Göttliches Geschenk: Arbeit ist mehr als Schweiß und Schmerz

In seinem Werk „Georgica“ zeigt der römische Dichter Vergil, dass die Arbeit des Menschen zwar mühsam sein kann, aber auch ein göttliches Geschenk ist.
Früchte der Arbeit
Die Früchte der Arbeit sind ein göttliches Geschenk.Foto: iStock
Von 28. Februar 2024

Noch zutreffender als die Tatsache, dass der Mensch die Arbeit als unangenehm empfindet, ist der Umstand, dass die Arbeit ein großes Geschenk für uns ist. Das antike römische Lehrgedicht „Georgica“ von Vergil (70 bis 19 v. Chr.), bestehend aus vier Büchern, ringt mit diesem Paradoxon.

Die ersten Zeilen mögen wie eine willkürliche Aufzählung von Göttern, Gottheiten und unterschiedlichen landwirtschaftlichen Belangen wirken, doch in Wirklichkeit handelt es sich um eine Zusammenfassung dreier Themen, über die im Gedicht nachfolgend reflektiert wird: Arbeit als ein Geschenk, die mit Arbeit verbundene Mühsal und wie dieses Leid in gewisser Weise notwendig ist für höherstehende Gaben.

Vergil

Das Mosaik aus dem 3. Jahrhundert zeigt den römischen Dichter Vergil (Mitte). Links steht die Muse „Klio“ (Geschichte) und rechts steht die Muse „Melpomene“ (Tragödie). Foto: Gemeinfrei

Die ersten Zeilen der „Georgica“

„Was mit Gedeihen Saatfeld erfreut, und welches Gestirn uns
Pflügen das Land, o Mäcenas, und hoch an die Ulme den Weinstock
Fügen heißt, was Rindern an Pfleg‘, und welcherlei Wartung
Schafen gebührt, wie erfahrner Betrieb den wirtlichen Bienen,

Hiervon rede mein Lied. Ihr strahlenden Lichter des Weltalls,
Die ihr in gleitendem Zuge das Jahr umlenket am Himmel;
Liber und nährende Ceres, wofern, euch dankend, die Erde
Gegen den fruchtbaren Halm Chaonias Eichel vertauscht hat
Und mit erfundener Traub‘ acheloische Becher gewürzet;

Auch ihr, nähere Mächte der Landbewohner, o Faune
Hebet zugleich, ihr Faune, den Fuß, und dryadische Jungfrau’n;
Eure Geschenke besing‘ ich. O du, dem die Erde das erste
Brausende Roß ausrang, durchbebt vom gewaltigen Dreizack,
Komm, Neptunus; und Pfleger der Waldungen, dem dreihundert

Schneeige Stier‘ abweiden die fruchtbaren Büsche von Cea.
Selbst auch den heimischen Wald und Lycäus‘ Windungen lassend,
Pan, o Hüter der Schafe, wenn dir dein Mänalus wert ist,
Komm, tegäischer Gott, huldreich; und Minerva, des Ölbaums
Schöpferin; komm auch, Jüngling des hakigen Pfluges Erfinder;

Und in der Hand, Silvanus, die junge Zypress‘ aus der Wurzel.
Götter und Gottheiten alle, der Flur wohltätige Schirmer,
Die ihr neue Gewächs‘ ohn‘ jeglichen Samen erziehet
Und auf gesäete reichlich den himmlischen Regen herabgießt.“

Vergils „Georgica“ behandelt das Thema Arbeit

Erste Seite des vierten Buches von Vergils „Georgica“, eine Abschrift aus dem Jahr 1632. Foto: Gemeinfrei

Arbeit ist ein Geschenk

Das Gedicht beginnt mit einer Aufzählung grundlegender menschlicher Aufgaben: Ackerbau, Pflege von Obstbäumen und Weinstöcken, Vieh- und Bienenzucht. Während diese ersten Zeilen davon handeln, was die Menschen tun, folgt ein viel längerer Abschnitt, der beschreibt, was die Götter tun – und was die Menschen erhalten.

Es ist fast so, als ob Vergil sich beeilen würde, um zu diesem Punkt zu kommen. Da er weiß, dass selbst die Erwähnung von Arbeit oft auf Abneigung stößt, verfährt er nur deshalb so, um diese menschliche Haltung umgehend infrage stellen zu können und eine darüber hinausgehende Perspektive anzubieten.

Er spricht von den Kornfeldern, die das unmittelbare Ergebnis der harten Arbeit eines Landwirts sind. Ein paar Zeilen später dankt er Ceres, der römischen Göttin des Ackerbaus, dafür, dass sie den Menschen diese Ernte geschenkt hat. Man muss nicht an die römischen Götter glauben, um zu verstehen, worum es geht: Die Menschen machen keinen Mais, sie bauen ihn nur an. Der Mais selbst ist ein göttliches Geschenk. Interessanterweise ist die Arbeit des Maisanbaus daher auch ein Geschenk.

Das Gleiche gilt für den Wein. Die Pflege der Weinstöcke, das Keltern der Trauben und alle weiteren Arbeitsschritte der Weinherstellung sind Arbeit. Aber die Trauben und der Gärungsprozess sind nicht das Werk des Menschen, sondern ihm geschenkt, und das macht unsere Teilnahme an diesem Prozess zu einem Geschenk.

Was über diese Gaben und die Geber von Wein und Brot gesagt wird, lässt sich auch auf die anderen Götter und Göttinnen anwenden. Pferde, Schafe, Haine, die Fruchtbarkeit der Erde im Allgemeinen – all das sind Gaben für uns, stehen aber auch in unserer Verantwortung. Und die Verantwortung selbst ist ebenfalls Geschenk.

Gemälde zur Arbeit des Menschen

„Vorbereiten landwirtschaftlicher Werkzeuge“, ein Gemälde von Jerzy Siemiginowski-Eleuter (1660–1711). Es zeigt die in Vergils Lehrgedicht „Georgica“ beschriebene Arbeit der Menschen. Foto: Gemeinfrei

Arbeit ist leidvoll

Obwohl die Menschen für die Arbeit dankbar sein sollten, bleibt Vergil ein Realist. Schließlich kann man die Freude an der Arbeit nicht wirklich schätzen, wenn man nicht auch das Leid, das sie mit sich bringt, anerkennt. Die Arbeit in der Landwirtschaft erfordert Wachsamkeit und Sorge um all das, worin man so viel investiert hat – es ist „Sorgfalt“, „Anstrengung“ und „Pein“.

Später im Gedicht deutet Vergil an, dass ein Großteil dieses Leidens selbstverschuldet ist. Im Krieg zerstören die Menschen das Land, das sie zum Leben brauchen. Darüber hinaus werden nicht nur Kriege, sondern auch individuelles Fehlverhalten mit schmerzhafter Arbeit vergolten.

Ein gutes Beispiel dafür ist die Geschichte des Aristäus, die das Werk „Georgica“ abschließt. Aristäus ist ein mythischer Bauer und Imker und führt den Tod einer unschuldigen Frau herbei. Zur Strafe sterben seine Bienen, und er muss Wiedergutmachung leisten, indem er einen Teil seines Viehbestandes opfert.

Das Böse im Menschen ist jedoch keine vollständige Erklärung für den Schmerz der Arbeit – denn die Arbeit wäre in jedem Fall schmerzhaft. Auch wenn der Mensch sich abmühen muss, um die Früchte der Arbeit zu genießen, sind diese Früchte doch keine sichere Sache, sondern unterliegen den Risiken von Stürmen, Schädlingen und Dürre.

Noch im Mittelalter wurde Vergils Gedicht über die Arbeit gelehrt

Die Zeichnung von Master of Robert Gaguin (1485–1495) zeigt, den Geistlichen namens Servius (links), der den Inhalt des Gedichts „Georgica“ lehrt. Foto: Gemeinfrei

Schmerz, Geschenke und Dankbarkeit

Das Leben wäre so viel besser, wenn alles ein Geschenk wäre – nur Freude, nur Befriedigung. Vergil spricht dieses Thema in seiner Anrufung von Ceres und Liber, auch Bacchus genannt, den Gott des Weines an. Dabei beruft er sich auf den Mythos des Goldenen Zeitalters, indem sich einst die Menschen von Eicheln und Wasser – aus dem reinen griechischen Fluss Achelos – ernährten, ohne dass sie dafür arbeiten mussten.

Allerdings gab es auch kein Brot und keinen Wein. Es gab überhaupt keinen Anbau, und da es keinen Anbau gab, gab es auch keine Kultur. Die Menschen feierten keine Feste und genossen nicht einmal echte Mahlzeiten, die sie in Gemeinschaft verzehrten. Vergil deutet an, dass diese Situation nach göttlicher Hilfe schrie, und diese Hilfe kam in Form von Arbeit.

Höhere Gaben erfordern Schmerz. Wenn die Menschen sich nur von Eicheln und Wasser ernähren würden, hätten sie es leicht – aber sie könnten auch nicht die schöne, riskante und leidvolle Aufgabe angehen, Gemeinschaften zu bilden und zu erhalten.

Alles ist ein Geschenk, aber die menschliche Arbeit ermöglicht eine Teilhabe daran. Denn schließlich bereitet es eine größere und tiefere Freude, für diese Gaben zu arbeiten, als sie einfach nur zu empfangen.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „The Gift of Work“. (redaktionelle Bearbeitung kms)



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