„Walküre“ wird zur Sternstunde in der Philharmonie Berlin
Sein „Rheingold“ hatte am Donnerstagabend bereits das Publikum entzückt, doch was Marek Janowski und das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin am Samstagabend mit der „Walküre“ gelang, war eine wahre musikalische Sternstunde. Bei diesen über vier Stunden Musik in der Berliner Philharmonie stimmte diesmal alles: Die Besetzung, das Nervenkostüm und die Tagesform aller Sängerinnen und Sänger.
Der zweite Teil von Richard Wagners Bühnenfestspiel „Der Ring des Nibelungen“ hat zwei Handlungsstränge, die ihren Protagonisten das Äußerste abverlangen: Die aufreibende Liebesgeschichte der Zwillingsgeschwister Siegmund und Sieglinde und den nicht minder spannenden Konflikt zwischen Göttervater Wotan und seiner aufmüpfigen Walküren-Tochter Brünnhilde.
Als Siegmund und Sieglinde bezauberten im ersten Akt Robert Dean Smith und Melanie Diener, ein Paar, das sich wunderbar ergänzte. Melanie Diener gab eine introvertierte Sieglinde – eine Frau, die gelernt hat, ihre Gefühle zu unterdrücken. Sie begann spröde deklamierend und leuchtete immer mehr auf. Robert Dean Smith war mit seinem karamellig dunkel gefärbten Tenor ein idealer Siegmund. Er besaß heldischen Ernst und Tiefgang ebenso wie Romantik und Süße. Er leistete sich einen unerhört langen Wälseruf, sang die „Winterstürme“ zartschmelzend und stand in der Todverkündigung der Brünnhilde als unerschütterlicher Beschützer und großer Liebender gegenüber. Am Ende des ersten Aktes, der das Publikum zu Standing Ovations von den Stühlen gerissen hatte, schüttelte Smith der Ersten Cellistin dankend die Hand, (die auf diese Weise ein riesiges Bravo bekam) – weil das Cellosolo, zu dem das Liebespaar sich zum ersten Mal in die Augen schaut, so entscheidend ist für alles, was danach passiert.
Dem 29-jährigen Finnen Timo Riihonen lag der Hunding weit besser als der Fafner: Er verstand es, kalte Gewaltbereitschaft in seinen Bass zu legen, was ihn beeindruckend bedrohlich machte.
Ähnlich war die Wandlung bei Tomasz Konieczny. Er lief als Walküren-Wotan zur Höchstform auf. Seine Lebensbeichte geriet packend, alle Brüche und Widersprüchlichkeiten der Figur wurden nachvollziehbar. Mit einem Bariton, dunkel und voluminös wie eine Posaune, metallisch und von schier unerschöpflicher Kraft, steigerte er sich, je weiter es auf den Schluss zu ging, was Marek Janowski und dem Orchester auch noch im dritten Akt ungeheuer lautstarke Höhepunkte erlaubte. Koniecznys starke Präsenz als Dreh- und Angelpunkt der Handlung war ein wichtiger Faktor, um die Aufführung über die gefürchteten „Längen“ der Dialoge zu tragen. Und auch leise Momente wagte er. Sein Abschied von Brünnhilde krönte seine Darstellung – ein triumphaler künstlerischer Erfolg.
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Iris Vermillion gab als Fricka die Furie, wobei sie ihre Rolle viel geschmeidiger und ausdrucksreicher als im Rheingold ausfüllte, in ihre Tiefe legte sie Bitterkeit und ließ keinen Zweifel, dass ihr Erscheinen eine persönliche Rache an ihrem stets untreuen Göttergatten darstellte.
Petra Lang als Brünnhilde hatte einen großen Auftritt mit der Passage, die vorsichtige Kolleginnen lieber auf Sparflamme kieksen: Ihr „Hojotoho!“ war eine Explosion, die sie mit voller Wucht und unübersehbarem Spaß in den Saal schmetterte. Sie hielt das Versprechen, welches sie damit gegeben hatte: Eine intensive Brünnhilde zwischen kindlicher Traurigkeit und willensstarker Dramatik.
Wagners vielleicht populärste Melodie, der Walkürenritt, eröffnete den dritten Akt und die Walküren, die auf der Bühne meist spektakulär geschminkt und bekleidet sind, wirken im Konzertsaal ein bisschen wie ein Hausfrauen-Chor in Abendkleidern … Hier vereinten sich, stellenweise schrill, aber emotional mitreißend die Stimmen von Anja Fidelia Ulrich (Gerhilde), Fionnuala McCarthy (Ortlinde), Heike Wessels (Waltraute), Kismara Pessatti (Schwertleite), Carola Höhn (Helmwige), Wilke te Brummelstroete (Siegrune), Nicole Piccolomini (Grimgerde) und Renate Spingler (Roßweiße).
Nicht nur das Weltklasse-Ensemble, auch Marek Janowski, der sein Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin wieder mit Verve und straffen Tempi geführt hatte, hatte sein „Rheingold“ noch übertroffen. Die Aufführung gelang als eine lebenspralle Tour de Force zwischen Gewalt und Romantik, ohne eine Sekunde gekünstelt zu wirken. Die für Wagners „Ring“ typische Aura der Düsternis und Weltuntergangsstimmung breitete sich in den Blechbläsern unheilvoll aus, ohne das Geschehen lahmzulegen. Die Naturschilderungen der Frühlingsnacht und des Feuerzaubers atmeten lichtdurchflutet.
Das Publikum antwortete auf diesen musikalischen Sturm mit einem wahren Beifallsorkan. Eine seltene Sternstunde.
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