Oper von Simon Wills: „The Stolen Smells“

Simon Wills schrieb eine Oper über die uralte Geschichte vom Bäcker, der Geld für den bloßen Duft seines Brotes verlangt: „The Stolen Smells“.
Titelbild
Die Oper "The Stolen Smell" von Simon Will.Foto: NDR/Marcus Krueger
Von 20. Februar 2012

Warum sollte ein erwachsener Mensch, der weder dumm noch verrückt ist, auf die absurde Idee kommen, jemand für den Duft von Brot bezahlen zu lassen? Da müssen doch persönliche Motive eine Rolle gespielt haben, dachte sich Simon Wills. Die Geschichte von den gestohlenen Düften, die in der persischen und chinesischen Märchentradition, ja sogar bei Till Eulenspiegel erwähnt wird, beschäftigte ihn schon seit langem.

Ein Stück über moderne Denkfehler

Die Handlung und das Textbuch von „The Stolen Smells“ entwickelte Wills in Eigenregie und ganz intuitiv: Es geht einerseits um die persönliche Katastrophe eines Mannes, der immer Recht haben muss und andererseits noch um einige weitere moderne Denkfehler, die die Personen in eine unnötig verzwickte Lage bringen. Die Verwechslung von Preis und Wert ist ein zentrales Thema der Oper. Dazu kommt noch die heute weit verbreitete Ausnutzung von Liebe als Druckmittel in zwischnenmenschlichen Beziehungen. Und auch wenn die Charaktere etwas überspitzt gezeichnet sind und ihre Dialoge zuweilen skurril anmuten, gibt es in dieser „Opera Buffa“ mehrere Momente, in denen dem Publikum vor Ernsthaftigkeit der Atem stockt. Vielleicht gelingt dies dem Komponisten gerade deshalb, weil er in seinem Leben selbst einige gefährliche Situationen überstehen musste.

Die Initialzündung zum Stück hatte er übrigens, als er auf einer Zugfahrt in Südafrika einem Räuber begegnete. Glücklicherweise gelang es ihm, den Überfall zu vereiteln. Kurz darauf hörte er das Lied einer blinden Bettlerin: „Der alte Satan wird fliehen, wenn der Herr uns den Weg weist.“ Es kam ihm nach diesem Schreckensmoment wie das schönste Lied der Welt vor. Heute leitet die Melodie die Marktszene von „The Stolen Smells“ ein, in der die arbeitende Bevölkerung den anbrechenden Tag begrüßt, zentrale Szene einer musikalischen Erzählung, die durch Kreativität, Poesie und englischen Humor besticht.

Das Drama um die gestohlenen Düfte

Amina liebt Djemaal, einen armen Poeten. Ihr Vater Muchtada, „der beste Bäcker Bagdads“ ist dagegen. Schließlich weiß er als Familientyrann am besten, was für seine Tochter gut ist

Djemaal ist so gutmütig, dass er keinerlei Angriffsfläche bietet. Mit krimineller Energie lauert Muchtada auf die Gelegenheit, ihn schädigen zu können. Schließlich erwischt ihn, als er sich an Duftschwaden frisch gebackenen Brotes berauscht, die aus seiner Backstube strömen. Er verlangt von ihm, für den Duft zu bezahlen –  da er ihm Vergnügen bereitet habe und deshalb für ihn von Wert gewesen sei.

Djemaal erklärt erschrocken, kein Geld zu haben und wird als Dieb abgeführt. Im Gefängnis trifft er einen sehr hilfsbereiten Kerkermeister, weigert sichjedoch  zu fliehen. Als Muchtada erfährt, dass seinem Opfer im Falle einer Verurteilung die Hand abgehackt wird, bekommt er es mit der Angst zu tun. Noch viel größer aber ist seine Angst, als Verlierer dazustehen und er hält er an der Anklage fest.

Danach lernt der Zuschauer den weisen König Salomon kennen, der das Urteil sprechen soll. Doch auch dieser hat Sorgen: Er fühlt sich mit dem Regieren überfordert und beklagt den moralischen Verfall seines Volkes, dass jede Menschlichkeit verloren zu haben scheint und nur noch nach Geld giert. Sein berühmtes salomonisches Urteil, „Teilt das Kind in zwei Hälften“ spukt ihm ständig im Kopf herum: Es sei eine zufällige Bemerkung gewesen, um zwei keifende Weiber irgendwie zum Schweigen zu bringen, erzählt er.

Im dramatischen Finale vor Gericht wird Klarheit geschafft. Zuerst sieht es so aus, als ob Djemaal als Dieb verurteilt wird und Muchtada recht bekommt. Doch im Volk siegt überraschend Anteilnahme über Sensationsgier: Alle spenden Geld, damit die Forderung des Bäckers erfüllt wird und Djemaal nicht die Hand abgehackt wird. Muchtadas still duldende Ehefrau spendet sogar die entscheidende letzte Münze und stellt öffentlich die Frage, ob sie einen Herzlosen geheiratet habe. Da erklärt Salomon „den Klang der Münzen“ zum adäquaten Preis für den Duft des Brotes und gibt den Bürgern ihr Geld zurück.

Muchtada erhält eine Verwarnung und kann die Hochzeit seiner Tocher nicht mehr verhindern. Im Schlusschor wird das Publikum aufgefordert, das Leben zu genießen, ohne es einander zur Hölle zu machen.

„Die gestohlenen Düfte hat einen sehr ernsten Subtext, aber ein Publikum hört sich eher an, was man zu sagen hat, wenn man es mit einer Geschichte verzaubert, ihm kühne Musik vorsetzt und wenn möglich auch zum Lachen bringt.“„Die gestohlenen Düfte hat einen sehr ernsten Subtext, aber ein Publikum hört sich eher an, was man zu sagen hat, wenn man es mit einer Geschichte verzaubert, ihm kühne Musik vorsetzt und wenn möglich auch zum Lachen bringt.“Foto: Christopher Stock

Moderne Musik, überraschend melodiös

Die Musik von „The Stolen Smells“ ist packend und atmosphärisch und auf eine merkwürdige Art unauffällig, da sie sich nie in den Vordergrund spielt. Sie erzählt die Geschichte mit einem kleinen Orchester, das sehr warm klingt, da  Bratschen die Geigen ersetzen. Es gibt viel Schlagwerk, einige sehr klassische musikalische Formen und an exponierter Stelle eine Trillerpfeife.

„Ich schreibe etwas und erst wenn es fertig ist, merke ich, was ich da eigentlich gemacht habe“, sagt Simon Wills, der findet, dass die Personen seiner Geschichte ihm sagen, was sie gern singen wollen.

So entzückt sich das Pärchen in einem keusch aufgefassten Liebesduett an der Textzeile, „Ihr Lächeln ist wie Perlen, Gänseblümchen und Hagel“, geschildert in einer Soprankantilene, die einen zu den Taschentüchern greifen lässt. Der Kerkermeister deutet mit rabenschwarzem Bass an, welch unschöne Dinge sich „da unten im Dunkeln/down in the dark “ ereignen. Und mit einem ätherisch- schwebenden Akkord hält der hungrige Held den Atem an, wenn er den Duft des Brotes riecht.

Uraufführung in der Schweiz und Hamburg

Genau zwei Jahre vergingen von der Idee bis zur Uraufführung von „The Stolen Smells“. In einer Koproduktion wurde das Stück vom Theater Luzern für zwei Aufführungen mit dem NDR-Sinfonieorchester vorbereitet, die von dessen neuen Chefdirigenten Thomas Hengelbrock dirigiert wurden und am Hamburger Kampnagel stattfanden. Die Regie führte der Luzerner Intendant Dominique Mentha –  geradlinig, schlicht und ganz auf die Personen konzentriert. „Anders kann man dieses Stück auch nicht erzählen …“ meinte der Regisseur dazu. Das Luzerner Ensemble, bestehend aus vielen jungen Charakterköpfen, erweckte die Figuren auf temperamentvolle Art und Weise zum Leben.

Seine nächste Oper hat Simon Wills schon in Planung. Sie soll noch schwarzhumoriger werden, sagt er. Das Konzept ist jedoch noch so geheim, dass nicht mal Thomas Hengelbrock davon weiß. Und der wird meist als Erster eingeweiht. Per Postkarte, aus irgendeinem Winkel der Welt …


„The Stolen Smells“ wurde vom NDR aufgezeichnet. Am Theater Luzern wird „The Stolen Smells“ bis zum 18.03. 2012 noch fünfmal aufgeführt (siehe www.luzernertheater.ch).

 



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