Mehr als nur ein Brautkleid

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Foto: ODD ANDERSEN/AFP/GETTY IMAGES
Von 1. Mai 2011

„Etwas Altes, etwas Neues, etwas Geliehenes und etwas Blaues“ soll die Braut als Glückbringer tragen, so sagt ein englischer Brauch aus viktorianischer Zeit.

Kates Traum-Hochzeitskleid fand nicht nur deshalb so große Beachtung, weil es das am besten gehütete Geheimnis war (angeblich hatte sie noch zwei Ausweichmodelle auf Lager). Nein, interessanterweise gelang ihr damit der Spagat zwischen Konservativem und Neuzeitlichem auf eleganteste Weise.

Klassisch ist der Schnitt, eine enge Korsage und ein weiter Rock, der sich wie eine Blüte öffnet. Diese Silhouette knüpft direkt an den Stil an, den die Queen Elizabeth bei ihrer Hochzeit im Jahr 1947 getragen hat.

Wertvoll sind die aufgestickten Spitzen: Französische Chantilly-Spitze mit Blumenmustern auf feinem Tüll bedecken Arme und Schultern. Rosen, Narzissen, Kleeblätter und Disteln symbolisieren die  vier Teile Großbritanniens, England, Wales, Irland und Schottland. Alle Spitzen sind an der Royal School of Needlework im Hampton Court Palace unter Aufsicht von Designerin Sarah Burton handgeklöppelt worden, die die Arbeit an Kates Brautkleid „die Erfahrung ihres Lebens“ nannte.

Nur in dem Moment, als Kate aus der Kutsche stieg, blitzten die üppigen Spitzenrüschen aus Cluny-Spitze an den Unterröcken des Kleides auf und ließen erahnen, welch kostbare Werte hier noch verborgen waren.

Filigran wie die textilen Kunstwerke waren auch die Blüten des bezaubernd kleinen Brautstraußes: Fröhliche Maiglöckchen und Hyazinthen trafen auf Efeu, der als immergrüne Pflanze von besonders langer Lebensdauer seit der Antike für „ewige Liebe“ steht. Ein Myrtenzweig von einem Strauch, den Queen Victoria 1845 auf der Isle of Wight gepflanzt hatte, durfte traditionsgemäß auch nicht fehlen.

Persönliches Detail: Auch Bartnelken, die Edelmut bedeuten, waren in dem Blumenstrauß enthalten. Auf Englisch heißen sie schon seit dem 16. Jahrhundert „Sweet William“, wobei nicht mehr geklärt werden kann, welcher Held damals der Blume den Namen gab. So romantisch, so schlicht.

Das oben erwähnte „Geliehene“ fand sich in dem Diadem, das sie trug. Von Cartier im Auftrag von Queen Mom gefertigt, hatte es die Queen einst zum 18. Geburtstag bekommen. „Das Blaue“, ein farbliches Symbol für Treue, wurde bei Kate, wie bei anderen weißen Bräuten, höchstwahrscheinlich darunter getragen.

Traditioneller geht’s kaum

Wer dem Stil und den verborgenen Bedeutungen von Kates Hochzeitskleid nachspürt, kommt zu dem Schluss: Traditioneller geht’s kaum. Und doch wurde ihr Auftritt als erfrischendes Signal begrüßt und als Ende der Spießigkeit in Sachen britisch-royale Mode gefeiert.

Obwohl jedes Detail stimmte, war es kein Auftritt, der sich auf Äußerlichkeiten stützte, sondern eine Renaissance innerer Werte. Denn schön ist nicht nur, was schön aussieht, sondern was Bedeutung trägt.

Auch wenn die Welt, die das Ereignis am Fernsehbildschirm mitverfolgte, gespannt auf offen gezeigte Zärtlichkeit des Brautpaares wartete – diese Erwartung wurde nicht erfüllt.

William und Kate ließen sich vor der Öffentlichkeit nicht zum Händchenhalten hinreißen und auch beim Kuss auf dem Balkon kam es zu keinen weiteren körperlichen Berührungen.

War das steif?  Oder eben ein respektvoller Umgang, bewusst gelernt aus den Wunden der Vergangenheit. Dieses Paar hat entschieden, sein Privatleben für sich zu behalten und zeigte das mit einer Selbstverständlichkeit, die ihm Sympathie einträgt.

Dass sie sich wirklich lieben, steht gerade deshalb außer Frage.

Für die jungen Frauen ihrer Generation ist Kate eine Heldin, weil sie als Bürgerliche in die königliche Familie aufgenommen wurde. Dass sie mit ihrem Brautkleid aus dem Hause Alexander Mc Queen (hinter dem eine exzentrisch-tragische Geschichte steht) britische Mode ins internationale Rampenlicht rückte, brachte ihr weitere Punkte auf der Nationalstolz-Skala.

Der Brückenschlag zwischen den Welten der überalterten Royals, den „Normalbürgern“, der modischen Avantgarde und dem Web 02 gelang. Wer auf all diesen Pflastern bestehen kann, hat wirklich das Zeug zur Stilikone. Herzlichen Glückwunsch, Kate!

Foto: ODD ANDERSEN/AFP/GETTY IMAGES


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