Ein Haus tanzt aus der Reihe

Energiesparen schön gewohnt
Titelbild
Niedrigenergiehaus in Kleinmachnow bei BerlinFoto: kuessner-architekten
Von 5. Juni 2005

Die Neue Epoche wird in der Reihe HANDELN STATT REDEN sowohl wirtschaftliche als auch soziale Projekte vorstellen, die aus Eigeninitiative ohne staatliche Lenkung oder Unterstützung ihre Ideen umsetzen.

Wir beginnen mit dem 2-Familienhaus im Niedrigenergiestandard eines Architekten, das er mit seiner Familie selbst bewohnt.

Oh, was hat sich dieser Architekt nur gedacht, schießt es mir manchmal durch den Kopf, wenn ich durch meine eigene Wohnung gehe und wieder die Leiter holen muss, um ein besonderes Fenster mit besonderen Verrenkungen zu putzen. Was wäre, wenn der Architekt in dieser Wohnung leben müsste?

Der Architekt Christian Michael Küssner gehört zu denen, die die Chance und auch den Mut haben mit ihrer Familie im selbst entworfenen Haus zu wohnen. Das traut sich nicht jeder Architekt. Für Küssner hat Bauen immer etwas mit der Natur zu tun, das gilt für die vorwiegend verwendeten Baustoffe und die Eingliederung in die Umgebung. Es hat der sinnlichen Erleben des Menschen Spielraum zu geben und auch die unübersehbaren Probleme schwindenden Energiereserven und der teuren Energiekosten sollten durch eine neue Bauweise gemildert werden. Wie so oft ist Geld, das man nicht in den Schornstein heizen will, ein gutes Erziehungsmittel zur Sparsamkeit. Und er wollte sich und anderen beweisen, dass sparsames Bauen und Wohnen mit Naturmaterialien nichts mit Mangelhaftigkeit oder Hässlichkeit zu tun hat.

Südländische Lichtflut und Durchblicke

Das Haus der Küssners in Kleinmachnow bei Berlin kann einen vom ersten Moment an vom Gegenteil überzeugen. Zwar ist die Eingangsseite nach Norden und zur Straße gelegen und deshalb eher sparsam mit Fenstern ausgestattet und fast abweisend, aber dafür ist die grün gestrichene Stülpverschalung in der eher konventionell bebauten Umgebung apart und überraschend. Das eigentliche Ereignis dieses Haus zu erfassen beginnt, nachdem man aus dem Eingangsbereich entweder in den Wohnraum mit anschließendem Wintergarten geht, oder in die noch größere Küche mit dem Familientisch in der Mitte, deren verglaste Gartentüren sich alle nach Süden in den Garten öffnen. Südländische Lichtflut und Durchblicke in die benachbarten Räume lassen vergessen, dass hier in irgendeiner Weise (Energie-)sparsam gewohnt wird.

Die terracottaroten Keramikfliesen der Küche sind mit Fußbodenheizung versehen, im Sommer jedoch sind sie angenehm kühl. Das geölte Eschenparkett des Wohnbereichs wärmt auch optisch die Atmosphäre ebenso wie die gewaltigen Holzbalken und Verschalungen der Decke. Der alte eiserne Kaminofen im Wohnzimmer heizt in der Übergangszeit das ganze Haus. Die Lehmwände speichern Wärme und absorbieren Gerüche. Sie absorbieren Schall, Handystrahlung und Schadstoffe. Gekocht und geheizt wird mit Gas. Der Wintergarten mit Dachverglasung fängt ebenfalls Wärme ein und gibt sie weiter. In dem Winkelbereich zwischen Küche und Wohnzimmer durfte die alte Eiche stehen bleiben und das Haus im Sommer beschatten. Ja, das Bauamt erteilte sogar eine Sondergenehmigung, dass dieses Haus aus der Baufluchtlinie heraustanzen durfte, um den Eichenbestand des Grundstücks zu erhalten. So musste es etwas versetzt um die Ecke gebaut werden, aber das gibt ihm zusätzliche Leichtigkeit.

Die zerkleinerte FAZ und WELT als Dämmstoff

Im ersten Stock wohnen die drei Kinder, die eigentlich keine Kinder mehr sind mit 14, 16 und 18 Jahren. Und unter dem ungewöhnlichen Tonnendach, das dem Haus von außen einen unverwechselbaren Charakter verleiht, ist noch genügend Platz für ein geräumiges Schlafzimmer des Ehepaares und das Büro des Hausherrn mit sechs Arbeitsplätzen. Stolz weist er darauf hin, dass dieser Arbeitsplatz unter dem Dach ohne Klimaanlage auskommt, weil die Fachwerkkonstruktion zwischen der holzverschalten Innen- und Außenwand mit eingepresster Zellulosedämmung gefüllt ist. Scherzhaft sagt er: „Da ist die zerkleinerte FAZ und WELT hinein geblasen worden.“ Recycling vom Feinsten. Alle Fensterrahmen sind aus Holz, die Balkontüren nach Norden in Kastenbauweise gesetzt zur besseren Wärme- und Schallisolierung. Auf dem Dach, fast unsichtbar von unten, sorgen zwei Sonnenkollektoren für ausreichend warmes Wasser für die fünfköpfige Familie. Der Energiebedarf für Warmwasser und Heizung beträgt etwa ein Viertel der herkömmlichen Kosten.

Ästhetisches strahlt Menschliches aus

„Und vergessen sie nicht“, sagt der Architekt, „ab Kelleroberkante hatten wir mit der zweischaligen Holzbauweise eine Bauzeit von dreieinhalb Monaten, dann konnten wir einziehen. Das spart viel Geld für die Zwischenfinanzierung. Außerdem ist solch ein Haus sofort trocken, es gibt keine zwei Jahre zum Trockenwohnen wie in anderen Häusern.“

Als dritter versetzter Teil des Wohnhauses schließt sich ein kleinerer Hausteil für den Schwiegervater an mit separatem Eingang und einem Sitzplatz im Garten, der von der Familie nicht einzusehen ist. So lebt man zusammen und bleibt doch ganz unabhängig. Dazu heißt es auf seiner Webseite: Wir stehen aber auch für einen erweiterten Funktionalismus, der über den rein technischen hinausgeht. Wir wollen über die drei Gestaltungsaspekte des Bauens: die Farbe, die Fläche und die Geste des Raumes eine ästhetische Rückwirkung erzeugen, die Menschliches ausstrahlt.

Die erlebbare Qualität des Wohnens und die liebevolle Planung, an der auch die Ehefrau, die ebenfalls Architektin ist, beteiligt war, gibt diesem sparsamen Haus Wärme und Großzügigkeit. Zur Demonstration der Wohnqualität muss die Familie die Besichtigung durch Interessenten ertragen, sie tun es gerne. Man könnte dieses Haus auch ganz leer räumen und sich immer noch darin wohl fühlen. Dazu zitiert Küssner den Pädagogen Hugo Kükelhaus: „Wenn das Haus nicht dem Menschen, seinem Leib, seiner Seele, seinem Geist dient, wozu es dann bauen?“

Zur Person:

Christian Michael Küssner

1945 geboren in Flensburg Tischlerlehre, Architekturstudium in Kiel und Berlin

1975 – 1977 Designer für Leuchtensysteme in Fa. SE`LUX Berlin

1977 – 1983 Leitender Architekt für internationale Großprojekte im

Büro Prof. Rolf Gutbrod, Berlin und Stuttgart

in Zusammenarbeit mit

Prof. Dr. Ing. Frei Otto, Stuttgart und

Ingenieurbüro Ove Arup & Partners, London

Seit 1984 Selbständig tätig als freischaffender Architekt

Demnächst stellen wir das seit zehn Jahren bestehende Selbsthilfeprojekt von und für Obdachlose aus Berlin vor: motz und Consorten randständig abwegig unbedacht e.V.



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