Die Romantik lebt

Brauchen wir wirklich noch eine Version von Jane Ayre? Oder kann diese Neuverfilmung der Liebesgeschichte" Jane Eyre" frischen Wind in eine klassische Novelle bringen?
Titelbild
Ein ungern gesehenes Paar: Michael Fassbender als Mr. Rochester und Mia Wasikowska (Alice im Wunderland) als Jane Eyre. Das Liebesdrama "Jane Eyre" läuft bereits in der Schweiz auf der Leinwand, in Deutschland ab Dezember.Foto: Laurie Sparham/2011 Universal Studios
Von 9. September 2011

„Wie lautet deine Leidensgeschichte?“ fragt Rochester die unterdrückte Jane Eyre. Diese Geschichte ist eine aufwendig produzierte, fesselnde und oftmals hinreißende Eneuerung einer alten, oft erzählten Geschichte, die sich frisch und lebhaft anfühlt.

Von ihrer rücksichtslosen Pflegerin Mrs. Reed (Sally Hawkins) getrennt, wird das unscheinbare Kind in ein Erziehungsheim geschickt, um ihr die Gehässigkeit aus der Seele zu treiben.

Nach den Prüfungen der Kindheit wird Jane (Mia Wasikowska) die Gouvernante im Heim des Lord Rochester, einem Mann mit „krankem Humor“ für den unsere Heldin eine Ablenkung von der „Sumpflandschaft seiner Gedanken“ wird. Die unerwartete Freude, wird aber durch ein dunkles Gespenst, das bedrohlich über dem Anwesen schwebt und ein ungelüftetes Geheimnis, gefährdet.

Alles an Jane Eyre erinnert geradezu an Klassik: Vom Wert der Produktion, bis zu den Leistungen der verschiedenen Schauspieler und deren unterschiedlichen Ausmaß an Erfahrung.

Der Regisseur Cary Fukunaya muss bei einer solchen Anhäufung an Vortrefflichkeit nicht viel Anleitung geben. Das gibt ihm aber in einigen Momenten die Möglichkeit in der Gestaltung des Films ein paar unvergessliche Spuren zu hinterlassen. Die Szenen, in denen Jane alleine ist und in denen sie das Gelände durchwandert, sind in ihrer Bandbreite sphärischer Stimmungen besonders beeindruckend. Lang andauernde Aufnahmen, die mit Flecken von Sonnenlicht besprenkelt, oder in graue Farben getaucht sind, werden alle von Wasikowskas unaufdringlichem Schauspiel vervollständigt.

An diesem Wendepunkt kann sie in den ausgedehnten Zeiträumen der Stille genauso viel sagen, wie es andere mit ausgedehnten Dialogen tun. Sie spielt wirklich brillant.

Das heißt nicht, dass der Film in den Szenen mit Dialogen nicht gut funktionieren würde. Denn diese sind zu keiner Zeit theatralisch und in den besten Szenen sogar exquisit. Die schönsten Szenen sind die, in der Fassbender und Wasikowska mit Spannung geladene Sätze austauschen die zwar poetisch aber nie protzig wirken: „Mein Herz ist weh und meine Seele welk.“

Beide sind exemplarisch in ihrer Darstellung einer Beziehung, die durch den Klassenunterschied verhindert wird. Die Unterhaltungen am Kamin sprühen vor Chemie, und die Diskussionen über die Bezahlung geben der ansonsten so verdrießlichen Geschichte die benötigte Leichtigkeit. Sie machen ihre Arbeit so gut, das man gar nicht bemerkt, dass Judy Dench in ihrer Szene das Beste aus dem Film „How Very French“ übernimmt, wohingegen Jamie Bell seine bislang erwachsenste Erwachsenen-Szene liefert.

Jedem, dem der ursprüngliche Text von Jane Eyre unbekannt ist (wie er mir peinlicherweise war) kann in übernatürlich suggestiven Elementen der Handlung schwelgen, die eine Nuance des Horrors in die sowieso schon dramatischen Atmosphäre bringen.

Das Tempo des Films nimmt gegen Ende ab und der Schwung geht nachdem die Verwirrungen aufgelöst und die vorhersehbaren Teile des Films zueinander finden verloren. Aber selbst dann bleibt  „Jane Eyre“ fesselnd. Es ist wirklich eine „seltene überirdische Sache“ die unerwartet lohnend ist.

 

Empfehlung: 4 von 5 Sternen

 

 



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