Schopenhauer und der Frankfurter Tierschutzverein
“Du hast sie doch immer so gerne gemocht.“, mit diesen Worten legten meine Freunde mir im letzten Moment ihr kleines weißes Wollknäuel auf vier Beinen ans Herz, bevor sie überraschend ins Ausland entschwanden. Da stand ich nun als neue unfreiwillige Hundebesitzerin. Der kleinen Penny (na, so klein wie ein Penny war sie auch wieder nicht!) konnte ich auf Dauer weder selbst ein passendes Zuhause bieten noch eines im Freundeskreis vermitteln. Bei der Suche nach einem guten Plätzchen für Penny erneuerte ich bald meine Bekanntschaft mit Arthur Schopenhauer.
„Über die Grundlage der Moral“
Mit Schopenhauer? Ja, mit dem deutschen Philosophen Arthur Schopenhauer, der 1788 in Danzig geboren wurde und die zweite Hälfte seines Lebens als Privatgelehrter in Frankfurt am Main verbrachte. Schopenhauer war nämlich eines der ersten und berühmtesten Mitglieder des 1841 gegründeten „Vereins gegen Tierquälerei“. Bereits anderthalb Jahrzehnte vor dessen Gründung hatte er seine philosophische Schrift „Über die Grundlage der Moral“ veröffentlicht, in der er den Tieren einen besonderen Abschnitt widmet und die Pflichten des Menschen gegenüber den Tieren ausführlich behandelt. In dieser Abhandlung Schopenhauers erscheint das Mitleid als Grundprinzip menschlichen Handelns: „Mitleid mit allem, was Leben hat, Menschen und Tieren.“
Dieser Leitgedanke des Mitleids mit allem Lebenden zieht sich durch die 160-jährige Geschichte des Vereins, der später in „Verein zum Schutze der Tiere“ umbenannten wird.
Vom Tierasyl bis zum Tierschutzkalender
Die Arbeitsfelder des Vereins sind auch ein Spiegel der Zeit. Im 19. Jahrhundert, als Kutschen und Fuhrwerke Menschen und Güter beförderten, ging es vor allem darum Quälereien und Grausamkeiten gegen Tiere und Überanstrengungen der Tiere aufzudecken und die Tierquäler der Bestrafung zuzuführen. Bald stellte der Verein auch mit polizeilicher Legitimation versehene Aufseher für die Überwachung des Ein- und Ausladens von Schlachtvieh und des Transports der Tiere. Diese Transporte gaben schon damals häufig Anlass zu Beanstandungen.
Später entdeckte man, daß auch die städtische Vogelwelt der Fürsorge bedarf, so wurden schon seinerzeit Nist- und Futterplätze eingerichtet. Aufklärungsarbeit in den Schulen ist auch keine Erfindung aus unserer Zeit, denn schon im 19. Jahrhundert legte man den Schülern den Schutz der Kreatur ans Herz. In Schulen wurden z.B. Schriften zu dem Thema verteilt, und man legte erstmalig einen Tierschutzkalender auf.
Die Mitgliederzahl des Frankfurter Vereins wird 1874 mit 1.311 angegeben. Zu den Mitgliedern und Förderern des Vereins gehörten viele Pfarrer, Ärzte und Handelsleute, Bankiers und ein Generalkonsul. Es war die Zeit des Mäzenatentums. Dank der Initiative und Spendenfreudigkeit einiger Tierfreunde ging im Jahr 1912 der Traum eines eigenen „Tierasyls“ in Erfüllung. Mit einem tüchtigen Zuschuss der Stadt Frankfurt entstand ein „prachtvolles Tierheim“ am Rande der Stadt.
Wechselnde Aufgaben in wechselnden Zeiten
Das Jahr 1933 brachte mit dem „Reichstierschutzgesetz“ die Einführung von Stallkontrollen. Unter Beteiligung der Schutzpolizei und sogenannter Ortslandwirte wurden Stallkontrollen ständig in der Umgebung von Frankfurt vorgenommen und Verstöße zur Anzeige gebracht, außerdem wurden regelmäßig die Verhältnisse auf dem Schlacht- und Viehhof und der Ernährungs- und Pflegezustand der Schlachttiere überprüft.
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Tierschutz-Arbeit zwar weitergeführt, konzentrierte sich aber sehr stark auf Nutztiere wie Hunde und Pferde um den „Bedarf“ für Wehrmacht und Polizei sicherzustellen.
Nach Kriegszerstörungen und sparsamem Wiederaufbau kam im Jahre 1969 die große Wende. Der Tierschutzverein erbte ein ansehnliches Vermögen von einem Frankfurter Arzt. Mit einer Bausumme von 2,5 Mio. DM wurde Ende 1978 das neue, komfortable Tierheim in Frankfurt-Fechenheim errichtet, eine Bleibe für Hunde und Katzen, Igel, Vögel und Wassertiere, mal für längere, mal für kürzere Zeit, je nach Bedarf. Knapp 2.000 Tiere werden hier in jedem Jahr aufgenommen und von einem Stab von ca. 8 festangestellten Pflegern und einigen Aushilfen und ehrenamtlichen Mitarbeitern betreut. Manche Tiere werden von ihren Besitzern wieder abgeholt, viele an neue Besitzer vermittelt.
Hundepavillon mit Fußbodenheizung
Durch die Beiträge, Spenden und Vermächtnisse von derzeit etwa 6.500 Vereinsmitgliedern und Förderern können Tierschutzverein und Tierschutzheim am Leben erhalten werden. Der § 2 der Vereins-Satzung besagt: „Zweck des Vereins ist, durch Aufklärung und gutes Beispiel Liebe und Verständnis für die Tierwelt zu wecken, das Wohlergehen und eine artgerechte Haltung der Tiere zu fördern.“ Das macht mir Mut, für die wuselige kleine Penny hier Unterkunft zu erbitten bis ihre Besitzer sie hoffentlich wieder abholen werden. „Ich bringe sie in den Hundepavillon“, sagt mir der freundliche Tierpfleger, „dort gibt es Fußbodenheizung, und die Tiere fühlen sich gleich sehr wohl bei uns.“ Was soll man da noch sagen?
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