Nils Mönkemeyer: Mit der Bratsche in die Charts

Deutschlands "Neues Bratschenwunder" macht Schluss mit Bratschenwitzen
Titelbild
(Felix Bröde)
Von 13. Oktober 2009

Kein Witz, sondern Tatsache: Mit seiner treffsicheren Mischung aus begnadeter Musikalität, jugendlichem Elan und kommerziellem Spürsinn hat es Nils Mönkemeyer geschafft, das wohl am meist unterschätzte Instrument ins Rampenlicht zu hieven. „Bratsche – was ist das?“, mag mancher Normalverbraucher fragen, dank Nils Mönkemeyer wurde sie selbst in einem Frauenmagazin gefeiert. Zwei erfolgreiche CDs hat der Bremer seit einem halben Jahr veröffentlicht, für sein Debutalbum „Ohne Worte“ bekam er den ECHO Klassik 2009 als bester Newcomer, und die ganze Klassikszene spricht vom „neuen Bratschenwunder“.

Eine Woche vor der ECHO-Verleihung erzählte uns der gefeierte Musiker Geschichten über sich und sein Instrument.

Liebe auf den ersten Ton

Der 31-jährige Mönkemeyer spielte bereits mit acht Jahren Geige. Mit fünfzehn kam dann die schicksalhafte Begegnung mit seinem Instrument: „Da war ich im Bundesjugendorchester. Am Abend traf man sich dann und spielte Kammermusik vom Blatt. Da gab es so ein Spiel, dass man immer einen Schluck aus der Weinflasche nehmen muss, wenn man beim vom Blatt spielen einen Fehler macht. Die Bratschistin war dann zuerst betrunken – hat also alle Vorurteile bestätigt – und da hab ich einfach mal die Bratsche genommen … Da hab ich plötzlich gemerkt, dass ich zum ersten Mal einen schönen Klang hatte. Ich war zwar auf der Geige ganz gut gewesen, hatte aber nie einen wirklich schönen Ton. Das war bei der Bratsche sofort anders.  Da hatte ich sofort das Gefühl, das ist mein Klang und so möcht ich gerne, dass es klingt.“

In diesem Moment war er dem Instrument hoffnungslos verfallen und hat keine Sekunde mehr überlegt, ob er noch weiter Geige spielen will. „Ich finde, dass die Bratsche ganz zu Unrecht belächelt wird, sondern dass sie im Gegenteil ein ganz bezauberndes Instrument ist“, sagt der Künstler, auf dessen Homepage man natürlich mit einem Bratschenwitz begrüßt wird.

Der menschlichen Stimme so ähnlich

„Der Bratschenklang an sich ist runder als der von der Geige, also nicht so durchdringend, eher runder und weicher und man kann ganz besonders schön damit singen. Das Register liegt zwischen Mann und Frau, also man kann eine Altstimme sein oder auch eine Tenorstimme, dadurch hat es so etwas Androgynes an sich, was kein anderes Streichinstrument sonst hat. Beim Cello klingt es halt immer so tenoral und bei der Geige immer so ein bisschen nach Prima Ballerina. Das Androgyne in der Mitte, das find ich ganz speziell. Der Grundton ist eher ein bisschen dunkler, sinnlich in der Mitte schwebend.“

Das Mittelfeld, das Problem der Bratsche, ist also gerade ihr Vorteil, meint Mönkemeyer, und etwas, das er ganz bewusst eingesetzt habe bei seiner ersten CD-Aufnahme mit Kunstliedbearbeitungen:

„Die Bratsche kann diese ganzen Nuancen ausdrücken und im Endeffekt sind wir Menschen ja nicht Schwarz-Weiß. Wir bewegen uns immer zwischen beiden Polen, zwischen hell und dunkel und genau das menschliche Stimmspektrum ist auch im Bratschenklang enthalten.“

Wenn man sich der Solobratsche widmet, muss man Pionier und Entdecker sein. Deshalb hatte  Mönkemeyer sich für seine CDs einen Mix aus unbekannten Stücken und Bearbeitungen von Bekanntem entschieden. Ein Konzept, das aufging. „Meine CDs verkaufen sich jetzt wahnsinnig gut und ich bin als erster Bratscher überhaupt in den Klassikcharts!“ Er gibt den Leuten Vertrautes an die Hand ,„damit man das Alte neu hört. Die Menschen brauchen so etwas“, lächelt er.

Seine Initialzündung: Bach

Überraschend ist, dass es bisher niemanden gab, der Bach-Kantaten für die Bratsche bearbeitet hat. „Gerade Bach ist so vielfältig, das kann man einfach immer wieder hören. Das geht mir ja selber auch so, ich bin jedesmal fasziniert davon, wieviele Welten er in einem Stück öffnen kann.“

Bach, verrät Mönkemeyer, begleite ihn seit seiner Kindheit und war der Grund, weshalb er überhaupt zur Musik kam. Eine Schallplatte mit den Brandenburgischen Konzerten beeindruckte ihn als Vierjährigen derart, dass er sofort in die Fußstapfen seines großen Idols treten wollte: „Ich war damals so schwer begeistert von den Barock-Perücken. Ich hab mir mit Wollknäueln so eine Perücke selbst gebastelt und bin mit Blockflöte und Bettlaken durch den Garten stolziert und hab‘ gespielt, dass ich Bach bin.“

Er war von Anfang an total davon fasziniert, so Mönkemeyer, dass Bach – obwohl er ein sehr schweres Leben hatte – so zutiefst menschlich sei und seinen Glauben an das Höchste im Menschen nie aufgegeben hat. „Wie man das schafft, mit solch einem Leben dann an so hohen Zielen und so hohen Überzeugungen festzuhalten und das in der Musik so wunderschön rüberzubringen, das finde ich extrem beeindruckend. Nicht nur als musikalisches Zeugnis, sondern auch einfach als Zeugnis davon, wozu wir Menschen in der Lage sind.“ Da war es klar, dass er sich Bach besonders widmen würde.

Hochblüte in der Klassik

Ein Stück, das von Mönkemeyer ausgegraben und welt-erst-eingespielt wurde, ist das schwungvolle G-dur Viola-Konzert von Antonio Rosetti. Laut Mönkemeyer entstand es in der glanzvollsten Zeit der Bratsche, der Klassik. Sehr einflussreich waren damals die Mannheimer Gebrüder Stamitz, beide Bratschenvirtuosen. Selbst Mozart wurde durch einen Aufenthalt in Mannheim inspiriert, sich verstärkt der Bratsche zu widmen, und Antonio Rosetti hat auf der Durchreise die Gelegenheit genutzt, ein Bratschenkonzert zu schreiben.

„Rosetti war dafür berühmt, dass er aus dem Stehgreif ganz schmissige Melodien schreiben konnte und darum haben ihn die Leute so geliebt“, fasst Mönkemeyer den Reiz der Musik zusammen.

Rosettis musikalischer Erfolg wurde jedoch von seiner Glücksspielsucht überschattet. Da er nicht vom Pokern loskam, musste er unter ständig wechselnden Namen durch Europa reisen, um seinen Gläubigern zu entkommen. Sein Lebenswandel erschwert die Rosetti-Rezeption bis heute, deshalb müssen die Werke des  Mannes, der sogar für Mozarts Beerdigung das Requiem schrieb, erst mühevoll ausgegraben und richtig identifiziert werden.

Wenn die Viola einmal so beliebt war, warum kam sie aus der Mode?

„Das ist der Punkt, den auch die Musikwissenschaftler nicht genau erklären können“, sagt Mönkemeyer. „Ich glaube, Geige ist leichter zu spielen, weil sie nicht so unhandlich ist. Die Bratsche ist relativ groß, das ist schon ziemlich schwierig , und die Bratschen waren damals in der Klassikzeit sehr klein. Das war für die dann einsetzende Romantik nicht geeignet, denn der spezielle Klang der Bratsche braucht schon ein größeres Instrument. Das führte dazu, dass es weniger Leute spielen konnten.“ Also bedeutete die Vergrößerung der Viola ein praktisches Erschwernis.

Außerdem brach noch vorher die Zeit der wilden Violin-Virtuosen wie Nicolo Paganini an, die der naturgemäß eher introvertierten Bratsche einfach die Schau stehlen mussten: „Für diese Spielkultur ist die Bratsche ungeeignet“, konstatiert Mönkemeyer. „Man kann darauf keine Virtuosennummer abziehen, dass die Leute so auf dem Boden liegen wie bei Paganini.“ Und  der musikalische Gehalt“,  fügt er hinzu, „ist dabei natürlich auch ein anderer. Es geht da weniger um das Menschliche in der Musik.“ Also hat die Jagd nach aufwühlenden Effekten die Musik oberflächlicher werden und den innigen Bratschenton weiter in Vergessenheit geraten lassen.

Pläne für die nächste CD hat Mönkemeyer schon. Diesmal sollen es originale Bratschenkompositionen von Schumann und einige passende Liedbearbeitungen werden. „Das wird eine gefühlvolle CD zum Schumannjahr“, verspricht der Künstler voll Zufriedenheit. Und das ist wahrscheinlich erst der Anfang einer famosen Bratschen-Renaissance …

Zur Person:

Der gebürtige Bremer Nils Mönkemeyer studierte Bratsche in München und Salzburg und trat bereits zu Studienzeiten als Solist bei zahlreichen Wettbewerben in Erscheinung. Seit Oktober  ist er Professor für Bratsche an der Musikhochschule Carl Maria von Weber in Dresden. Für seine CD „Ohne Worte“ wurde er als bester Newcomer seines Fachs mit dem ECHO Klassik 2009 ausgezeichnet. Sein aktuelles Album „Weichet nur, betrübte Schatten“ ist ebenfalls bei Sony Classical erschienen.

Seine offizielle, sehr hörenswerte Homepage: www.nilsmoenkemeyer.de

(Felix Bröde)
(Felix Bröde)

 



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