Händels „Giulio Cesare“ bezaubert an der Oper Frankfurt

Titelbild
Michael Nagy (Giulio Cesare) und Sebastian Geyer (Curio) in der Frankfurter Oper.Foto: Wolfgang Runkel / Frankfurter Oper
Von 27. Dezember 2012

 

„Giulio Cesare in Egitto“, auf Deutsch „Julius Cäsar in Ägypten“, heißt Georg Friedrich Händels Oper über die Liebesgeschichte von Caesar und Cleopatra. Seit Anfang Dezember kann man den Barock-Klassiker in einer gelungenen Produktion an der Oper Frankfurt erleben. Den Zuschauer erwartet garantiert kein Ägypten-Kitsch, dafür starke Emotionen, eine Prise Ironie und musikalische Extraklasse, wie die Aufführung am 25.12. bewies.

In der Neuinszenierung von Johannes Erath rankt sich eine überflüssige kleine Rahmenhandlung um einen sehr publikumswirksamen Bilderreigen. Kino und Film scheinen immer wieder als Inspirationsquelle durch (Videos: Bibi Abel). Es entsteht eine Fantasiereise an der Grenze von Traum und Wirklichkeit, in der Logik keine Rolle spielt oder rein ästhetischen Erfordernissen gehorcht. Und das passt zu Händels Nummernoper, die allein der Emotion verpflichtet, munter von Arie zu Arie springt und vom Zuschauer stetige Schauplatzwechsel im Kopf verlangt.

Brenda Rae (Cleopatra) und Michael Nagy (Giulio Cesare), sowie im Hintergrund v.l.n.r. Tanja Ariane Baumgartner (Cornelia) und Paula Murrihy (Sesto)Brenda Rae (Cleopatra) und Michael Nagy (Giulio Cesare), sowie im Hintergrund v.l.n.r. Tanja Ariane Baumgartner (Cornelia) und Paula Murrihy (Sesto)Foto: Wolfgang Runkel / Frankfurter Oper

Bilder fließen ineinander in einem kargen, kubischen Raum. Zarte Gardinen auf ganzer Portalbreite bewirken poetische Filmschnitte, die intelligent, sinnlich, und handwerklich perfekt inszeniert sind (Bühnenbild von Herbert Murauer).

Eine elegante Materialschlacht in sehr gelungenen, ständig wechselnden Kostümen (Katharina Tasch) nimmt ihren Lauf, verfeinert mit ein paar Pfauenfederfächern und halbnackten Sklaven. Cleopatra aalt sich in einer Badewanne mit Löwenfüßen, gegen Ende wird sogar die Bühne geflutet und Wasserkreise schillern an der Wand. In einer der stärksten Szenen flanieren Männer ohne Kopf herum – wurden sie enthauptet oder haben sie den Verstand verloren? Entspanntes Assoziieren ersetzt eindeutige Botschaften.

Manchmal wird der Zuschauer visuell zu sehr von der Musik abgelenkt. Etwa wenn der gestrandete Caesar hinter dem Vorhang „Aure, deh, per pietà spirate“ singt und sich darauf der leere Zuschauerraum als Video spiegelt, indem sein projiziertes Alter Ego über die Sitzreihen schwankt – ein starkes Bild zumal. Oder wenn Cleopatras Verzweiflung vom Kino-Abspann ihres Lebens begleitet wird, der den Cast des Abends bis zu den Namen der Maskenbildnerinnen herunterspult – denn man fängt unweigerlich an, mitzulesen. Das sind Momente, in denen die künstlichen Bilder der Bühnenrealität die Schau stehlen. Etwas schade, denn die Musik ist vom Feinsten.

Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter Erik Nielsen folgt den Affekten der Charaktere schillernd, variantenreich, spielfroh und prägnant. Weil die starken Helden, allen voran Caesar, gar nicht so stark sind, wie sie tun, gehört diese Oper den Frauen: Cleopatra, Cornelia und der Hosenrolle Sesto. Brenda Rae als Cleopatra, konnte mit ihrem sehr facettenreichen Sopran eine Achterbahnfahrt der Gefühle zelebrieren: Ganz Diva und selbstbewusste Königin, verführerisches Turteltäubchen, oder dramatisch tränenüberströmte Furie, all das gelang ihr mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit, egal ob es sich um höchste Koloraturen oder lyrische Bögen handelte. Weil sie außerdem bildschön und schauspielerisch faszinierend präsent war, räumte sie für ihre Verkörperung der sagenumwobenen Frauengestalt bei Szenen- und Schlussapplaus zu Recht ab.

Und ganz besonders bei der Verführungsarie „V’adoro pupille“ wo sie auf einer Treppe im ausladenden Schleppenkleid posierte.

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Michael Nagy als Caesar stand ihr in nichts nach und war die smarte Idealbesetzung: Ein kleiner Mann, der sich gerne groß und bedeutsam gibt, unverschämt gut aussieht und mit flexiblem Bariton und Farbenreichtum überzeugte. Spätestens wenn ihm sein Diener die Römersandalen anziehen muss, weil er Cleopatra noch ausgiebige Abschiedsküsschen verabreicht, bevor er in Schlacht zieht, weiß man, was von diesem Helden zu halten ist.

Besondere Höhepunkte waren seine Arien „Va tacito e nascosto“, wenn er im Dialog mit einem Hornsolo singt, ebenso „Se in fiorito ameno prato“, die klanglich auf Vogelgezwitscher anspielt. Was er an Koloraturen höchst fokussiert zu Gehör brachte – und dies verbunden mit männlich heldischer Kraft und ausdrucksvollem Schmelz – war für einen Bariton eine echte Glanzleistung, die jedoch applaustechnisch relativ unbemerkt blieb.

Michael Nagy (Giulio Cesare; auf der Treppe sitzend) und Brenda Rae (Cleopatra; mit dem Rücken zum Betrachter)Michael Nagy (Giulio Cesare; auf der Treppe sitzend) und Brenda Rae (Cleopatra; mit dem Rücken zum Betrachter)Foto: Wolfgang Runkel / Frankfurter Oper

Cleopatras tyrannischer Bruder Tolomeo macht als machtgieriger Gewalttäter und Lustmolch den übrigen Protagonisten das Leben zur Hölle. Matthias Rexroth nutzte den Umstand, ausgerechnet als Countertenor führender Bösewicht zu sein, als Alleinstellungmerkmal: Er warf seine physische Präsenz und sein starkes Brustregister in die Schlacht, halsbrecherische Stunts und Sforzati inbegriffen. Zu seinem rabiaten Auftreten bildete sein lichtvoll strahlender und stets prägnant geführter Alt einen bizarren Kontrast, der ihn als „unberechenbaren Irren“ erst richtig zum Glänzen brachte. Düstere Unterstützung bekam er von seinem Handlanger Achilla, der die Witwe Cornelia bedrängt. Bariton Simon Bailey holte das Maximale aus seiner Rolle, gab sich brachial bis glaubwürdig sentimental und tödlich gebrochen, nachdem er von seinem Herrn kaltblütig abgeknallt wurde.

Tanja Ariane Baumgartner sang die Cornelia mit einem dunkeltimbrierten, strömenden Alt, der wie goldener Regen klang. Trauer ist das Thema ihrer Rolle und sie setzte sie berückend und berührend klangschön um. Sopranistin Paula Murrihy feuerte als leidenschaftlicher Sesto makellose Koloratur-Arien zum Thema Rache, Verzweiflung und neue Hoffnung auf Gerechtigkeit ab. Ihre mädchenhafte Erscheinung machte den Sesto zu einer Figur, die an ihren eigenen Idealen zu zerbrechen droht. Kleine und perfekt besetzte Auftritte hatten Countertenor Dmitry Egorov, der als Cleopatras Diener Nireno Brille und absurde Kostümierungen mit Würde und sichtlichem Spaß trug, sowie Sebastian Geyer als Curio.

Barockoper vom Feinsten, insgesamt sehr erfolgreich ins Heute geholt. Allerdings mit ein paar unverblümten Gewaltszenen nichts für Kinder und zarte Gemüter.



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