Ein Adler flog empor – Von Friedrich Theodor von Vischer

Aus der Reihe Epoch Times Poesie - Gedichte und Poesie für Liebhaber
Titelbild
Schon schwebt er über der schwarzen Wand im Blau, im strahlenden Äthermeer,..Foto: iStock

Ein Adler flog empor

Ein Adler flog empor

Hoch, höher, bis hinan, wo fürchterlich

Aus ew’gem Schnee

Die letzten, wildgezackten Alpenhörner ragen.

Da sah er hangen über sich

Ein zweites, schrecklicher gethürmtes

Gebirg von Wetterwolken,

Schwarz, dicht und breit und schwer, zum Bersten satt.

Es drohet Stürme, Güsse, Ströme, Stürze

Von Regen, Hagelkieseln, die das Haupt,

Die breiten Schwingen ihm zerschmettern,

An die Felsennadeln ihn spießen, oder halbzerfetzt

Zu Thal ihn schleudern werden.

Er sieht’s und schießt hindurch,

Steil, kerzengrad, dem Pfeile gleich,

Von straffer Sehne stracks emporgeschnellt.

Schon schwebt er über der schwarzen Wand

Im Blau, im strahlenden Äthermeer,

Er schaut der Sonn‘ ins blitzende Flammenauge,

Er schaut hinab und spricht: Nunc pluat!

Nun mag es regnen!

Friedrich Theodor von Vischer (1807 – 1887)

 



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