Christian Thielemann stellt vor: „Mein Leben mit Wagner”

Titelbild
Christian ThielemannFoto: C.H. Beck-Verlag
Von 13. Januar 2013

 

Gäbe es die Weltrangliste der Wagner-Dirigenten, stünde er darauf ganz weit oben: Christian Thielemann gilt als der große deutsche Wagner-Experte und dirigiert die Werke des Bayreuther Meisters seit über zwanzig Jahren mit internationalem Erfolg. Dass er auch die Top-Riege der Wagner-Erklärer anführen kann, beweist der Maestro mit dem Buch, das er zum Wagner-Jahr 2013 veröffentlicht hat. „Mein Leben mit Wagner” ist ein sehr erfrischendes Buch geworden, weil sich Thielemann darin sehr persönlich und keinesfalls glattgebügelt äußert.

Im Berliner Renaissancetheater veranstalteten Dussmann und der C.H. Beck-Verlag eine der raren Buchvorstellungen mit Christian Thielemann selbst. Zusammen mit Elke Heidenreich als Moderatorin erlebte man zwei Größen, die sich gegenseitig inspirierten und unterhaltsam beharkten („Wir sind eigentlich fast immer einer Meinung – außer beim Thema Operette!“). Etwas skeptisch in seinem Sessel versunken, machte Thielemann zunächst nicht den Eindruck, als ob er viel Lust zum Reden hätte, doch dann nahm er der wie immer rasanten Elke Heidenreich das Wort aus dem Mund. Als charismatischer Redner, hochkompetent und doch unprätentiös, mit Witz und einer Prise (Selbst)-Ironie plauderte er aus dem Nähkästchen des großen Dirigenten. Von da an lenkte die Moderatorin das Gespräch nur noch thematisch, denn der Funke sprang über und man hätte Thielemanns Erzählungen stundenlang zuhören können.

Und genau dieser unverstellte, alltägliche Ton und die sehr persönlichen Einblicke sind es, die auch das Buch so spannend machen. „Mein Leben mit Wagner” ist zu einer Mischung aus Autobiographie, Kunsterklärung und praktischem Erfahrungsbericht geworden, entstanden durch Gespräche mit der Kulturjournalistin Christine Lemke-Matwey.

Lesen Sie weiter auf Seite 2: Für Wagner-Kenner ist die Lektüre ein Muss

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Für Wagner-Kenner ist die Lektüre ein Muss, weil der Leser erfährt, wie der Alltag hinter den Kulissen der Aufführungen von Wagners monumentalen Werken aussieht. Hier wird mehr als eine Ahnung davon vermittelt, welche Kräfte personell, technisch und mental am Werk sein müssen, um sie überhaupt zu stemmen. Das flößt Respekt ein und bringt das abstrakte, feuilletonistisch gepflegte „Reden über Wagner“ wieder in einen praktischen Kontext, denn dieser Mann weiß wirklich, wovon er spricht.

Gleichzeitig erklärt der Maestro seinen Job, als ob er der normalste der Welt wäre – und holt genau an diesem Punkt die Laien ins Boot. Weil Thielemann uns den Bayreuther Orchestergraben nicht nur architektonisch erklärt, wie es viele getan haben, sondern als Musiker einen Erfahrungsbericht dazu liefert, der plastisch und nachvollziehbar ist, wirkt er selbst auf jene, die noch nie etwas von und aus „dem mythischen Abgrund“ gehört haben.

Auch ist es ein Verdienst des Buches, dass es auf sehr selbstverständliche Weise mit der braunen Bayreuther Vergangenheit und Wagners Antisemitismus umgeht, ohne sie zu umschiffen. Aber Achtung, dieses Buch ist auch sehr trocken! Thielemann schildert keine seelischen Vorgänge, sondern bringt Fakten und Ansichten. Er erzählt sehr persönlich, ohne jedoch zu privat zu werden.

Das macht sein Buch sehr ehrlich, ohne aufdringlich zu sein. Und im Schlusswort äußert er sich offen besorgt über den Qualitätsverfall in der Opernszene.

„Mein Leben mit Wagner“ kann man wegen seiner Opernführer-Passagen zu den Werken dringend allen Wissbegierigen empfehlen, wobei diese sich vielleicht andernorts mit den vielen erwähnten Namen von Künstlern und historischen Zusammenhängen schwer tun werden. Und der ausgewiesene Wagnerfreund wird beim Lesen nicht immer einer Meinung mit dem Autor sein. Aber das muss er auch nicht. Christian Thielemann sagt schließlich selbst über Wagner, dass er ihm lieber nicht persönlich begegnet wäre.

 

Cover: C.H. Beck-VerlagCover: C.H. Beck-Verlag

Christian Thielemann,

Meine Leben mit Wagner

319 Seiten, 19,95 Euro

C.H. Beck-Verlag

 



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