Gravierende Fehler in Kinderbüchern: China verletzt Astrid Lindgrens Urheberrechte

Feng Gao hat in den 80er-Jahren als Erster die Bücher der Schwedin Astrid Lindgren ins Chinesische übersetzt. Doch plötzlich übernahm ein anderer Übersetzer die Arbeit, der viele Details verfälschte. Bis heute setzt sich Gao unermüdlich dafür ein, die Werke im Sinne Lindgrens richtigzustellen – kein leichtes Unterfangen.
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Feng Gao übersetzte in den 1980er-Jahren einige Kinderbücher von Astrid Lindgren und hatte auch die Gelegenheit, die schwedische Autorin zu treffen.Foto: Privat
Von 1. April 2023

Ich übersetzte 1984 Astrid Lindgrens Werk „Immer dieser Michel“ (Stora Emilboken), 1985 „Als Klein-Ida auch mal Unfug machen wollte“ (När lilla Ida skulle göra hyss) und 1986 „Rasmus und der Landstreicher“ (Rasmus på luffen). Ich habe Astrid zweimal getroffen. Sie kochte Kaffee für mich und machte Fotos mit mir. Sie schätzte meine Übersetzungen und schenkte mir ihre neuen Bücher. Wie Millionen von Lesern liebe ich sie über alles. Deshalb möchte ich alles tun, um Astrid Lindgren und ihre Werke zu schützen.

Astrid Lindgren wurde in China erstmals in den 1980er-Jahren bekannt, als China begann, sich der Welt zu öffnen. Es gab vier Übersetzer und drei große Verlage, die miteinander konkurrierten. Gegen Ende der 1980er-Jahre wurden fast alle ihre Kapitelbücher übersetzt. 1992 trat China dem Welturheberrechtsabkommen bei. Einige Jahre später erwarb der chinesische Jugend- und Kinderbuchverlag die Rechte an Lindgrens Büchern.

Dann kam Li Zhiyi, der dabei half, den Kontakt zum Verlag zu vermitteln. Er sagte, dass Lindgrens Vertreter wollte, dass in Zukunft niemand außer ihm Astrid Lindgren übersetzen sollte.

Der Verleger hatte keine andere Wahl, als dem zuzustimmen, so der zuständige Redakteur, Herr Xu. Der Vertreter von Astrid Lindgren AB [das Unternehmen verwaltet alle ihre Rechte] erklärte jedoch, dass man dem Verlag nie einen Übersetzer empfohlen habe.

Der chinesische Jugend- und Kinderbuchverlag begann, Lis Übersetzung in großem Umfang zu veröffentlichen. Als ich 2010 sein Michel-Buch las, war ich schockiert und traurig zugleich. Ich bemängelte große Fehler in der Übersetzung und wandte mich an den Verlag.

Ein paar Beispiele: Wie wir wissen, hat Michel in Lönneberga immer eine Menge Unfug getrieben. Die Dorfbewohner waren darüber so erbost, dass sie Michels Mutter baten, ihn nach Amerika zu schicken. Aber das gefiel Astrid Lindgren nicht. Schon am Anfang des Michel-Buches schrieb sie: „Stell dir vor, sie hätten gewusst, dass Michel einmal Vorsitzender des Gemeinderats werden würde, wenn er groß ist!“ Li übersetzte das Gemeindekomitee als Nachbarschaftskomitee – eine Institution, die es damals weder in Schweden noch in China gab. Michel wurde also nie Vorsitzender des Gemeindeausschusses, sondern nur Vorsitzender eines Nachbarschaftsausschusses, als er erwachsen war.

Sinn gavierend verändert

Es gibt noch eine andere Figur in dem Buch Kommandoran. Astrid Lindgren beschrieb sie als unhöfliche und gierige Frau. Aber Li verwandelte diese Tyrannin in eine weibliche Vorgesetzte.

Im Buch ist die Rede von Michels Nüchternheitsschwur: „Diese edlen Worte bedeuteten, dass Michel niemals in seinem Leben wieder Alkohol trinken würde.“ Der Übersetzer fügte dem Text etwas hinzu: „Diese edlen Worte bedeuteten, dass Michel niemals in seinem Leben hochprozentigen Alkohol probieren würde.“ Mit einem Wort machte er Michels ganze Geschichte lächerlich.

Und als Mutti und Michel aus dem Guttemplerhaus zurückkamen, sang Lina vor sich hin: „Seine Mutter nahm ihn mit ins Guttemplerhaus, und dort gab es einen Trunkenbold … .“ Das ist ein bisschen gemein, aber wahr. Der Übersetzer hat den Text jedoch in sein Gegenteil verkehrt: „Seine Mutter brachte ihn in das Haus des Guttemplers, und dort wurden die Leute zu Säufern.“

Als Michels Vater versuchte, sich von dem Frosch in seinem Stiefel zu befreien, trat er in verschiedene Richtungen. Die Kaffeekanne wurde so heftig getreten, dass sie umkippte, und wenn Michel nicht so schnell zur Stelle gewesen wäre, um sie aufzuheben, hätten sie eine Kaffeepause ohne Kaffee gehabt. Der Übersetzer befreite sich davon und erklärte, dass Michel es nicht geschafft hatte, die Kanne aufzuheben. So bekamen sie diesmal keinen Kaffee zu trinken.

Im Buch steht auch, dass Michel sich in der „Snickerboa“ (dem Tischlerschuppen) einschloss, nachdem er von der Auktion nach Hause kam. Sobald Bastefallarn weg war, eilte Michels Vater zum Schreinerschuppen, um ihn herauszulassen. Laut dem Übersetzer eilte Michel, sobald Bastefallarn weg war, zurück in den Schuppen.

Als der Dieb Rabe von der Polizei in Hultsfred abgeführt wurde, schrieb Astrid: „In Småland wurde nicht mehr gestohlen. Ja, so kann es gehen!“ Aber der Übersetzer bestimmte: „Es gab keinen Diebstahl mehr in Småland. Aber nein. Das kann man nicht sagen, es gibt ihn wohl immer noch.“

Kurz: Er widersprach Astrid Lindgren ganz offen.

Feng Gao kritisiert spätere chinesische Übersetzungen von Astrid Lindgrens Büchern wegen inhaltlicher Fehler und sprachlicher Unzulänglichkeiten. Foto: Privat

In Peking schaltete sich schließlich die Schwedische Botschaft ein. Ich sprach mit dem schwedischen Botschafter und dem Kulturattaché, die beide Chinesisch verstanden. Sie meldeten das Problem sofort nach Hause. Schon im Sommer 2011 fanden in Stockholm mehrere Treffen mit einer Gruppe von Sinologen statt. Sie wurden gebeten, die Übersetzungen von Li zu überprüfen.

Die Redakteure verstanden das Problem sofort. Aber sie machten sich Sorgen um den Ruf des Verlags und die möglichen Kosten für den Nachdruck.

Ein bekannter Sinologe war für die Sitzungen verantwortlich. Doch niemand wusste, dass er gleichzeitig eine Beziehung zu Li hatte. Er schrieb in aller Stille an den chinesischen Verleger, dass die Übersetzungen von Li keine sachlichen Fehler enthielten, sondern nur einige Fehler in der Grammatik und der Zeitform. Dies geht aus Quellen des Verlags hervor.

Auch wenn das Chinesisch des Sinologen nicht ganz zuverlässig war, konnte er doch sicher zwischen Erde und Saturn, zwischen Schweinefüßen und Schweinearmen, zwischen Stehen und Sitzen unterscheiden – Wörter, die der Übersetzer falsch geschrieben hatte.

Unter der Schirmherrschaft des Sinologen druckte der Verlag die Übersetzungen von Li weiterhin in großem Umfang. Einige Übersetzungen wurden sogar in 20 Auflagen veröffentlicht.

Fehler in „Die Brüder Löwenherz“ und „Ronja Räubertochter“

Blättern wir durch die anderen Übersetzungen von Li. Dort war es nicht besser. Hier sind ein paar Beispiele aus dem umfangreichen Material:

In „Die Brüder Löwenherz“ ist Sofia die Anführerin des Volkes im Kampf gegen den Tyrannen im Nachbarland. Als Jonathan Sofia seinen kleinen Bruder vorstellt, da nickt sie ihm ganz automatisch zu. Aber der Übersetzer hat das Nicken durch einen Knicks ersetzt, sodass Sofia vor einem zehnjährigen Jungen einen Knicks machen musste.

In einem brutalen Kampf um das Kommando in dem Buch „Ronja Räubertochter“ besiegt Räuberhauptmann Mattis Borka. Deshalb sagt er zu Borka: „Mein Wort ist von nun an dein Wort, das weißt du!“. In der Übersetzung sagt Mattis jedoch: „Mein Wort ist von nun an genauso gültig wie deines!“.

Um gegen Ritter Kato zu kämpfen, brauchte Mio ein Schwert, das durch hartes Gestein schneiden konnte, weil Kato ein Herz aus Stein hatte. Der Übersetzer schrieb, dass Mio ein Schwert brauchte, das durch Eisen hindurchgehen konnte wie durch Ton. Ein solches Schwert mag scharf sein – aber es wäre nicht gut genug, um Kato zu töten.

Ich hatte nicht die Zeit, alle seine Übersetzungen durchzulesen. Aber ich wage zu behaupten, dass es überall peinliche Ungenauigkeiten und Verzerrungen in Lis Übersetzungen gibt.

Verlag beginnt erst 2015 mit Korrektur

Ich habe viele Briefe an Astrid Lindgren AB geschrieben und über Lis Übersetzungsprobleme informiert. Lindgrens Vertreter konsultierte daraufhin einen Chinesischlehrer an der Universität Stockholm. Der Lehrer kam zu dem Schluss, dass die Fehler in den Übersetzungen so gravierend seien, dass sie korrigiert werden müssten. Lindgrens Vertreter bestand daher auf einer Korrektur auf Grundlage der Einschätzung des Beraters. Erst 2015 begann der Verlag mit der Korrektur.

Das Problem ist, dass der Lehrer keine Zeit hatte, die Texte sorgfältig zu lesen, sodass viele Fehler, darunter auch viele schwerwiegende, übrig blieben. Der chinesische Verlag korrigierte die Übersetzungen auf Ersuchen von Lindgrens Vertretung, allerdings im Stillen und in Verbindung mit einer Neuauflage, sodass die Leser die früheren Fehler nicht bemerkten.

Weder der Rechteinhaber noch der Verlag informierten mich über diese Entwicklung. Ich setzte den Kampf zur Verteidigung von Astrid Lindgren fort und schickte meine Kommentare an die schwedische Presse, um Unterstützung zu erhalten. Abgesehen von einer kleinen Zeitung erhielt ich jedoch keine Antwort.

In China lief es besser. Die bekannte Website „Translation Circle“ veröffentlichte meine Mitteilung. Und Professor Shi Qine, Träger des HC-Andersen-Preises, nahm meinen Kommentar in sein Buch „Von Homers Epos bis zum norwegischen Wald“ auf, das 2016 im Xiyuan-Verlag erschien. Der Übersetzer Li hat nie auf meinen Kommentar und meine Kritik geantwortet.

Nach chinesischer Korrektur immer noch viele Fehler

Bis jetzt sind immer noch viele Fehler in all seinen Übersetzungen vorhanden, auch in der 2018 überarbeiteten Ausgabe des Michel-Buches. Mit diesen und anderen Ungenauigkeiten bleibt das Michel-Buch eine befremdliche Geschichte für die chinesischen Kinder.

Zum Beispiel wurde Michel auch in der überarbeiteten Übersetzung Vorsitzender eines Nachbarschaftskomitees, als er erwachsen war. Der Übersetzer widerspricht weiterhin Astrids Aussage, dass nach der Verhaftung des Raben alle Diebstähle in Småland ein Ende hatten.

Im Buch betete Michel: „Lieber Gott, mach, dass ich mit meinem Unfug aufhöre!“ Aber in der Übersetzung versprach Michel, dass er selbst mit seinem Unfug aufhören würde.

Der Übersetzer bestand darauf, dass Kommandoran im Armenhaus eine gewöhnliche Aufseherin war – und so weiter.

Mein Kampf für Lindgrens Autorschaft wurde von vielen Lesern unterstützt. Eine Frau erzählte mir, dass sie mein Michel-Buch als kleines Mädchen viele Male gelesen hatte. Später wollte sie das Buch ihren Kindern vorlesen. Sie erkannte Michel nicht mehr. Als sie meinen Kommentar auf der Website des Übersetzerkreises las, stellte sie fest, dass es zwei Michel-Bücher gab, die ein völlig unterschiedliches Bild von ihm wiedergaben. Viele Leser drängen mich, für die Rückgabe meiner Übersetzungsrechte zu kämpfen. Nur meine Übersetzung könne den Kindern einen ehrlichen, herzlichen und echten Michel vermitteln, sagen sie.

Ich habe die Astrid Lindgren AB mehrmals angeschrieben und um die Erlaubnis gebeten, die Michel-Bücher neu zu veröffentlichen. Leider haben sie noch nicht geantwortet.

Feng Gao ist ein früherer chinesischer Diplomat und Übersetzer von Astrid Lindgren. 

Dieser Artikel erschien im Original auf www.epochtimes.se unter dem Titel: „Översättare: Astrid Lindgren behandlas illa i Kina“ (redaktionelle Bearbeitung il)

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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