Sozialpsychologe schreibt: Alles über die Liebe

„Alles über die Liebe“ heißt das neue Buch des Sozialpsychologen Manfred Hassebrauck mit dem Untertitel „Warum wir lieben, wen wir lieben, wie wir die Liebe erhalten.“ Das Buch bietet exklusive wissenschaftliche Tests für Singles und Paare. Epoch Times sprach mit dem Experten für die Liebe über mehr als die Liebe.
Von 11. August 2010

Epoch Times: Herr Professor Hassebrauck, gibt es für einen so gründlichen Forscher nach 30 Jahren Untersuchungen über die Liebe auch noch Überraschungen?

Manfred Hassebrauck: Also es gibt eine ganz Menge Überraschungen bei den Untersuchungen, wenn ich bemerke, wie subtil und unbewusst bestimmte Aspekte in Beziehungen laufen.

Epoch Times: Sie beschreiben sehr amüsant in Ihrem Buch, dass „etwas weniger hässlich“ für die Partnerwahl viel wichtiger sein kann als „besonders schön“.

Hassebrauck: Eine der Überraschungen war, als wir uns vor ein paar Jahren fragten, wie wichtig das Aussehen bei der Partnerwahl ist. Man liest ja überall, dass Hunderttausende von kosmetischen Operationen gemacht werden. Da habe ich mich gefragt, ist es eigentlich wichtiger, Hässlichkeit zu vermeiden oder Schönheit zu erreichen. Wir haben auch feststellen können, dass es bei der Partnerwahl eher einen Hässlichkeits-Vermeidungs-Mechanismus gibt als einen Schönheits-Aufsuche-Mechanismus.

Der Effekt von „etwas weniger hässlich“ wird auch viel deutlicher wahrgenommen als von „besonders schön“.

Epoch Times: Es lohnt sich also, „etwas weniger hässlich“ zu sein? Gilt das nur für Paarbeziehungen?

Hassebrauck: Es gibt nach meinem Wissen keinen einzigen Bereich in unserem Alltag, bei dem das Aussehen keine Bedeutung hat. Das fängt beispielsweise schon bei Gericht an, wo das Aussehen prinzipiell überhaupt keine Auswirkungen haben dürfte. Man stellt fest, dass gut aussehende Angeklagte mit geringeren Strafen wegkommen als weniger gut aussehende. Das dürfte dort eigentlich nicht so sein.

Im Betrieb geht es weiter, in der Politik, im Hochschulbereich, in der Schule und natürlich in unserem Alltag. Gut aussehenden Menschen wird eher geholfen, wenn sie in Not sind, wir finden sie eher sympathisch, ihnen werden eigentlich eher positive Eigenschaften zugeschrieben, also das Aussehen ist etwas, das in unserem Alltagsleben überall eine Rolle spielt.

Epoch Times: Sie stoßen bei Ihren Forschungen über die Liebe auch bis zu den Auswirkungen hormoneller Prozesse vor, die sogar die Antworten in den wissenschaftlichen Befragungen beeinflussen.

Hassebrauck: Wir haben in unserer Arbeitsgruppe vor ein paar Jahren angefangen zu fragen, ob sich denn der weibliche Menstruationszyklus darauf auswirkt, wie Frauen ihre Beziehungen sehen.

Wir waren völlig überrascht von den Ergebnissen. So finden zum Beispiel Frauen in der sogenannten nicht fertilen Phase ihre Unabhängigkeit wichtig, in der fertilen Phase finden sie Sex wichtig, aber Unabhängigkeit überhaupt nicht. Da sind ihnen Gemeinsamkeiten wichtiger.

Eigentlich müsste man, wenn man Frauen befragt, noch immer fragen, ob sie die Pille nehmen und vor wie vielen Tagen ihre Menstruation angefangen hat. Das müsste man wirklich machen, aber das macht natürlich keiner.

{R:2}

Epoch Times: Sie geben in Ihrem Buch auch Tipps für die Partnersuche; ist das Ihr Dienst an der Gesellschaft?

Hassebrauck: Das ist ja, was die Leute auch wissen wollen. Ich bin primär eigentlich ein Forscher, aber als Psychologe werde ich natürlich viel stärker mit der Frage konfrontiert, wozu diese Forschung nun gut sei.

Viele der Erkenntnisse kann man durchaus – mit Bedacht angewendet – für sich selbst nutzen und daraus für die eigene Beziehung profitieren. Man erkennt eben auch diverse Regelmäßigkeiten in Fallstricken und kann sich vornehmen, dass das auf keinen Fall passieren darf.

Zum Beispiel bei einer neuen Beziehung kann man die Eigenschaften der Person, in die man verliebt ist, nicht so nüchtern betrachten, wie man das normalerweise tun sollte. Das heißt, die Verliebten tragen eine rosarote Brille und verzerren das Bild des Geliebten, sie finden schlechte Sachen noch gut, sie sehen Tugenden in Fehlern und denken sich den anderen schön.

Vielleicht ist man – nach der Lektüre dieser neutralen Forschungsergebnisse – dann nicht so abweisend, wenn einem der beste Freund oder die Freundin sagt: „So ganz gut passt Ihr beiden doch nicht zusammen.“ Man interpretiert das dann vielleicht auch nicht als Missgunst, sondern denkt noch mal darüber nach.

Epoch Times: Wie steht es mit Partnerschaften aus unterschiedlichen Kulturkreisen, sind diese besonders gefährdet?

Hassebrauck: Ja, das ist auch nicht weiter verwunderlich, wenn man sich vorstellt, dass es ja für eine stabile und gleichzeitig auch glückliche Beziehung ganz wichtig ist, dass man in den für einen selbst wesentlichen Vorstellungen, wie das Leben sein soll und wie die Beziehung sein soll, übereinstimmt.

Wenn Leute einen sehr unterschiedlichen kulturellen Hintergrund haben, dann sind damit auch Konflikte eigentlich vorprogrammiert, die in anderen Beziehungen nicht auftreten, vor allen Dingen, wenn es Kulturen sind, bei denen die klassische Unterscheidung zwischen Männerrollen und Frauenrollen viel, viel krasser ist als in westlichen Industriegesellschaften.

Epoch Times: Es gibt eine Skala in Ihrem Buch, in der man herausfinden kann, welcher Beziehungstyp man ist. Gibt es dafür ein Muster?

Hassebrauck: Das sind Grundmuster, die wir immer wieder feststellen.

Da gibt es den „familienorientierten“ Typ, der eher interessiert ist, dauerhaft und langfristig nur mit einer Person zusammenzusein, der mag auch Kinder und hat eine Vorliebe für Stabilität. Der „affärenorientierte“ Typ liebt eher kurzfristige und leidenschaftliche Affären ohne ernsthafte Absichten.

Aber wir haben in unserer Arbeitsgruppe festgestellt, dass das nicht zwei Gegenpole sind, die einander ausschließen, was man so denken könnte; es sind zwei Aspekte, die vollkommen unabhängig voneinander existieren. Jemand kann sowohl familien- als auch gleichzeitig affärenorientiert sein, das gilt gleichermaßen für Männer wie für Frauen.

Epoch Times: Sie geben auch sehr lebensnahe Tipps, etwa zur Partnersuche über das Internet. Wer hat es nach Ihren Erkenntnissen schwer auf dem Partnermarkt?

Hassebrauck: Das sind erstens wenig qualifizierte Männer und zweitens hochqualifizierte Frauen. Die wenig Qualifizierten bekommen keine Frau wegen der leichten Aufwärtsorientierung der Frauen, die einen Mann mit höherem Status und höherer Bildung bevorzugen; die hochqualifizierten Frauen so Ende Dreißig sind letztlich Opfer ihrer eigenen Selektivität. Sie wollen schon mindestens einen Mann, dem sie auf Augenhöhe begegnen können, das heißt, er muss mindestens das Bildungsniveau vorweisen, das sie selbst haben, also jemand sein, mit dem man auch intellektuell gut reden kann, der interessant ist.

Davon gibt es dann aber nicht mehr so viele, die noch frei sind. Die älteren Männer, die infrage kämen, suchen wiederum viel jüngere Frauen wegen ihrer Attraktivität.

{R:3}

Epoch Times: Sie haben auch die Wirkung von Erwartungshaltungen bei der Aufnahme von Beziehungen erforscht.

Hassebrauck: Ja, die Art der Kommunikation entwickelt sich aufgrund der Vorstellung, die man voneinander hat – auch am Telefon.

Diese Erwartung überträgt sich, ohne dass wir uns dessen bewusst sind, auch auf den anderen. Dieser andere Mensch reagiert dann eben auch genauso, wie wir es erwarten. Das sind die typischen sich selbst erfüllenden Prophezeiungen.

Epoch Times: Ist diese Erkenntnis vielleicht geeignet, sowohl dem Einzelnen als auch der Gesellschaft als Ratschlag zu dienen: Was ich aussende, das kehrt zu mir zurück?

Hassebrauck: Ja, natürlich, es heißt ja auch im Volksmund: „Wie du in den Wald hineinrufst, so schallt es heraus.“ Aber im Alltag vergisst man das auch leicht und reagiert spontan und nicht immer bewusst und kontrolliert. Auch Sozialpsychologen sind da keine Ausnahme (lacht), obwohl sie es eigentlich besser wissen müssten.

Epoch Times: Herr Professor Hassebrauck, ich danke für das Gespräch.

Das Interview führte Renate Lilge-Stodieck

 

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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