Die preußische Königin „Vom Volk geliebt, verehrt, bewundert“

Welch sonderbare Blüten der Kult um die preußische Königin Luise trieb, zeigt die Ausstellung „Luise. Leben und Mythos der Königin” auf Schloss Charlottenburg in Berlin.
Titelbild
Foto: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten
Von 27. April 2010

Als Frau von bezaubernder Schönheit beschrieben sie ihre Zeitgenossen: Die Verehrung, die der jung verstorbenen Luise von Mecklenburg-Strelitz zu Lebzeiten entgegengebracht wurde, steigerte sich nach ihrem Tod ins Irrationale. Zu ihrem 200. Todestag hat die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten eine Ausstellung mit 350 Exponaten über Leben und mediales Nach-Leben der Königin zusammengetragen, die noch bis zum 30. Mai als Teil der Veranstaltungsreihe „Miss Preußen 2010″ im Schloß Charlottenburg in Berlin zu sehen ist.

Die Ausstellungsmacher vergleichen das Phänomen der Luisen-Verehrung mit politischen Frauen-Mythen unserer Tage. Dabei handelt es sich aber um eine sehr deutsche Erscheinung, denn gerade das politische Klima des 19. Jahrhunderts, die Kriege mit Frankreich, Kaiserreich und Imperialismus, führten dazu, dass Luise zur Kultfigur wurde und die Identifikation der Bevölkerung mit der geliebten Königin so stark ausgenutzt wurde.

Die junge Schöne

Nur zwei Räume zeigen originale Zeugnisse aus Luises Leben und bilden den sympathischsten Teil der Ausstellung, bestehend aus Gegenständen wie ihrem Trauring, der einer sehr zierlichen Person gehört haben muss, einer Sammlung von Briefsiegeln, die bezeugt, wie gern sie schrieb, eine unfertige Stickerei, die beweist, dass die von der Nachwelt Verklärte ganz gewöhnliche Hobbys hatte.

Die Porträts von Luise und ihren Angehörigen stammen von berühmten bis unbekannteren Künstlern. So manchem von ihnen fehlt die künstlerische Perfektion, dafür machen sie die Warmherzigkeit ihres Umfeldes erfahrbar, denn hinter ihnen steckt noch nicht der berechnende Geist, in dem spätere Luisen-Darstellungen gefertigt wurden.

Mit der Büste, die Johann Gottfried Schadow zur Vorbereitung seiner „Prinzessinnengruppe“ (1795) schuf, entstand ein Markenzeichen der Königin. Einen dünnen Schal ums Kinn gebunden saß Luise für Schadow Modell, um eine Schwellung am Hals zu kaschieren. Diese Kinnbinde, obwohl modisches Accessoire ihrer Epoche, erinnert etwas an Heiligenbilder und betonte genau das Unschuldige und Sanfte ihrer Gesichtszüge.

Eine Pastellzeichnung von Elisabeth Vigeé-Lebrun 1801 zeigt eine selbstbewusste Frau, der sinnliche Löckchen aus der Frisur fliegen. Ähnlich offenherzig und lieblich lächelt Luise auf Rudolph Grassis idealisiertem Gemälde (1802), gefertigt nach Schadows Büste und nun Werbemotiv der Ausstellung.

Gepriesenes Familienglück

Ihre Ehe, aus der zehn Kinder hervorgingen, wurde von der bürgerlichen Öffentlichkeit als Ideal romantischer Liebe gesehen: Ein Gemälde von Friedrich Georg Weitsch (1799), zeigt Luise mit ihrem Mann Friedrich Wilhelm III. im Garten von Schloß Charlottenburg in privater Pose, Hand in Hand. Es gab sogar Schnupftabaksdosen und Fächer, die das junge Paar mit Kindern abbildeten.  
Auf zwei Kaffee-Tassen der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin (um 1800) sah man die beiden als Schattenriss. Über Luise las man in der Untertasse : „Die Liebe kan nur Segen prophezeihen, vom Volk geliebt, verehrt, bewundert wird einst noch spät ein künftiges Jahrhundert sich ihrer Enkel freuen.“

Doch wer hätte gedacht, dass die Enkel einst ihre Person über jeden Realitätsbezug strapazieren würden, wie Kaiser Wilhelm II., der behauptete, Luise sei „die Verkörperung aller Tugenden der echten deutschen Frau“ gewesen. Vermutlich meinte er damit nicht die lebenslustige Königin, die Unsummen für Mode ausgab, gerne tanzte, feierte und bis Mittags schlief.

Gemälde von Luise der französischen Malerin Marie Louise Vigee-Lebrun.Gemälde von Luise der französischen Malerin Marie Louise Vigee-Lebrun.Foto: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten

Politik und Kunst erschaffen den Mythos

Besonders wurde Luises Beliebtheit ausgenutzt, um Feindschaft gegen Frankreich zu schüren. Man machte die Franzosen für den „Mord an Luise“ verantwortlich, denn die schreckliche Lage, in die ihr Volk von Napoleon gebracht worden war, habe ihr „das Herz gebrochen“ und ihren frühen Tod verschuldet. Als das Schicksal wollte, dass außgerechnet Luises Sohn Wilhelm Frankreich besiegte und die deutschen Staaten zum Kaiserreich vereinte, war die „Rache für Luise“ perfekt und der Kult um Luise als Mutter der Nation erfuhr einen weiteren Aufschwung. Im Sinne der Politik wurde ihre Lebensgeschichte ausgedeutet. Der Mythos von Luise verselbständigte sich.

Luise und Napoleon

Das einst unbedeutende, weil ergebnislose Treffen mit Napoleon wurde im Kaisserreich zu Luises Heldentat schlechthin. Luise hatte 1807 versucht, als Frau und Mutter Napoleon zu milderen Friedensbedingungen für das geschlagene Preußen zu bewegen, – erfolglos.
Während zeitgenössische Darstellungen die Begegnung Luises mit Napoleon wertfrei dokumentierten, machten sie die Künstler des Kaiserreichs zum Drama.

Ein Gemälde Rudolph Eichstätts von 1895, lässt sich thematisch mit „Unschuldsengel trifft Unterdrücker“ zusammenfassen. Akkurat wird das Zimmer der Begegnung in Tilsit wiedergegeben, hoch suggestiv, jedoch Darstellung der Beteiligen:

Einer demütig bittenden, sehr tiefdecolletierte Luise in weiß steht ein dreifach bewaffneter Napoleon mit Reitgerte, Degen und Sporen  an den Stiefeln gegenüber. Optisch ist Luise höher im Bild angeordnet – klar, dass sie die moralische Siegerin ist.

Daneben ebenso unmissverständlich: Eine Gipsplastik, die als Denkmalsentwurf nie zur Ausführung gelangte: Hier zeigt eine monumentale Luise dem zwergenhaften Napoleon hochnäsig die kalte Schulter.

Ein Mangel an Respekt

Die Ausstellung ist als Gesamtschau zum Luisen-Mythos beeindruckend, doch hätten ein Weniger an plakativen Slogans dem Thema gut getan. Es wäre interessant gewesen, mehr über die eigentliche Luise zu erfahren, die man am Ende ganz aus den Augen verloren zu haben glaubt. Der Wunsch, Geschichtsbewusstein zu wecken tritt leider in den Hintergrund zu Gunsten des Erlebnis-Faktors, den Luise und ihr kontroverser Nachruhm dem Besucher zu bieten versprechen. Wenn man die poppige Präsentation betrachtet und dazu Luises Lächeln als Kühlschrankmagnet, dann beschleicht einen der Verdacht, dass die alte „Phrasenhaftigkeit ihrer Verherrlicher“ (wie Theodor Fontane sie nannte), ihre moderne Fortsetzung gefunden hat …

Foto: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten

 



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