Francesco Petrarca – Dichter, Denker, Liebender



Vor 720 Jahren wurde Francesco Petrarca geboren. Seine poetisch-philosophischen Gedanken berühren durch ihre zeitlose Tiefe und Schönheit auch heute.


Titelbild
Der Palast der Päpste und die Brücke von Avignon in Frankreich.Foto: nixki / iStock
Epoch Times14. Juli 2024

In der toskanischen Stadt Arezzo kommt am 20. Juli 1304 der Sohn des Notars Pietro di Parenzo, auch Petracco genannt, zur Welt.

Jahre später wird er als berühmter Dichter sogar den Namen seiner Familie poetisch umgestalten. Petracco wird so zu Petrarca, in dem die lateinischen Wörter „petrus“, für Fels, und „arx“, für Gipfelpunkt und Bogen, zu bildhaft kraftvoller Mehrdeutigkeit verschmelzen.

In Francescos Kindheit und Jugend bestimmt jedoch nicht die Poesie das Leben der Familie. Politische Machtkämpfe zwingen den Vater, einen Gefolgsmann des Papstes, früh ins Exil. Frau und Kinder begleiten ihn.

Exil in der Provence

Im Alter von sieben Jahren gelangt Francesco so ins südfranzösische Avignon, wo seit dem Jahr 1309 der französischstämmige Papst Clemens V. residiert. Im verworrenen Widerstreit verschiedener weltlicher Mächte und kirchlicher Interessen hatte er sich unter Schutz und Einfluss der französischen Krone gestellt.

Der berühmte Palast der Päpste in Avignon. Foto: Jean-Marc Rosier, CC BY-SA 3.0

Francesco Petraccos Lebensweg zielt währenddessen – ganz dem Vorbild des Vaters folgend – auf eine klassische juristische Laufbahn. Schon mit zwölf Jahren beginnt er im 100 Kilometer entfernten Montpellier mit dem Studium der Rechtswissenschaften. Mit 16 Jahren zieht es ihn an die juristische Fakultät des oberitalienischen Bologna. Erst weitere sechs Jahre später kehrt er nach Avignon zurück.

In all den Jahren des Studiums hat er sich innerlich immer weiter von der Jurisprudenz entfernt. Er schließt seine Studien nie ab und wendet sich vielmehr der Theologie zu.

Geistiger Wegbegleiter 
Augustinus

Besonders fasziniert Francesco das Wirken und Denken des Heiligen Augustinus, der fast 1.000 Jahre zuvor gelebt und gelehrt hatte – auch in Oberitalien. Dessen Schriften wählt Francesco als lebenslange geistliche Begleiter.

Früheste Darstellung des Heiligen Augustinus durch einen unbekannten Künstler, Fresco im Lateran, Capella Sancta Sanctorum, Rom. Foto, Public Domain

Gerade in einer Zeit eigener wegweisender Entscheidungen ist für den jungen Mann die bewegte Lebensgeschichte seines Vorbilds, dessen tiefgreifende moralische Läuterung und Bekehrung von besonders eindrucksvoller und nachhaltiger Bedeutung.

Francesco strebt nun die Weihen für den Dienst als Diakon an und zieht sich erstmals in die Einsamkeit der südfranzösischen Vaucluse zurück, einer malerischen Flusslandschaft, deren Name sich vom lateinischen Vallis Clausa, „geschlossenes Tal“, ableitet.

Wunderbare Abgeschiedenheit

„Kein Ort eignet sich besser für meine Studien“, schreibt Petrarca später. „Als Kind besuchte ich Vaucluse, als junger Mann kehrte ich zurück und dieses liebliche Tal wärmte mein Herz in seinem der Sonne ausgesetzten Schoß; als Mann verbrachte ich in Vaucluse angenehm meine besten Jahre und die glücklichsten Augenblicke meines Lebens.“

Wo sich einst Petrarcas Haus befand, steht heute, am Ufer der wasserreichen Sorgue, ein provenzalisches Gebäude, das Museum und Bibliothek zu Ehren Petrarcas beherbergt. Über ihm erhebt sich eine Burgruine aus dem 7. Jahrhundert, auf hohem steilen Felsen, an dessen Fuß wiederum die Sorgue in der unergründlichen Tiefe einer Quellengrotte entspringt.

Die größte Quelle Frankreichs. Quelle des Flusses Sorgue in Fontaine de Vaucluse. Am Ufer unterhalb einer Felswand kann man das kleine Museum erkennen, das heute an der Stelle von Petrarcas Haus steht. Foto: Holger Uwe Schmitt, CC BY-SA 4.0

Von Petrarca stammt nicht nur eine der ersten Beschreibungen dieser „Königin aller Quellen“, wie sie der Dichter nennt. Von seiner Hand stammt auch die älteste bekannte Zeichnung dieses einzigartigen Naturdenkmals.

Suche nach wahrer Schönheit

Mit wachen Augen betrachtet Petrarca zeitlebens die Welt um sich herum. Er sucht und erkennt Schönheit in all ihren Formen. In den niedergeschriebenen Gedanken des Augustinus, in der verloren geglaubten Korrespondenz Ciceros, die Petrarca bei philologischen Forschungen zu antiken Schriften wiederentdeckt.

Wie eine Naturgewalt erfasst ihn aber auch die Liebe.
 In Avignon beeindruckt ihn die Schönheit einer jungen Frau in so unerwartet überwältigender Weise, dass in den folgenden Jahren 366 Gedichte, die berühmten „Canzoniere“, entstehen.

Wohl wissend, dass seine Liebe unerwidert und unerfüllt bleiben muss, besingt er die engelsgleiche Erscheinung der verheirateten Frau und wird sie ihr Leben lang verehren.

„Laura […] erschien meinen Augen zum ersten Mal […] im Jahr des Herrn 1327, am sechsten Tag des Monats April, in der Kirche der heiligen Klara zu Avignon […]. Und in derselben Stadt, im gleichen Monat April, auch am sechsten Tag, zur gleichen Stunde, jedoch im Jahr 1348, ist dem Licht dieser Welt jenes Licht entzogen worden […]“, schreibt Petrarca Jahre später in liebender Erinnerung.

Darstellung einer jungen Frau, möglicherweise das Idealbild der Laura. Marmorbüste von Francesco Laurana, um 1490. Heute im Kunsthistorischen Museum Wien. Foto: Vassil, CC0

Gedichte tiefer Zuneigung

„Welch Ideal aus Engelsphantasie
Hat der Natur als Muster vorgeschwebet,
Als sie die Hüll‘ um einen Geist gewebet,
Den sie herab vom dritten Himmel lieh?
O Götterwerk! Mit welcher Harmonie
Hier Geist in Leib und Leib in Geist verschwebet!
An allem, was hienieden Schönes lebet,

Vernahm mein Sinn so reinen Einklang nie.“

So besingt Petrarca die verehrte Frau. Die „Canzoniere“, in denen sich Staunen, Liebe, Glück, Sehnsucht, Melancholie und Trauer vereinen, werden zum ikonischen Meisterwerk der italienischen Literatur.

Wie er die äußere und inneren Schönheit der Angebeteten in seiner Dichtung verewigt, so setzt er auch einem neuen Blick auf Landschaft und Natur ein bleibendes literarisches Denkmal.

Francesco Petrarca, Ausschnitt eines Freskos von Andrea di Bartolo di Bargilla, um 1450, Uffizien, Florenz. Foto: Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=143839

Blick in die Landschaft in Worte gefasst

In seinem auf den 26. April 1336 datierten Brief an den Augustinermönch, Bischof, Beichtvater und Freund Dionigi da Borgo San Sepolcro schildert er die Besteigung des Mont Ventoux in der Provence gemeinsam mit seinem Bruder Gherardo und schreibt dadurch zugleich abendländische Kulturgeschichte.

Nicht die Wanderung an sich ist bemerkenswert, obwohl sie – ganz unüblich für die Epoche – keinem praktischen Zweck unterworfen ist. Die beiden Brüder treibt nur die Suche nach dem Unbekannten an und am Gipfel angekommen, werden sie von einem wunderbaren Blick in die Weite der Landschaft belohnt.

Luftaufnahme des Mont Ventoux in der Provence. Foto: Mtcv, CC BY-SA 3.0

Das wirklich Wegweisende und Neue ist, wie Francesco Petrarca dieses Erlebnis in Worte fasst. 

Auf Latein schreibt er dem Freund: „Primum omnium spiritu quodam aeris insolito et spectaculo liberiore permotus, stupenti similis steti.“ „Zuerst stand ich, durch den ungewohnten Hauch der Luft und die freie Rundsicht bewegt, gleich einem Betäubten da.“

Und fährt wenig später fort: „Wie ich nun dies im Einzelnen bewunderte […], kam mir zu Sinn, das Buch der Bekenntnisse des Augustinus aufzuschlagen.“

Kulturgeschichtlicher Wendepunkt

Dies tut Petrarca in Anlehnung an das Bekehrungserlebnis, seines Vorbilds Augustinus, den die Stimme eines unsichtbaren Kindes fast 1.000 Jahre zuvor eindringlich aufgefordert hatte, die Bibel an beliebiger Stelle aufzuschlagen und zu lesen – mit tief bewegendem Ergebnis.

Petrarca selbst liest nun auf dem Gipfel des Mont Ventoux in den berühmten „Bekenntnissen“ des Augustinus folgende, zufällig aufgeschlagene Textstelle:

„Und es gehen die Menschen hin, zu bestaunen die Höhen der Berge, die ungeheuren Fluten des Meeres, die breit dahinfließenden Ströme, die Weite des Ozeans und die Bahnen der Gestirne und vergessen darüber sich selbst.“

Durch die Erkenntnis des Augustinus, dass die Größe der Schöpfung das Geschöpf auf den Schöpfer hinweist, erkennt Petrarca wiederum die Bedeutung der Offenheit des Menschen für das Geschenk der Schönheit.

Der Mensch, das begnadete Geschöpf

Petrarcas Naturerlebnis fällt mit dem Bewusstsein zusammen, dass nur der Mensch durch seine Gott gegebenen Talente zu dieser besonderen Wahrnehmung und Erkenntnis fähig ist.
 Der Dichter bricht so einer neuen Sicht auf die Landschaft Bahn, die sie vom gefahrvollen, ja fast feindlichen zum bewunderten Objekt der Betrachtung werden lässt.

In den Mittelpunkt der Weltgeschichte rückt damit – im Gegensatz zum Mittelalter – statt des Schöpfers immer mehr das von Gott begnadete Geschöpf, sein Sehen, Denken und seine Empfindungen.

Hochbetagt und hochgeehrt stirbt Franceso Petrarca vor 650 Jahren, einen Tag vor seinem 70. Geburtstag am 19. Juli 1374 in Arquà südwestlich von Padua.
 Das Haus, das er im schönen mittelalterlichen Ort bis zu seinem Tod in großer Zurückgezogenheit bewohnte, ist bis in unsere Zeit erhalten.

Das Haus Petrarcas in Arquà, das heute Arquà Petrarca heißt. Foto: DiegoBonacina1997, CC BY-SA 4.0

 



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