Streik: Der Neid der Besitzlosen und das Grundrecht auf Arbeit

Warum die Solidarität verloren ging – Ärger im Schlaraffenland
Von 17. März 2006

Es wird wieder gestreikt in Deutschland, das kam lange nicht mehr vor. Kaum jemand, der nicht ein wenig interessiert in die Welt schaut, weiß noch, um was es bei Streik überhaupt geht. Vor allem junge Menschen sind tatsächlich mangelinformiert, denn die Gewerkschaften und ihre Geschichte werden kaum noch im Unterricht behandelt. Und in den Ausbildungsbetrieben des Mittelstandes, die das Gros an Lehrstellen in Deutschland stellen, auch nur am Rande erwähnt. Kaum jemand will wissen, dass der Staat mit seinen Schulen und die Arbeitgeber auch heute noch zu den natürlichen Gegnern der einstigen Notgemeinschaften der Arbeiter gehören und dass es schlimme Folgen hat, wenn das natürliche Gleichgewicht der Interessen nicht mehr gewahrt werden kann.

Die ersten Selbsthilfe-Gruppen der Welt

Eigentlich waren es die ersten Selbsthilfe-Gruppen der Welt, diese Arbeitervereine des 19. Jahrhunderts, aus denen später fachbezogene Gewerkschaften wurden. Es waren Notgemeinschaften. Die Arbeitszeit ging meist von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, 12 bis 16 Stunden waren die Regel und das auch am Samstag. Und man ging zu Fuß zur Arbeit, oft viele Stunden und bei jedem Wetter. Es gab fast nur Tagelöhner, oft entschied sich erst am Morgen, ob man an diesem Tag überhaupt Geld nach Hause bringen konnte. Das bedeutete bei Unfall oder Krankheit völligen finanziellen Ausfall für die Familie. Notgroschen waren selten, denn das Brot war teuer und auch die Kartoffelpreise waren hoch. Auch die Kinder arbeiteten meist schon mit acht Jahren, denn Schulgeld konnte keiner bezahlen. Oft war das einzige Ziel im Leben dafür zu sorgen, dass der Ernährer bei Kräften blieb und die Kinder nicht Hungers starben. Hartz 4 wäre damals ein echter Fortschritt gewesen, der Himmel auf Erden.

So schlossen sie sich zusammen und bildeten eine Kasse, die im Notfall eben einer Familie half zu überleben. Aus diesen Zusammenschlüssen entwickelten sich die Arbeitervereine.

Unsere Ur-Ur-Großeltern, die für eine bessere, sicherere Zukunft ihrer Kinder kämpften, gerade wie alle Menschen zu allen Zeiten, sind die Ursache dessen, dass wir heute eine Rentenkasse haben, eine Brandkasse, Krankenkasse, Arbeitslosenkasse und Sozialhilfe. Alle Versicherungen, Sparkassen, Bausparkassen und jede Form des von der heutigen Jugend fast als gottgegeben betrachteten sozialen Netzes sind daraus entstanden.

Arbeiter und das Recht auf Bildung

Was Urlaub ist, das wussten sie nicht. Was Langeweile ist, auch nicht. Ihre Bildung erarbeiteten sie sich nach Feierabend, wenn sie sich mit anderen Arbeitern trafen, um ein geliehenes Buch zu lesen und sich gegenseitig das Lesen und Schreiben und Rechnen beizubringen. Sie lernten viel auswendig, denn Bücher waren zu teuer, als dass man sie hätte kaufen können. Sie kannten aber ihren Goethe und Schiller und die ganzen humanistischen Denker. Durch ihre erbarmungswürdige Situation waren aber viele auch anfällig für Marx und Engels. Nur hungrige Menschen neigen einer Revolution zu. In Nordrhein-Westfalen war es bezeichnend, dass die meisten Arbeiter strenggläubige Katholiken waren im Gegensatz zu den reformierten Arbeitgebern. Die katholische Arbeiterbewegung ist auch heute noch stark und die Entwicklung der christlichen Sozialethik der Jesuiten wurzelt auch in den Geschehnissen dieser Zeit.

Das alles erinnert auch ein wenig an die Situation wie sie vor wenigen Jahren den Umsturz in Polen und dann des ganzen Ostblocks brachte: ohne Gewerkschaften gibt es keine Demokratie. Gewerkschaften stehen ein für Menschenrechte und ihre Einhaltung. In faschistischen Ländern wie China, Russland, Nord-Korea gibt es deshalb keine oder nur staatlich kontrollierte Feigenblätter.

Echte Demokratie bietet Schutz

Die Qualität einer Demokratie kann man am Zustand und ihrem Verhältnis zu ihren Gewerkschaften messen. Es scheint heute vergessen, dass die Gewerkschaften dafür Sorge trugen, dass es ein in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 ein verankertes Recht auf Arbeit gibt in Deutschland. Das fiel nicht vom Himmel. Das ist(dauert ja noch an!) das Ergebnis des Mutes und der Beharrlichkeit und Standfestigkeit unserer Vorfahren. Sie sind dafür ins Gefängnis und aufs Schafott, in Arbeitslager und ins KZ geschickt worden. Sie standen ein für ihren Glauben, dass das Wort „Freiheit“ immer nur die „Freiheit des Andersdenkenden“ meinen kann. Dass wir nur so viel bekommen und bewahren können, wie wir auch einsetzen für die Würde des Einzelnen und den Erhalt einer starken Gemeinschaft, die diese verletzliche Würde schützt, war ihnen bewusst. Im letzten Jahr war die Mai-Parole des DGB: „Würde zeigen“ bzw. „Du bist mehr. Mehr als eine Nummer. Mehr als ein Kostenfaktor. Du hast Würde. Zeig sie!“

Der Neid der Besitzlosen

Nun höre ich oft solche Sätze wie: „Die sollen froh sein, dass sie überhaupt Arbeit haben, so ein Streik ist undankbar.“. Ach! In Sklaverei und Leibeigenschaft gab es auch keine Arbeitslosigkeit. Da halt ich es wieder mit Heine „…denk ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht.“

 

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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