Im Interview: Künstlerin Heide Presse malt amerikanische Geschichten des 19. Jahrhunderts
Die Künstlerin Heide Presse malt das amerikanische Leben der Mitte des 19. Jahrhunderts so authentisch wie möglich. Landwirte, Siedler und Pioniere sind nur einige der Motive, die auf Leinwand festgehalten werden und aus historischen Quellen erster Hand stammen. Manche ihrer Gemälde zeigen Frauen, die beispielsweise eine Bibel lesen, eine Steppdecke nähen oder sich einfach nur um die Kinder kümmern; während die Männer auf dem Land arbeiten, eine Kutsche ziehen oder eine Tierherde antreiben.
Des Weiteren sind die Gemälde von Presse voller Farben, verspieltem Licht und manchmal auch Staub, während die Vergangenheit Amerikas durch ihre Leinwand zum Leben erweckt wird.
Jahrelange Nachforschungen
Erst nach einem oft langwierigen Forschungsprozess, der es ihr ermöglicht, ein wahres Ereignis oder eine Szene so realistisch wie möglich darzustellen, beginne sie mit dem Malen, erklärte Presse telefonisch. Durch jahrelange Nachforschungen hat sie nicht nur ein detailliertes Wissen über diesen Zeitabschnitt aufgehäuft, sondern auch eine Sammlung von authentischen Handarbeiten angefertigt, die sie als Requisiten für ihre Gemälde herstellt und auch benutzt.
Als Presse am College of Fine Art and Design studierte, besuchte sie das koloniale Williamsburg, in Virginia, wo ihre Augen für die Welt der historischen Nachstellungen geöffnet wurden. Jedoch war ihr damals nicht klar, dass sie sich selbst zwanzig Jahre später so stark für historische Nachstellungen in der Kunst einsetzen würde.
Heute ist Presse eine national anerkannte Künstlerin mit einem umfangreichen Programm an Galerie- und Museumsausstellungen. Darunter befinden sich unter anderem die Ausstellungen „Quest for the West“ im Eiteljorg Museum in Indianapolis und „Buffalo Bill Art Show and Sale“ im Buffalo Bill Center of the West in Cody, Wyoming.
Dennoch hat Presse Zeit gefunden zwischen diesen Verpflichtungen an einem persönlichen Projekt zu arbeiten – das Leben der Menschen zu malen, die den Westen zu Beginn der Oregon Trail-Bewegung, zwischen den 1840er und 1850er Jahren, geöffnet haben. Sie glaubt, dass diese Vorreiter das größte Risiko getragen haben.
„Lebendige Geschichte“ malen
Heute spricht sie über dieses Projekt mit uns und erklärt, wie sie die „lebendige Geschichte“ malt, aber dabei der amerikanischen Vergangenheit treu bleibt.
Epoch Times: Wie kam es dazu, dass Sie angefangen haben historische Gemälde zu malen?
Heide Presse: Ich habe mich immer schon für die Vergangenheit interessiert. Wenn Sie auf meine älteren Werke zurückblicken, können Sie das schon erkennen. Aber ich habe erst in den frühen 2000er Jahren angefangen, mich ernsthaft damit zu beschäftigen, als ich gebeten wurde, Bilder für eine Unternehmenskommission beizusteuern, die historische Ereignisse in Virginia präsentieren sollten. Ich musste Gemälde von George Washingtons Zeit bis zum Bürgerkrieg fertigstellen.
Ich ging zu historischen Nachstellungen und ‚Living History‘ Museen und malte Themen, die mich interessierten. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch kein fundiertes Verständnis über die Details der historischen Kleidung.
Ich begann, in diese historische Welt einzutauchen und lernte, wie man für die Unternehmenskommission recherchiert. Mir wurde klar, wie viel ich noch lernen musste. Ich konnte mich nicht darauf verlassen, dass andere Personen in ihren Darstellungen die historische Kleidung authentisch wiedergaben. Wenn ich möchte, dass meine Bilder richtig sind, muss ich verstehen, was richtig ist. Das habe ich dabei gelernt. Also begab ich mich auf eine zehnjährige Reise und fand schließlich meine eigenen Quellen, die die Vergangenheit nachgestellt haben.
Faszinierende Kleidung und historische Kenntnisse
Ich begegnete einigen wundervollen Leuten, die mich unter ihre Fittiche nahmen, weil ihnen gefiel, was ich mit meiner Kunst machen wollte: darunter waren beispielsweise Absolventen im Bereich Design für historische Kleidung, Museumskuratoren und wirklich gute historische Nachsteller. Sie haben mir geholfen so viel zu lernen. Zum Beispiel habe ich gelernt, wie man im 19. Jahrhundert genäht hat und wie man die damalige Kleidung, beispielsweise die Hauben, hergestellt hat.
Da ich gerne nähe, war es für mich jedoch keine Schwierigkeit. Es war eigentlich ganz leicht. Ich habe meine eigenen Haubenmuster angefertigt, nachdem ich Originalhauben studiert hatte. Ich verwende aber hauptsächlich Muster, die von Auftraggebern mit historischen Kenntnissen entworfen wurden. Außerdem habe ich eine Vielzahl von Kleidungsstücken genäht und kaufe auch authentische Reproduktionen, damit ich genug Kleidung für die Leute in meinem Studio zur Verfügung stellen kann, wenn sie benötigt wird.
Ich bin in keiner Weise eine Expertin, aber ich habe genug gelernt.
Als ich anfing, die Geschichte zu lernen, ließ ich mir zuerst Kleidung anfertigen und besuchte dann eine beeindruckende Veranstaltung, in der die Geschichte nachgestellt wurde. Sie fand auf einem historischen Bauernhof im Shenandoah Valley statt. Weil ich verstehen wollte, wie die Kleidung für Frauen war, musste ich die Kleidung anprobieren. Das war eine gute Sache, weil ich verstehe, wie es sich anfühlt, die Kleidung zu tragen, und es hat mir ein gutes Verständnis und eine gute Grundlage gegeben.
Aber am besten ist es, wenn ich ein Gemälde plane, historische Modelle zu fotografieren, die wissen, was sie tun und die zeitgemäße Kleidung tragen, die wie in der damaligen Zeit aussieht.
Epoch Times: Ein Teil der Recherche für ihre Gemälde besteht darin, Zeitschriften aus dem 19. Jahrhundert zu lesen. Was lernen Sie dadurch?
Frau Presse: Als ich an den Gemälden für die Unternehmenskommission arbeitete, ging ich immer zu historischen Stätten oder recherchierte und besuchte Museen, um Referenzen für diese Gemälde zu erhalten. Jedes Mal, wenn ich zu diesen Orten ging, erkundete ich die Buchhandlungen und fing an, Bücher, die Zeitschriften enthielten, zu kaufen.
Die Worte jener Zeit lesen
Ich liebe es, Zeitschriften zu lesen, denn wenn ich ein neues Gemälde plane, versuche ich in die Köpfe der Menschen zu gelangen, die ich in meinem Gemälde darstellen möchte. Und ich denke es ist der beste Weg, dies zu tun, indem ich ihre eigenen Worte lese. Es ist für mich der beste Weg, mich sozusagen in ihre Lage zu versetzen. Als ich diesen Prozess des Lernens durchlaufen habe, war eines der ersten Dinge, die ich gelernt habe, dass ich zukünftig zuerst Dokumentationen aus erster Hand lessen sollte. Also habe ich immer nach solchen Dingen gesucht.
Einmal nahm ich dieses Buch in die Hand, das Zeitschriften enthielt, die hauptsächlich von Frauen geschrieben wurden, die auf dem Weg in den Westen waren, und ich war einfach begeistert davon. Ich fing an, alle diese Zeitschriften zu lesen. Und zum ersten Mal gab es mir ein Verständnis dafür, als ich selbst in den Zug stieg und mehrere Monate damit verbrachte, zu reisen. Früher hatte ich diese Art von einem romantisierten Bild im Kopf und ich habe nicht wirklich viel darüber nachgedacht. Aber mein Weg war weitaus komplexer, wie Sie sich vorstellen können. Das hat mich dorthin geführt, wo ich heute bin.
Die Reise einer Frau 1835 – 1848
Epoch Times: Erzählen Sie uns bitte von Ihrem aktuellen Projekt „Wir richten unseren Blick nach Westen … Die Reise einer Frau 1839 – 1848″.
Frau Presse: Seit dem ersten Buch, das ich aufgegriffen habe und das mehrere Zeitschriften enthielt, habe ich viele Zeitschriften gelesen und natürlich viele Ideen für Gemälde bekommen.
Aber es gab dieses eine Tagebuch, das eigentlich kein sehr langes Tagebuch war, aber die Frau, die es geschrieben hat, Keturah Belknap, war einfach unglaublich anschaulich in ihren Beschreibungen. Die meisten Zeitschriften vom Oregon Trail oder California Trail berichten darüber, wie viele Kilometer sie zurückgelegt haben, ob sie gutes Wasser hatten und schöne Wiesen sahen, oder sie sprachen einfach über die Sehenswürdigkeiten auf dem Weg. Sie sind jedoch alle auf denselben Strecken gefahren und wenn Sie so viele dieser Wanderjournale lesen, können sie etwas eintönig werden.
Aber Belknaps Tagebuch stach heraus, weil sie über die alltäglichen Dinge sprach, wie sie etwas tat, und das fasziniert mich. Im Jahr 1840 schrieb sie beispielsweise:
Jetzt ist Frühling und wir haben ein paar Schafe auf dem Land, die geschoren werden müssen. Den ganzen Winter habe ich Leinen und Werg gesponnen, um Sommerkleidung herzustellen. Ich habe keine untätige Minute verbracht.“
Jetzt muss die Wolle aus dem Schafsbeutel genommen, gewaschen, gepflückt, zur Karde geschickt und zu Kugeln verarbeitet werden. Dann muss es gedreht, gefärbt und gewebt werden, damit es für den nächsten Winter bereit ist.“
Also bekam ich die Idee, eine Reihe von Gemälden zu malen, die das Leben einer Person darstellen, die diesen Prozess durchlaufen hat.
Belknap und ihr Ehemann waren mit Anfang zwanzig Jungvermählte, die im Jahr 1839 von Ohio nach Iowa zogen. Die Hälfte meines Projekts umfasst die Zeit, in der sie von 1839 bis 1847 in Iowa lebten. Ich male also hauptsächlich Bilder des Alltags aus diesem Zeitabschnitt. Die andere Hälfte des Projekts ist die Reise von Iowa nach Oregon in einem Planwagen. Belknap und ihre unmittelbare Familie gingen im Jahr 1848 von Iowa nach Oregon.
Im Jahr 1847, als der Goldrausch in Kalifornien begann, wurden die Goldrauschgeschichten auch im Nordosten und überall in Amerika in den Zeitungen veröffentlicht und die Menschen emigrierten daraufhin in den Westen. Und das hat eine große Veränderung für dieses Land ausgelöst.
Ich denke, so viele Leute haben während der Reise Tagebücher geführt, weil sie wussten, dass sie Geschichte schreiben.
Belknap inspirierte mich. Ich war einfach fasziniert von ihrer Lebhaftigkeit und allem, was sie durchmachte, und von der Art und Weise, wie sie so detailliert beschrieb, was sie alles tat. Sie hatte auch einen sehr tiefen christlichen Glauben und schrieb viel darüber. Die Spiritualität nimmt einen großen Raum in vielen Zeitschriften ein, die ich lese, weil diese Menschen einen wirklich tiefen Glauben besaßen.
Das einzige, worüber Belknap nicht wirklich sprach, ist, dass sie schwanger war und auf der Reise das Kind zur Welt brachte. Es ist interessant, dass sie nie etwas über wirklich persönliche Dinge, wie die Schwangerschaft, geschrieben hat. Man bekommt nie den Eindruck, dass sie während der gesamten Reise schwanger war, bis das Baby geboren wurde. Aber so war es.
Nachdem ich mich entschlossen hatte, eine große Kunstsammlung basierend auf Belknaps Tagebuch zu erstellen, musste ich zuerst eine junge Frau finden, die mein Modell sein würde. Ich nahm an einer Konferenz in Pennsylvania teil, um etwas über die Kultur und den Kleidungsstil der Mitte des 19. Jahrhunderts zu lernen, und sprach mit einer jungen Frau, die ich davor schon auf einer Veranstaltung im Shenandoah Valley getroffen hatte. Sie ist eine herausragende Geschichtsnachstellerin und eine sehr talentierte Schneiderin.
Also plauderte ich mit ihr und dachte: „Wie in aller Welt werde ich das realistisch in Florida machen?“ Nachdem ich mich hingesetzt und das Gespräch mit ihr geführt hatte, war es, als hätte Gott alle diese Gelegenheiten in meinen Schoß fallen lassen, um dies zu erreichen. Es war wundervoll. Zu dieser Zeit arbeitete sie zufällig für das Genesee Country Village and Museum. Es ist ein wunderbares Museum für nachstellende Geschichte im Bundesstaat New York mit einem Dorf mit 68 historischen Gebäuden. Sie öffnete die Türen zu fast allem, was ich als Referenz für meine Arbeit brauchte, einschließlich, dass sie mir andere talentierte historische Nachsteller vorgestellt hat, die ebenfalls für mich posierten.
„Ich muss verstehen was ich male“
Einer der glücklichsten Momente für mich war, als ich jemanden gesucht hatte, der ihren Ehemann aus der Geschichte darstellen kann. Zu dieser Zeit wusste ich nicht viel über die damaligen Erscheinungen von Männern oder über die Landwirtschaft in diesem Zeitabschnitt. Sie stellte mich jedoch einem jungen Mann vor, der im Landwirtschaftsprogramm des Museums für nachstellende Geschichte arbeitete, in dem es Zuchttiere gibt, wie beispielsweise den milchgebenden Devon-Ochsen. Dort pflügen sie das Land, bauen Getreide an und ernten es, und das alles auf die damalige Art.
Etwa drei Jahre lang besuchte ich das Museum ein paar Mal im Jahr und verbrachte dort mehrere Tage. Das war einfach die perfekteste Situation für mich. Dort habe ich viel Referenzmaterial bekommen.
Ich bin einfach immer wieder erstaunt, wie viel Glück ich habe. Ich bin so dankbar, dass diese talentierten Menschen, die so viel von ihrem Leben der nachstellenden Geschichte widmen, zugestimmt haben, mit mir zusammenzuarbeiten. Da das Bild nur so gut sein wird wie das Motiv, muss ich eine gute Referenz haben. Und ich muss verstehen, was ich male.
Die Transkription des Keturah Belknap-Tagebuchs stammt aus den Manuskripten, Archiven und Spezialsammlungen der Bibliotheken der Washington State University in Pullman, Washington.
Der Originalartikel erschien in The Epoch Times USA (deutsche Bearbeitung von sme)
Originalfassung:Artist Heide Presse Paints American History: Journal by Journal
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