Netrebko, Schrott und Kaufmann begeisterten auf der Berliner Waldbühne

Titelbild
Der Dirigent Marco Armiliato (v.l.), die russische Sopranistin Anna Netrebko, der Münchener Tenor Jonas Kaufmann und der uruguayische Bassbariton Erwin Schrott in Berlin auf der Waldbühne nach ihrem Open-Air-Konzert.Foto: Clemens Bilan/dapd
Von 17. August 2011

Berlin – Bei bedecktem Himmel, aber ohne Regen, begeisterte gestern das Waldbühnenkonzert von Anna Netrebko, Erwin Schrott und Jonas Kaufmann 18.000 Berliner Klassikfans. Es wurde eine elegante Mischung aus Klassik- und Popkonzert, bei der, dank der Unterschiedlichkeit der Künstler, eine breite Palette von Geschmacksrichtungen zufriedengestellt wurde.

Da das ZDF das Klassik-Highlight zeitversetzt übertrug, umschwebten Kameras an Roboterarmen oder Seilen die Künstler und das Publikum. Und auch die erste Geige von Jakub Fišer war mit einem Mikrofon ausgestattet, um ihr zartes Spiel dem Millionenpublikum näher zu bringen.

Als Dirigent der Prager Philharmonie und des Neuen Kammerchors Potsdam (Einstudierung Ud Joffe) stand der temperamentvolle Marco Armiliato am Pult, der – ganz gleich in welchem Genre – große musikalische Qualität aus dem hochmotivierten Orchester hervorzaubern sollte.

Doch bis das „Gipfeltreffen der Stars“ als große Klassik-Party in Fahrt kam, brauchte es Anlaufzeit.

Erwin Schrott lieferte die Registerarie des Leporello, eigentlich seine Paraderolle, bis auf eine leichte Anzüglichkeit am Schluss, akademisch brav und unspektakulär ab. Anna Netrebko (in sonnengelbem Satin) sang als Erstes „Un bel di vedremo“ aus Madame Butterlfly und sparte etwas an der Länge des Schlusstons – weil der Abend ja noch lang werden würde.

Wenn Opernstars schmachten, dass es fetzt…

Vokal elektrisierend wurde es erst, als Jonas Kaufmann die Waldbühne betrat. Der zur Zeit als „bester Tenor der Welt“ gehandelte Münchner begrüßte das Publikum mit seiner charmant bodenständigen Art und witzelte, dass er wegen des guten Wetters dem Petrus nun ein Berliner Bier spendieren müsste. Dann legte er mit der romantischen Arie „Cielo e mar“ aus Ponchiellis La Gioconda das erste Stück hin, das beim Publikum richtig einschlug.

Und auch Erwin Schrotts anschließender Auftritt weckte Emotionen: Zusammen mit Klemen Leben am Bandoneon und Marcel Javorcek am Klavier entfaltete der Uruguyaner alle Facetten seiner tief melancholische Tango-Seele („Oblivion“ von Astor Piazolla). Jeder weitere Tango des Trios (es gab zum Glück mehrere) sollte ein Highlight werden.

Ein großes Duett aus Massenets „Manon Lescaut“ sangen Anna Netrebko und Jonas Kaufmann eher nebeneinander statt miteinander. Zu sehr ging die Diva auf Effekt, um sich ihren Geliebten zurückzuangeln, der aus Enttäuschung über ihre Untreue in ein Kloster eingetreten war.

Mit dem sehr melodiösen dargebotenen Terzett aus Verdis „Lombarden“ schloss der erste Teil.

Im Dunkeln ist gut Schunkeln

Mit Einbruch der Dunkelheit gewann das Konzert Atmosphäre und mit der fantastisch gespielten Ouverture zu Verdis „Macht des Schicksals“ war man wirklich in der Welt der Oper angekommen.

Erwin Schrott eröffnete den zweiten Teil bassig mit der düsteren Arie des Banquo aus Verdis Macbeth „ Come dal ciel precipita“. Und dann kam Anna Netrebkos künstlerischer Höhepunkt: Die Szene der Leonora aus dem 4. Akt von Verdis Troubadour, wo die Heldin verzweifelt überlegt, wie sie ihren Geliebten vor der drohenden Hinrichtung bewahren kann. Die Szene konnte allein durch ihre Länge theatrale Atmosphäre entwickeln und wurde für einen zweiminütigen Szenenapplaus für Anna Netrebko unterbrochen, denn soviel schmerzvoller Wohlklang und echte Hingabe musste honoriert werden. Als dann noch Jonas Kaufmann ihr aus dem Off sein „Vergiss mich nicht“ zusang, war das Publikum restlos begeistert.

Nach dem Intermezzo sinfonico aus Puccinis „Manon“ setzte Jonas Kaufmann dann den ultimativen Höhepunkt tenoraler Kraftentfaltung. Mit seinem „Addio alla madre“ aus Mascagnis Cavalleria Rusticana entfesselte er Schwingungen, die lauter, stärker und dramatischer kaum hätten sein können – und von der Tontechnik kaum gebändigt werden konnten.

Mit südamerikanische Rhythmen begann sodann der Party-Teil des Events, mit dem Erwin Schrott nun ganz in seiner Welt angekommen war, so mit der Romanze des Simpson aus Pablo Sorozábals „La Taberna del Puerto“. Auch sein Part im Liebesduett aus Porgy und Bess gelang ihm ganz großartig, ebenso lässig wie romantisch. Natürlich waren die Fans begeistert, weil Anna Netrebko und ihr Angetrauter sich hier endlich als Paar zeigten.

Offizielles Ende war das Schlussterzett aus Charles Gounods Faust: Es wirkte etwas unsaft aus seinem Kontext gerissen, doch als Rausschmeißer ganz vorzüglich. Kaufmann und Schrott nahmen die Dame in die Mitte und Anna Netrebko durfte sich – von wenigen Einwürfen der Herren angeheizt – zu den höchsten Tönen aufschwingen.

Enthusiastischer Beifall mit Johlen und Pfeifen verlangte nach einem Zugabenteil, in dem jeder Solist nochmals die persönlichen Starqualitäten präsentierte.

Anna Netrebko tat dies mit Puccinis „O mia babbino caro“ (in Begleitung einzelner Feuerzeuge und Wunderkerzen), Erwin Schrott legte einen seiner unwiderstehlichen Tangos nach („Rojotango“, arrangiert von Pablo Ziegler). Jonas Kaufmann schmetterte den Abschluss mit „Freunde, das Leben ist lebenswert“ aus Franz Lehars Guiditta.

Das Publikum dankte es ihm, indem es im ohrwurmigen Mittelteil sanft mitsummte und schunkelte. Die Waldbühnen-Party war perfekt.

 



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