Zwischen Fasnacht und Ostern: Fastenzeit

Erkenntnisprozesse in der Fastenzeit
Titelbild
Die Kerzenspirale begleitete und unterstützte die Zeit des Fastens. (Inka Ehrbar)
Von 10. März 2008

In der Zeitung habe ich gelesen, dass sich in unserem Nachbarort eine Gruppe von Menschen zusammenfindet, um gemeinsam zu fasten. Mein erster Gedanke: „Da würde ich gerne mitmachen!“ Aber ist das Fasten nicht überholt? Oder bedeutet es, wie seine Anhänger behaupten, Konzentration auf das Wesentliche, in sich hineinhören, nachdenken und Verzicht üben? Ich komme zum Schluss, dass man nur über die eigene Erfahrung die Antwort finden kann, und so wähle ich die angegebene Telefonnummer. Die Gruppenleiterin gibt mir bereitwillig Auskunft. Nun heißt es, den Körper vorzubereiten, soll er sich doch vom Aufnehmen auf Ausscheiden umstellen. Entlasten von zu viel Essen, von Wein, Kaffee und Süßigkeiten, aber auch von zu viel Fernsehen und sonstigen Konsumgütern.

Von nun an treffen wir uns jeden Abend

Wir sind eine Gruppe von 15 Frauen und Männern verschiedenen Alters. Alle sind fröhlich und haben den festen Willen, die nächsten sieben Tage keine feste Nahrung zu sich zu nehmen. Wir wollen von Molke, Säften, Tee und Wasser leben und unserem Körper Gelegenheit geben zu entschlacken. Von nun an treffen wir uns jeden Abend, sitzen um eine Spirale mit Kerzen und hören den Berichten zu, wie es jedem von uns ergeht. Wir trinken Tee und betrachten ein wunderschön gemaltes, aus sieben Einzelbildern bestehendes Hungertuch. Es stammt aus Indien. Jeden Tag konzentrieren wir uns besonders auf ein Bild. Es werden biblische Geschichten aus dem Alten und dem Neuen Testament erzählt. Uralte spannende Frauenschicksale sind dargestellt, deren Inhalte jedoch immer noch aktuell sind. Sie erzählen vom Auswandern, von Flüchtlingen, vom Krieg, Hunger, aber auch von dem grenzenlosen Glück, wenn ein Mensch geboren wird, von Solidarität zwischen Frauen aus ganz verschiedenen Ländern trotz unterschiedlicher Religion, Hautfarbe und Sprache.

Mein Körper, Geist und meine Seele sind gefüllt mit Energie

Im Mittelalter gab es einen Brauch, während der Passionszeit vor Ostern den Altarraum mit einem Hungertuch zu verhüllen. Die alte religiöse Symbolik des Verhüllens wies auf besondere Art auf Wert und Bedeutung dessen hin, was an Karfreitag und Ostern gefeiert wird. Die Hungertücher aus dem Mittelalter waren gleichzeitig mit biblischen Szenen bemalt und vermittelten der nicht lesenden Bevölkerung so das Glaubensgut. Der sprachliche Ausdruck „am Hungertuch nagen“ scheint ebenfalls mit diesem mittelalterlichen Brauch in Verbindung zu stehen. 1976/77 wurde dieser alte Brauch in Deutschland und der Schweiz (durch das Fastenopfer) wieder aufgenommen. Dafür wurden Darstellungen von Künstlern aus der Dritten Welt ausgewählt. Diese Tücher hängen jeweils in der Fastenzeit in den Kirchen der Schweiz, verdecken zwar nicht mehr wie im Mittelalter den ganzen Altar. Sie sollen an die Massenarmut in der Dritten Welt erinnern. Textquelle: Fastenbüchlein „Fasten-Festen“  erschienen für das Fastenopfer 1995 in Luzern. (Inka Ehrbar)
Im Mittelalter gab es einen Brauch, während der Passionszeit vor Ostern den Altarraum mit einem Hungertuch zu verhüllen. Die alte religiöse Symbolik des Verhüllens wies auf besondere Art auf Wert und Bedeutung dessen hin, was an Karfreitag und Ostern gefeiert wird. Die Hungertücher aus dem Mittelalter waren gleichzeitig mit biblischen Szenen bemalt und vermittelten der nicht lesenden Bevölkerung so das Glaubensgut. Der sprachliche Ausdruck „am Hungertuch nagen“ scheint ebenfalls mit diesem mittelalterlichen Brauch in Verbindung zu stehen. 1976/77 wurde dieser alte Brauch in Deutschland und der Schweiz (durch das Fastenopfer) wieder aufgenommen. Dafür wurden Darstellungen von Künstlern aus der Dritten Welt ausgewählt. Diese Tücher hängen jeweils in der Fastenzeit in den Kirchen der Schweiz, verdecken zwar nicht mehr wie im Mittelalter den ganzen Altar. Sie sollen an die Massenarmut in der Dritten Welt erinnern. Textquelle: Fastenbüchlein „Fasten-Festen“ erschienen für das Fastenopfer 1995 in Luzern. (Inka Ehrbar)

Waren die ersten Tage noch gefangen in Gewohnheiten, begleitet von gelegentlichen Kopfschmerzen und Müdigkeit, verändert sich mein Bewusstsein mit jedem neuen Tag. Ich wache auf und fühle mich heiter, frisch und frei. Ich lebe aus mir selbst – eine unglaubliche Erfahrung! Alles an und in mir, mein Körper, Geist und meine Seele werden erfasst und gefüllt von einer gewaltigen Energie. Auf Wegen, wo ich fast täglich mit meinem Hund spazieren gehe, entdecke ich Sträucher, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Aber nicht nur die Augen, auch die Ohren, die Nase, einfach alle Sinne werden geschärft. Es ist kaum zu glauben, was es alles in der unmittelbaren Umgebung und an sich selbst zu entdecken gibt.

Die Tage vergehen nicht einfach so, ich erlebe sie bewusst

Nach diesen lebendigen Abenden gehe ich satt, mit viel Kraft und der Gewissheit nach Hause, auch den nächsten Tag ohne Nahrung gut zu überstehen.

Die Tage vergehen nicht einfach so, ich erlebe sie. Ich unternehme ausgiebige Spaziergänge, lese und verrichte meine alltägliche Arbeit.

Das Fastenbrechen

Bald ist wieder Sonntag. Feierlich setzen wir uns ein letztes Mal in den Stuhlkreis; in der Mitte leuchtet unsere Kerzenspirale. Nachdem wir das letzte Bild unseres Hungertuches betrachtet haben, teilen wir allen mit, wie wir die vom zunehmenden Mond begleitete letzte Woche erlebt haben.

Jetzt wollen wir gemeinsam unser Fasten brechen. Wir wechseln unsere Plätze und setzen uns an einen wunderschön mit Blumen geschmückten Tisch. In der Mitte steht ein Korb, gefüllt mit rotbackigen Äpfeln, und unsere Kerzenspirale. Jeder von uns darf sich eine Frucht aussuchen.

Ich habe gelernt, dass ich gar nicht so viel brauche

Fast ehrfurchtsvoll ergreife ich meinen Apfel und lege ihn auf den Teller. Jetzt: hinein beißen! Halt, nicht so wie immer: hinunter – fertig, vergessen! Leo begleitet unser Tun mit einer Meditation zum Apfel. Wir erfühlen sie und riechen an der Frucht, an was erinnert sie uns? Es ist still, jeder hängt seinen ganz persönlichen Erinnerungen nach. Dann ist es so weit, das erste Stück Apfel wandert in meinem Mund. Die erste feste Nahrung seit einer Woche. Meine Zähne zermahlen genussvoll das Fruchtfleisch. Wie süß es schmeckt, wie der Saft über meine Zunge läuft. Ein wahrer Hochgenuss!

Für mich war es eine erfahrungsreiche schöne Woche. Ich habe gelernt, dass ich gar nicht so viel brauche, um einen klaren Geist zu haben und um wirklich zufrieden zu sein.

Buchautorin und Reisejournalistin Inka Ehrbar wurde 1955 in Osberghausen in Nordrhein-Westfalen geboren. Sie ist in Zürich verheiratet und hat eine erwachsene Tochter und einen Enkel. Im Jahr 2000 ist ihr erstes Buch im "Ferber-Verlag" erschienen: "Der Jakobsweg: mein Weg - unser Weg, 700 km zu Fuß." Kurz darauf folgte: "Die Pilotin und Blättli". 2006 ist ihr erstes Kinderbuch: "Esperanzo und der Zaubergarten" im Gronenberg Verlag, Wiel, erschienen. (privat)
Buchautorin und Reisejournalistin Inka Ehrbar wurde 1955 in Osberghausen in Nordrhein-Westfalen geboren. Sie ist in Zürich verheiratet und hat eine erwachsene Tochter und einen Enkel. Im Jahr 2000 ist ihr erstes Buch im "Ferber-Verlag" erschienen: "Der Jakobsweg: mein Weg – unser Weg, 700 km zu Fuß." Kurz darauf folgte: "Die Pilotin und Blättli". 2006 ist ihr erstes Kinderbuch: "Esperanzo und der Zaubergarten" im Gronenberg Verlag, Wiel, erschienen. (privat)

Text erschienen in Epoch Times Deutschland Nr. 10 (5.Mrz.-11.Mrz. 2008)

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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