„L´Orontea“ in Frankfurt: Oper als Perlenkette musikalischer Augenblicke

Titelbild
Guy de Mey (Aristea), Sebastian Geyer (Creonte), Xavier Sabata (Alidoro; am Boden liegend), Matthias Rexroth (Corindo) und Paula Murrihy (Orontea).Foto: Monika Rittershaus für Oper Frankfurt
Von 13. März 2015

Wer Barockopern mit komplexen Handlungen und Dacapo-Arien assoziiert, muss bei Antonio Cestis Oper „L´Orontea“ seine Erwartungen neu sortieren: Das Werk, das die Frankfurter Oper diese Spielzeit als Erstaufführung und musikalische Rarität heraus zu bringen wagte, feiert nicht stimmliche Virtuosität und antike Helden, sondern ist eine Aneinanderreihung musikalisch-erotischer Scherze. Natürlich fehlen auch lyrische und ernste Szenen nicht, aber der eigentliche Witz steckt in der Verquickung von Musik und Texten und das Libretto um die Hauptperson, eine fiktive ägyptische Königin, ist streckenweise recht schlüpfrig. Kein Wunder: Das Stück sorgte einst im venezianischen Karneval für Stimmung.

Chaotisch, aber sexy

Der Grund, warum das Stück an der Frankfurter Oper erst als Geheimtipp zum Publikumsschlager wurde: Es ist so völlig anders als vom heutigen Standpunkt aus erwartet, die musikalischen Gags rund um das royale Liebeschaos sind keine schmückenden Details, nein – sie sind Inhalt und Daseinszweck dieser Oper! Wer dies verstanden hat, amüsiert sich dreineinhalb Stunden am Stück – wer nicht, wird vergeblich auf Höhepunkte warten. Tatsächlich geschehen diese jedoch alle zwei Minuten. Es gibt eine völlig unlogische Handlung bei vergleichsweise geringer Arien-Dichte, dafür umso mehr quicklebendige und malerische Rezitative. Ein völlig konstruiertes Happy-End beendet den Spaß abrupt. Also bitte keine Vergleiche mit den streng strukturierten Meisterwerken Händels, da kann diese Deluxe-Soap nicht mithalten.

Die Liebe ist ein seltsames Spiel …

Schlau gelöst hat dies die Frankfurter Inszenierung von Walter Sutcliffe, indem sie mit reduzierten Mitteln Liebe und Triebe eindeutig inszeniert, aber nie ins Vulgäre abgleitet. Ja, es wurde in Strapsen gesungen und es gab Geschehnisse zwischen Dünen und Laken, aber alles mit Stil in komödiantisch-ironischer Brechung. Es gab Männer in Frauenkleidern (Guy de Mey als liebestolle Alte Aristea sang charaktertenoral schnarrend) und ein Mädchen, das sich als Mann verkleidet (Kateryna Kasper als leuchtend-energiegeladene Giacinta). Außerdem einen Soldaten, der jedoch von einer Frau gespielt wird (Juanita Lascarro mit etwas faserigem Mezzosopran als Tibrino), einen Hahnenkampf zwischen zwei Männern mit Alt-Stimmen, und einen Bariton, der in der zweiten Hälfte des Stückes Falsett singt. Sprich: Das Verwirrspiel der Geschlechter und Masken könnte kaum bunter sein.

Als weibliche Gegensätze erlebt man Orontea, (die himmelblau vepackte Königin) und ihre Hofdame Silandra (pinke Strümpfe deuten auf ihr wahres Wesen hin). Paula Murrihy dominierte als ernstzunehmendste Figur des Stückes – sie und ihr makelloser Mezzosopran schillerten zwischen Leidenschaft, Zerbrechlichkeit und kühler Herrscherin. Ebenso mit vibratolos strahlenden Höhen, aber perlendem Glitzer ihrer Koloraturen berückte Louise Alder als Silandra, die bereits zu Beginn des Stückes einen Verlobten hat.

Dieser Corindo schwankt zwischen Zärtlichkeit, Melancholie und am Ende heldischen Eifersuchts-Ausbrüchen – genau wie sein Darsteller (Altus Matthias Rexroth) ständig zwischen seinem virtuosen Brust- und Kopfregister oszilliert. Doch leider wird er von ihr temporär gegen einen anderen Liebhaber umgetauscht: Alidoro, jenen soften, etwas spröde-blockflötigen Countertenor (Xavier Sabata), der nur im Falsett singt und bald nicht mehr weiß, wo ihm der Kopf steht: Der am Hof gestrandete, vermeintliche Maler hat das Problem, dass er unwiderstehlich hübsch ist und alle Damen (und sogar Herren) sich mehr oder weniger schwer in ihn verlieben – allen voran die Königin, welche eigentlich vorhatte, Amors Pfeilen entschieden zu trotzen.

Eine Perlenkette musikalischer Augenblicke

Es waren wunderbare Sänger auf der Bühne, welche jeden Moment nutzten, um zu zeigen, wozu sie stimmlich in der Lage waren, denn in diesem Stück sind nicht die Arien, sondern die Rezitative das Ziel und so überzeugt die Frankfurter Aufführung gerade als spielfreudige Ensemble-Leistung.

In bunt-anschaulichen Kostümen und im Bühnenbild von Gideon Davey wurden sie dabei von riesigen Puttenmasken beobachtet, die als die strippenziehenden Liebesgötter fungierten, die Bühnenteile umherzogen und allerlei Schabernack trieben. Den schauspielerischen Vogel schoss Simon Bailey als versoffener Diener Gelone ab, der zuerst als Landstreicher und dann im Frack und Falsett unterwegs ist. Als derb-komische Rampensau spricht er dem Wein zu und macht sich über die Liebenden lustig. Der so gar nicht sinnliche 70er Jahre-Psychologen-Philosoph Creonte (Sebastian Geyer) gab dazu den trocken-intellektuellen Gegenpart und dramaturgisch entscheidende Ratschläge …

Regelrecht diskret wirkte die Orchesterbegleitung, dirigiert von Ivor Bolton. Er ließ das Orchester einen fülligen, weichen Streicherteppich ausbreiten, verfeinert durch eine besonders üppige und farbenreiche Continuo-Gruppe. Dies war das wohlige Netz, über dem die Gefühlsakrobaten auf der Bühne ihren hochfliegenden Träumen nachjagten.

(Besuchte Vorstellung: 20. Februar 2015)



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