Das passiert, wenn Facebook-Freunde Hip-Hop machen

Zwei Musiker lernen sich auf Facebook kennen und produzieren gemeinsam ein Album – ohne sich je getroffen zu haben und nur per E-Mail. Das Ergebnis? Astreiner Hip-Hop mit brisanter Botschaft.
Titelbild
Der Rapper Rise-Ascend aus Washington D.C. und sein Produzent Direction aus Kalmar haben sich noch nie getroffen. Letzte Woche brachten sie ihr Album „Hurry Up, Tell The World!“ heraus.Foto: Rise Ascend/Direction
Von 18. September 2011

Der Rapper „Rise-Ascend“, 33,  lebt nahe Washington D.C., USA. Vor wenigen Monaten erreichte ihn die Facebook-Mail des Komponisten „Direction“ aus Kalmar, Schweden. Darin schrieb er ihm „Find‘ ich toll, was du da machst …“

Rise-Ascend heißt im bürgerlichen Leben Jamil Lawrence, ist verheiratet, zweifacher Vater und arbeitet in einer IT-Firma. Hip-Hop begleitet ihn seit seiner Highschool-Zeit. Direction heißt eigentlich Kristian Karlgren. Der 24-jährige Sohn eines freischaffenden Blues und Rocksaxophonisten wuchs als musikalisches Multitalent auf und ist als Fitnesstrainer in Spanien unterwegs.

Alles per E-Mail wegen der Zeitverschiebung

Außer ihrer Liebe zum Hip-Hop haben die beiden noch ein großes gemeinsames Thema. Beide praktizieren Falun Dafa, ein buddhistisches Qigong, das bekannt wurde unter dem Namen „Falun Gong“ und seit 1999 von Chinas kommunistischem Regime als „Staatsfeind“ verfolgt wird. Im internationalen friedlichen Protest gegen diese Verfolgungskampagne gab es viele Lieder. Die meisten Musiker, die Falun Gong praktizieren, bevorzugen jedoch sanfte und meditative oder eben chinesische Töne.

„Hurry Up, Tell The World!“ wurde am 14. September 2011 veröffentlicht. Das Album kann im Internet kostenlos angehört und heruntergeladen werden auf www.musictostopthepersecution.org.„Hurry Up, Tell The World!“ wurde am 14. September 2011 veröffentlicht. Das Album kann im Internet kostenlos angehört und heruntergeladen werden auf www.musictostopthepersecution.org.

Diese beiden Kreativen aber wollten etwas, das in dieser Form noch nicht da war: Hip-Hop machen, um über die Situation in China aufzuklären. Dabei klagen einige Lieder in bester Hip-Hop-Manier mit offensiven Texten die Verbrechen des Regimes gegen die friedlichen Praktizierenden an. In anderen Songs setzen sie die Botschaft „Wahrhaftigkeit, Barmherzigkeit und Nachsicht“ auf ihre ganz persönliche Weise in Musik um. „Nachdem Direction mir etwas Soundmaterial zugeschickt hatte, wurde uns beiden schnell klar, dass wir zusammen ein sehr kraftvolles Album produzieren können. Eines, das Potenzial hat, richtig viele Menschen zu erreichen“, sagt Rise-Ascend. Und das ist ihnen wichtig, schließlich kursieren weltweit noch immer Vorurteile und Unwissenheit gegenüber der Meditationspraxis, die durch die Propaganda der Kommunistischen Partei Chinas seit 1999 gesät wurden.

Vierzehn Songs in zwei Monaten

Ihre Seelenverwandtschaft und den daraus resultierenden künstlerischen Dialog fanden beide nicht einmal ungewöhnlich: „Direction schickte mir Musik und wir diskutierten darüber per Mail. Nach ein paar Tagen war schon ein Lied fertig. Ganz ehrlich, weil wir uns so einig waren, wo wir mit dem Endergebnis hinwollten, fühlte sich das während der ganzen Produktion des Albums absolut normal an“, meint Rise-Ascend. Die 14 Songs von „Hurry Up, Tell The World!“ entstanden in der Rekordzeit von kaum zwei Monaten.

„Ich schreibe Songs, weil ich damit Menschen – innerhalb von drei bis fünf Minuten – auf eine sehr tiefgehende Art und Weise berühren und bewegen kann“, sagt der Rapper über seine eigene Intention. Und an seinem Produzenten lobt er: „Als Musiker hat Direction ein Gefühl für die verschiedensten Musikstile – auch wegen seines vielfältigen Hintergrundes. Es ist für einen Komponisten nicht so leicht, 14 Lieder zu schreiben, die sich alle unterschiedlich anhören …“ Doch die ständig wechselnden Instrumentierungen und Rhythmen, die Direction verwendete, machten es möglich und jedes Lied entwickelt seine eigene Atmosphäre.

100 Prozent authentisch

Dabei stellt er sich seine Lieder wie Filmszenen vor und komponiert dann die Musik zu seinen inneren Bildern, verrät der Komponist. Am Hip-Hop liebt er am meisten die ihm innewohnende Dramatik.

„Ich habe bei der Arbeit an diesem Album einfach versucht, 100 Prozent ich selbst zu sein. Und das Erstaunlichste war ja, dass Rise es auf Anhieb mochte. Unsere Zusammenarbeit war so fließend, dass kein Außenstehender hören kann, dass wir es über diese große räumliche Distanz gemacht haben.“

„Rise ist einer, der im positiven Sinne sehr genau weiß, was er will. Und er ist ein begnadeter Texter.“ Für ihn sei es eine unglaubliche Erfahrung gewesen, zu hören, was der Rapper mit seinen Stücken angestellt habe und wie er Text und Musik zu einer Einheit verschmolzen habe, meint Direction: „Ich hatte seinen Gesang dazu nicht mal gehört, bis er das ganze Album fertig geschrieben hatte und er mir seine Version davon schickte.“

Musik zum Download im Internet

Gemeinsam haben sie nun eine Non-Profit-Organisation als Plattform für ihre Musik gegründet, die „Music To Stop The Persecution“ heißt (auf Deutsch: Musik für ein Ende der Verfolgung). Die Website www.hiphopdx.com, eines der größten Hip-Hop-Magazine im Internet, präsentierte „Hurry Up, Tell The World!“ bereits eine Woche lang auf ihrer Titelseite. Nun wollen Rise-Ascend und Direction das Album bei über 300 Radiostationen und 200 Hip-Hop-Magazinen vorstellen. Das wird sie eine Weile beschäftigen. „Danach möchten wir noch mehr Musik machen und Kooperationen mit anderen Künstlern in Angriff nehmen“, meint Direction. Und natürlich möchten sie sich endlich auch persönlich treffen.

 



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