Ein Teehaus der besonderen Art – von Ai Weiwei
Das ist das Haus vom Nikolaus.
Oder doch nicht? Ai Weiweis „Teehaus“ bestehend aus 3600 Kilo gepresstem Pu-Erh-Tee, gilt als eines der Hauptwerke des Künstlers. Es wird eher unpolitisch eingestuft. Kein Wunder, so friedlich und nett wie es aussieht. Die 378 Quader und 54 Prismen, aus denen es gebaut ist, nehmen sich wie vergrößerte Bauklötzchen aus, liebevoll arrangiert auf gestreuseltem Untergrund des gleichen Materials.
Edel, es könnte auch Mahagoniholz sein. Allerdings nur auf den ersten Blick. Die geschwungene Struktur aus Brauntönen und dunklen Maserungen rührt von den abertausenden Blättchen her. Jeder einzelne der neun Kilo schweren Klötze strahlt gebündelte Kraft aus. Unbeschreiblich der Duft: Erdig, krautig, holzig, frisch. Der aufwendige, mehrjährige Fermentationsprozess, in dem der Pu-Erh traditionell gereift wird, schwingt darin nach.
Das Teehaus ist Scherz und Gedankengebäude in einem, denn als Haus ist es völlig sinnlos und kann nicht betreten werden. Nicht ohne dadaistischen Humor benutzt der Künstler hier Mittel der Moderne, um seine Botschaft zu formulieren.
Materie, die zum essenziellsten der chinesischen Kultur gehört, wurde in eine westliche Form gepresst. Ist das Teehaus damit Sinnbild des Kommunismus, einer im Westen entstandenen Idee, die Menschen als Masse von beliebiger Formbarkeit und Verfügbarkeit betrachtet? Wer einmal Pu-Erh zubereitet hat, weiß, dass sich dieses krümelig geknüllte Etwas in der Kanne zu bemerkenswert großen Blättern entfaltet. Was, wenn diese zahllosen Blätter sich entfalten würden? Was, wenn das chinesische Volk beginnen würde, sich geistig zu entfalten?
Etwas wackelig, da nicht im Verbund geschichtet, musste das Teehaus an seinem jetzigen Standort, dem Berliner Museum für asiatische Kunst, schon zweimal vom Kurator zurechtgerückt werden, damit es nicht das gleiche Schicksal ereilt wie Ai Weiweis Skulptur „Template“, die 2007 auf der Documenta einstürzte.
Bis zum 12. Januar 2012 steht das Teehaus als Dauerleihgabe in direkter Nachbarschaft zu einem Thronensemble der Qin-Dynastie. Paravent und Kaiserthron aus Palisanderholz sehen ähnlich dunkelbraun aus und mit ihren geheimnisvoll glitzernden Perlmutteinlagen und goldenen Miniaturblümchen verbindet sie mit Ai Weiweis moderner Äußerung eine immense Kleinteiligkeit, die sich im Gesamten verbirgt.
Ai Weiwei selbst hat sich – vermutlich als Teil seines Konzeptes – nie zum Teehaus geäußert. Das heizt Spekulationen zusätzlich an, etwa, ob es eine Anspielung auf den überhitzten chinesischen Immobilienmarkt darstellen könnte.
Eines ist augenfällig, es geht um Potenzial, das nach Entfaltung strebt.
Bis zum 2. Mai 2011 ist in der Londoner Kunsthalle Tate Modern Ai Weiweis Installation „Sunflower Seeds“ aus 100 Millionen handgefertigten Sonnenblumenkernen aus Pozellan zu sehen. Diese sind dort als graue, zehn Zentimeter hohe Masse auf dem Boden ausgeschüttet. Beim Aufbau trampelte der Künstler sogar selbst darauf herum. Auch ihr Daseinszustand könnte sich – zumindest imaginär – verändern. Sie könnten erblühen.
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