„Lucia di Lammermoor“ mit Diana Damrau und Joseph Calleja

Titelbild
Diana Damrau.Foto: Tanja Niemann
Von 9. Juni 2012

Die Zuschauer in der Deutschen Oper Berlin erlebten am Freitag, dem 8. Juni, einen Abend, an dem sich die Aufmerksamkeit und die hohen Erwartungen ganz auf zwei Personen konzentrierte: Diana Damrau als Lucia und Joseph Calleja als Edgardo.

Es war die 120. Aufführung von Donizettis „Lucia di Lammermoor“ in der Inszenierung von Filippo Sanjust aus dem Jahr 1980, die eine sehr ästhetische Hommage an die Bühnenmalereien des 19. Jahrhunderts darstellt: Die Herren tragen die historisch beinahe korrekte Bekleidung der Rembrandtzeit, die Damen jedoch üppige Biedermeierkleider der Donizettischen Ära, was die Bilder mit pastelligen Farbtönen auflockert. Aber alles – fast auch die Musik – erschien an diesem Abend als Nebensache, denn das Haus war ausverkauft wegen der Traumbesetzung und einige Opernfans waren von weit her, ja sogar aus München, angereist.

Roberto Rizzi Brignoli leitete das Orchester der Deutschen Oper Berlin, das routiniert aber nicht wirklich inspiriert spielte. Die große und faszinierende Ausnahme war das fantastische Harfensolo vor Lucias Auftritt (Virginie Gout-Zschäbitz), das in seiner Zartheit unter die Haut ging. Es wurde die perfekte Vorbereitung für die erste Szene mit Diana Damrau. Sie ist nicht nur eine der technisch perfektesten Sängerinnen weltweit, sondern als Künstlerin ein Gesamtkunstwerk, weil sie sich in ihren Rollen bis ins kleinste Detail inszeniert. Und vom ersten Moment an ging das Publikum mit ihr mit und war begeistert, egal was sie tat. Ihre Lucia war eine wilde und trotzige junge Frau, die sich schwer mit ihrem Schicksal abfinden kann (und deren mörderischer Absturz am Ende deshalb glaubwürdig erscheint). Umso herziger und sanfter war Joseph Calleja als Edgardo mit seinem schmelzenden, hohen und geradezu lieblichen Tenor. Schade, dass es in dieser Oper für die Beiden nur ein richtiges Liebesduett gibt, es war ein herzerwärmender und hochklassiger Moment.

Im zweiten Akt zeigte dann auch der karamellige und kraftvolle Bariton Bastiaan Everink als Enrico, was in ihm steckte, als er Lucia mit List zu der Heirat mit einem gewissen Arturo bewegen will und ihr dazu das verständnisvolle Bruderherz vorspielt; ein differenzierter und klangschöner Bösewicht. Bei der Hochzeit spuckte Gregory Warren als Arturo einige beindruckende metallisch hochtimbrierte Tenortöne, die ihn als Prahler subtil unsympathisch machten. Ein kurzer, aber sehr gelungener Auftritt. Er war ein würdiger Gegner für Calleja, der bei Edgardos Verzweiflung über Lucias vermeintlichen Treuebruch zu ungeahnter männlicher Härte und verletztem Stolz auflief.

Der Bass Marko Mimica als Raimondo versuchte daraufhin vergeblich, Frieden zu stiften: Er hatte eine wunderbar würdevolle und ehrliche Nüchternheit, die ihn den Part des Priesters glaubwürdig verkörpern ließ. Rachel Hauge machte dazu als Lucias Dienerin Alice einen guten Eindruck.

Überraschend war, das Diana Damrau das innere Drama und Aufbegehren der Lucia vom Beginn bis zur Hochzeit im 2. Akt kontinuierlich steigerte und als enorm starke Frau auftrat, um dann in der Wahnsinns-Szene plötzlich ganz kindlich verstört auf die Bühne zu schwanken.

Sie sang die Wahnsinnsarie mit beeindruckender Intensität und beinahe Tönchen für Tönchen, was das Ganze noch debiler und abgründiger machte. Für jede Phrase hatte sie ein eigenes Gestaltungskonzept, sie kippte vom Kichern ins Schaudern und zurück, Stimme und Gestik waren dabei immer eine makellose Einheit. Und ihr lupenreiner, hochspannender Gesang allein hätte vermutlich schon gereicht, um das Publikum zum Rasen zu bringen: Wie sie dazu noch Pirouetten drehte, lasziv am Boden herumkugelte und mit dem Messer fuchtelte, schoss den Vogel völlig ab.

Das Flötensolo spielte, synchron zu all dem, Robert Lech. Ein riesiger Zwischen- und Schlussapplaus für Diana Damrau war die Folge. Selbst abgebrühte Berliner Operngänger waren außer Rand und Band.

In der letzten Szene wiederholte sich dieses Prozedere seitens des Publikums exakt – mit dem einzigen Unterschied, dass sich hier der gefeierte Darsteller viel braver benahm. Joseph Calleja

sang Edgardos schmerzlichen Abschied vom Leben und seiner Geliebten mit solcher Hingabe und Schönheit, wie man sie selten zu hören bekommt. Er besitzt einfach das Gefühl für diese Art Musik, die bei ihm so vollends natürlich und schlicht klingt. Er bekam den gleichen Beifallssturm wie Damrau.

Am Ende hätte man den Schlussapplaus auf zwei Personen beschränken können, denn sowohl für den Chor (souverän), als auch für den unauffälligen Dirigenten, das Orchester und die Nebendarsteller interessierte sich niemand. Bastiaan Everink als Enrico wurde sogar unfairerweise ausgebuht. Damrau und Calleja wurden triumphal umjubelt.



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