Deutsche Oper Berlin: Harms und Ensemble gefeiert für Richard Strauss
Am Sonntag hatte an der Deutschen Oper Berlin „Die Liebe der Danae“ von Richard Strauss Premiere. Als Sensation an sich ausreichend.
So selten wird das Werk gespielt, dass die Chronik der szenischen und konzertanten Aufführungen auf zwei Seiten im Programmheft passt.
Die Oper strotzt vor Anspielungen auf die gesellschaftliche Situation Deutschlands 1944, die durch Hitler und den Krieg ruiniert war. Gleichzeitig ist es autobiografische Reflektion des Komponisten und scheint in Stil, Text und Figuren, Wagners musikalischem Kosmos entsprungen. Hörbare Parallelen gibt es von Göttervater Wotan zu Jupiter, von den Rheintöchtern zu dessen Exgeliebten. Und dann ist da noch Danae, die all-liebende Frau.
Mystisch, überraschend und vielschichtig ist Strauss’ „Heitere Mythologie in drei Akten“. Der scheidenden Intendantin Kirsten Harms glückte mit ihrer letzten Inszenierung ein Wurf, der das Zeug zum Publikumsliebling hat.
Gold, das alle wollen
Gold ist nicht alles im Leben, erfährt man am Schluss, aber wofür steht das Gold in der Oper? Materie oder Licht, Erfahrung des Göttlichen gar? Gleich zu Anfang fällt der orchestrale Goldregen auf Danae herab und läutet mit seinem Licht eine musikalische Reise zwischen Himmel und Erde ein, die den ganzen Abend dank großartiger Protagonisten bezaubern sollte.
Geld ist das, was Menschen befriedigt, worum sie streiten, und was der schönen Welt schon immer geholfen hat, wie Merkur, der Schlaue, weiß. Doch König Pollux hat keines mehr. Ein reicher Bräutigam für seine Tochter soll dem Staatsbankrott Abhilfe schaffen. Niemand ahnt, dass sich hinter Midas, dem Goldzauberer, Jupiter höchstselbst verbirgt, der die Eroberung der keuschen Schönheit plant.
Ein Klavier steht Kopf
Sicher gab es eine Identifikation von Strauss mit dem alternden Jupiter. Der Komponist ging auf Rückzug in einer Welt, zu der er nicht mehr passte. Dadurch kam Harms wohl auf die Idee, den Goldregen mit Strauss inspirierter Musik gleichzusetzten und eine szenische Linie zu dessen künstlerischem Weltabschied zu ziehen. Das erschloss sich nicht sofort, störte aber nicht.
Ein schwarzer Konzertflügel, der verkehrt herum über der Szene hängt, wird zur einzigen surrealen Zutat der Inszenierung. Ein bisschen Damokles-Schwert birgt er Bedrohung, doch ebenso schwer zu leugnende Poesie. Als Danae vom goldenen Regen träumt, wird mit bläulichem Licht Nachtstimmung beschworen, und es regnet Papierbögen. Sie kommt im weißen Feengewand hereingeschwebt und sammelt die fallenden Notenblätter auf.
Am Schluss, wenn Danae in selbstloser Dankbarkeit dem scheidenden Jupiter ihr allerletztes Gold, eine Haarspange schenkt, übergibt sie ihm stattdessen den Stapel Noten, den sie wie einen Schatz gehütet hat. Eine unerklärliche Rührung wirkt, denn man bemerkt die Verehrung der Regisseurin für Strauss’ Genie.
Die Tiefe des Stückes und die Vielzahl seiner Bedeutungsschichten machen Witz und Selbstironie, eine echte Liebesgeschichte und viel Lebensweisheit aus. Um höchstes Glück zu empfangen, muss man zu absolutem Verzicht bereit sein, lautet die Botschaft. Dazu kommt die Schwierigkeit, Sein und Schein zu unterscheiden.
Palast und graue Trümmer
Die Bildsprache war so schlicht wie wirkungsvoll. Bernd Damovsky gestaltete einen grauen Raum von großer Wandelungsfähigkeit im ersten Teil und für den zweiten Teil eine offene Trümmerlandschaft. Berühmte Gemälde von Jupiters Affairen, (später auch Klimts Danae) durften als Palastinventar mitspielen. Höhepunkte wurden erreicht, wenn sich die Wände in Gold verwandeln, Danae von Midas den Kuss empfängt, der sie erstarren lässt, oder Jupiter in donnerndem Zorn Nebel und Pyroeffekte abschießt. Die Bühnentechnik zeigte perfekte Timings, fließende Lichtregie (Manfred Voss) untermalte die Mär.
Dorothea Katzers fantastische Kostüme polarisierten die Darsteller in Schwarz oder Weiß. Federn und Pailletten machten sie leicht, glamourös und märchenhaft. Es gelang eine magische Konzentration auf das goldene Kleid, das Midas, der sich als Chrysopher vorstellt, für Danae aus einem grauen Karton zaubert.
Ein Traumpaar
Manuela Uhl, als Danae eine schneewittchenhafte Schönheit mit schwarzen Haaren, war der Star des Abends. Mit natürlicher Kraft, ohne Anstrengung oder Allüren, gestaltete sie ihre Partie wunderbar lyrisch. Die Leuchtkraft und Schönheit ihrer Spitzentöne und hochgelegenen Passagen trafen genau die Reinheit, die sich Strauss für Danae gewünscht haben muss. Uhl sang sie wirklich liebevoll, vom ersten bis zum letzten Ton.
Danae muss sich zwischen der launigen Leidenschaft Jupiters und der ehrlichen Liebe eines Erdenmenschen entscheiden – und entscheidet sich richtig.
Tenor Matthias Klink als Midas überzeugte vom ersten Moment an. Kein lauter Draufgänger, ein einfühlsamer Typ mit hellem, unaufdringlichem, aber expressivem Heldentenor. Für Uhl war er ein idealer Partner. Beide profitierten auch von dem Effekt, dass die Oper den wenigsten Zuschauern bekannt war, und man ihre Bühnenliebe in aller Frische und Unschuld erleben konnte.
Glänzendes Ensemble
Dass alle im Ensemble schauspielerisch intensiv präsent waren, sorgte für spannendes Spiel. Kirsten Harms ließ wohldosiert mit klassischen Gesten agieren, was der Musik diente.
Charaktertenor Burkhard Ulrich, als gealterter König Pollux, musste hergeben, um gegen die Chorherren als Heer seiner Gläubiger anzukommen, doch es gelang ihm. Prominent waren die Vier Könige besetzt mit Paul Kaufmann, Clemens Bieber, Nathan De’Shon Myers und Hyung-Wook Lee. Hulkar Sabirova sang Xanthe, Danaes Dienerin, mit einer Klangschönheit, die Manuela Uhl in nichts nachstand – welch wunderbares Sopran-Duo.
Mark Delavan gab Jupiter wotanige Gewalt, Selbstherrlichkeit und Humor. Sein hoher Bass, klang elegant, stählern und eher anthrazithfarben als schwarz. Ein stimmlich nicht zu schweres Gegengewicht zu Uhls sternenklarer Danae, sah er im goldenen Anzug erdrückend imposant aus.
Das Quartett seiner Affairen reichte vom sinnlich tiefgelegten Alt Ledas (Katarina Bradic) über die fülligen Mezzostimmen Europas (Martina Welschenbach) und Alkmenes (Julia Benzinger), und wurde gekrönt vom zwitschernden Koloratursopran der Semele (Hila Fahima). Ein Hörgenuss und Muss, gestylt als vierfältige Diven-Power.
Thomas Blondelle sang Merkurs Part detailverliebt. Realiter ausgestattet mit Schirm, Charme und Melone, spielte er den Götterboten zirzensisch heiter. Für die Exfreundinnen seines Chefs hatte er sogar Torte mitgebracht. Diese bringen sodann sehr plastisch zum Ausdruck, dass sie sich eigentlich nur in Jupiters Glanz gesonnt haben, aber menschlich an ihm uninteressiert sind. Achtlos stolpern sie über den einst Angebeteten oder pieken ihn mit Kuchengabeln.
Verstehen und Verzeihen
Die Geschichte berührt, weil jeder in ihr lernt, über sich selbst hinaus zu wachsen. Die Prinzessin beschämt den abgebrühten Gott, indem sie nicht auf seine Tricks hereinfällt. Midas, eigentlich ein armer Eselstreiber, überwindet seine Angst vor dem „allmächtigen“ Göttervater. Indem er Danae vor ihm warnt, gewinnt er ihr Herz.
Dieses Herz ist wiederum so groß, dass sie Jupiter dankt. Für das Erkennen, das ohne seine abenteuerlichen Machenschaften nie für sie möglich gewesen wäre, und für die wahre Liebe, die sie durch Midas erfährt. Eben noch unverbesserlich stolz, ist Jupiter gerührt. Er lernt von Danae zu verzichten und zu verzeihen. Der Dialog zwischen Manuela Uhl und dem schließlich sensiblen Mark Delavan atmete Intimität und Spiritualität
Grandios: Chor und Orchester
Der Chor der Deutschen Oper unter der Leitung von William Spaulding leistete Erstklassiges. Die Männer gestalteten mit großer Agilität und Präzision die Anfangsszene, als bassig hallendes Fundament des Dramas. Sodann liefen die Damen zum Superlativ des sopranistischen Glanzes auf, zu dem Strauss alle Sängerinnen in der Danae anspornt. Die Massenszenen waren mitreißend und intelligent choreographiert.
Andrew Litton dirigierte Strauss` strahlkräftige Musik. Stringent gelangen ihm die vielen Stimmungswechsel zwischen schweren Schmelzklängen und kammermusikalischen Momenten. Transparent und bruchlos flossen die vielen Soli im Orchester ein, ob gefühlvoll satte Violinen, sonnige Hörner oder Arpeggien blubbernde Bassklarinetten. Die Percussionisten ließen den Klangrausch akustisch glitzern und man merkte, mit wie viel Enthusiasmus das vernachlässigte Meisterwerk musiziert wurde. Dementsprechend groß war der Jubel für Dirigent und Orchester. Das Publikum war begeistert und honorierte Haupt- und Nebendarsteller mit Bravorufen. Auch dem Regieteam um Kirsten Harms galten ungetrübter Applaus und etliche Bravos.
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