Modetrends der Pfahlbauer am Bodensee
Was für die aktuelle Modewelt Paris ist, war vor 6.000 Jahren Hemmenhofen, ein Dorf am deutschen Bodenseeufer. Die Archäologin Marion Heumüller schreibt die erste Doktorarbeit über Haute Couture in der Jungsteinzeit und untersucht dabei Schmuck- und Textil-Artefakte aus dem Seeschlick.
Die Pfahlbauer waren offenbar sehr eitle Menschen, die großen Wert auf eine gepflegte Erscheinung legten. Das Büro von Marion Heumüller in der Außenstelle des baden-württembergischen Denkmalamtes im alten Schulhaus von Hemmenhofen gleicht einer Boutique für Ethno-Schmuck. Geschliffene Kalksteine in unterschiedlichen Größen, Tierzähne mit feinen Bohrlöchern, glitzernde Muscheln und so genannte Schlehenperlen, Fruchtsteine des Schwarzdornbusches, liegen säuberlich geordnet und beschriftet in kleinen Holzkästchen. Der Pfahlbauer-Schmuck stammt aus der Seeufersiedlung Hornstaad-Hörnle bei Hemmenhofen.
Wenn sich die 37-jährige Forscherin mittels einer Zeitmaschine 6.000 Jahre zurückversetzen lassen könnte, wüsste sie genau, was sie bei einem Rendezvous mit einem Pfahlbauer anziehen müsste, um einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen: „Ich würde eine Halskette aus Kalksteinen tragen, die am Bodensee hergestellt worden ist. Die röhrchenförmigen Steine sind geschliffen, durchbohrt und auf eine feine Schnur aufgezogen.“
Weiter würde sich Heumüller eine Kette mit bearbeiteten Schlehenperlen um den Arm legen und ein rockartiges Kleid aus gewobenem Flachs mit applizierten Muscheln oder schmucken Seeschnecken anziehen, die fliegende Händler vom Mittelmeer und Atlantik an den Bodensee gebracht haben. Ein Gurt aus Leder mit Perlmutt-Besatz würde die Taille betonen. Die Füße steckten in maßgefertigten Schuhen, die heutigen Flip-Flops oder Espadrilles sehr ähnlich sehen, nur dass sie nicht aus Kunststoff, sondern aus geflochtenem Bast waren.
Der begehrte Pfahlbauer ein Mann von Welt
Wie müsste sich der junge Pfahlbauer präsentieren, um auf die zeitreisende Forscherin einen nachhaltigen Eindruck zu machen? „Er hätte eine Handteller große, dünne Kupferscheibe über der Brust hängen“, lacht Marion Heumüller. Damit würde er beweisen, dass er ein Mann von Welt ist mit weit reichenden Beziehungen. Solche Schmuckstücke sind vor allem in Osteuropa, namentlich in Ungarn, gefunden worden. Aber auch am Bodensee waren diese Accessoires nicht unbekannt, was entsprechende Funde beweisen.
Der smarte Jungsteinzeitler müsste überdies in der Vorstellung der Doktorandin sozial integriert und fähig sein, eine Familie zu ernähren. Diese überlebenswichtigen Qualitäten würde er natürlich mit auserlesenem Jagdschmuck – an Ketten aufgereihte Eckzähnen von Bären und Teile von Hirschgeweihen – unterstreichen. Der Mann müsste auch großzügig sein. Zumindest würde die Forscherin von ihm ein Geschenk erwarten. „Das könnte eine Kette aus geglätteten und polierten Endstücken von Hirschgeweihen sein“, sagt Marion Heumüller.
Harry Rosenbaum – AP
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