wolfram Lotz‘ Kriegs-Satire „Die lächerliche Finsternis“ (Regie Dušan David Pařízek) spielt sie eine somalische Diplom-Piratin, die uns auf unnachahmliche Art erklärt, was ihre „Arbeit“ mit leergefischten Meeren und Globalisierung zu tun hat. In Ewald Palmetshofers „die unverheiratete“ (Regie Robert Borgmann) ist Reinsperger eine junge Frau, deren Leben vom Verhalten ihrer Großmutter während der Nazi-Zeit beeinflusst wird. Reinsperger spielt kraftvoll, komisch und zugleich sensibel forschend. Sicher eine Anwärterin auf den Alfred-Kerr-Darstellerpreis.

PUBLIKUMSLIEBLINGE: Yael Ronens Balkankriegs-Stück „Common Ground“ vom Berliner Gorki Theater. Besonders viel Applaus bekamen auch die jungen Darsteller vom Schauspielhaus Stuttgart. Sie erzählen in Christopher Rüpings tragikomischer und knallbunter Bühnenversion des Dogma-Films „Das Fest“ eine schmerzliche, von Missbrauch überschattete Familiengeschichte.

AUFREGER: Susanne Kennedys Bühnenversion des Films „Warum läuft Herr R. Amok?“ (Münchner Kammerspiele) – pünktlich zum 70. Geburtstag von Filmemacher Rainer Werner Fassbinder (1945-1982). Kennedy zeigte eine formal strenge Inszenierung in holzgetäfeltem Bühnenbild. Ihre Schauspieler traten mit Latexmasken auf und bewegten die Lippen zum von Laien eingesprochenen Playback. Auf den ersten Blick ein reizvoller Verfremdungseffekt, der den Stillstand im Leben des kleinen Angestellten meisterhaft illustriert. Am Ende aber doch eine sehr ermüdende Stilübung ohne emotionale Reize. In Berlin wird künftig noch mehr von Kennedy zu sehen sein: Sie gehört zum Künstlerteam, das der designierte Berliner Volksbühnen-Intendant Chris Dercon gerade für das Haus verpflichtet hat.

WAS NOCH KOMMT: Zum Abschluss des Festivals wird am Sonntag Frank Castorfs viereinhalb Stunden lange Brecht-Inszenierung „Baal“ gezeigt – zum allerletzten Mal. Die Brecht-Erbin hat weitere Aufführungen wegen des ihrer Ansicht nach zu massiven Eingriffs in den Originaltext gerichtlich stoppen lassen.

GUTE NACHRICHT ZUM SCHLUSS: Kulturstaatsministerin Monika Grütters wird künftig den Theaterpreis des Bundes für kleine und mittlere Bühnen vergeben. „Die Auszeichnungen mit einer Gesamtdotierung von einer Million Euro werden für jeweils ein abgeschlossenes Projekt eines Theaters Ende dieses Jahres verliehen“, kündigte Grütters an.

(dpa)

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