„Zusammenbruch der Scholz-Regierung“ und Vergleich mit 1933 – ausländische Medien über die Landtagswahlen

Die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen fanden in der ausländischen Presse weltweit sehr hohe Aufmerksamkeit. Viele Medien beschrieben in einer ersten Reaktion das Wahlergebnis, die komplizierte politische Parteienlandschaft in Deutschland und die möglichen Gründe für das starke Abschneiden der AfD und des Newcomers BSW.
Titelbild
Bundeskanzler Olaf Scholz beim Treffen des Bundeskabinetts am 28. August 2024. Die Umfragewerte sahen für die Ampelregierung bereits schlecht aus.Foto: Sean Gallup/Gettyimages
Von 3. September 2024

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Vor allem im englischsprachigen Raum sowie in Westeuropa wurde aber auch Sorge über die Zukunft Deutschlands ausgedrückt. Zudem wurde in zahlreichen englischen und amerikanischen Beiträgen auf eine mögliche Gefährdung der Fortsetzung der westlichen Unterstützung für die Ukraine hingewiesen.

Polen zieht Vergleich zu NSDAP 1933

Der Haupt-TV-Sender „Telewizja Polska“ (TVP) zeigte sich in mehreren Beiträgen nicht besorgt um mögliche Auswirkungen auf Polen. Vielmehr berichtete TVP, dass der Wahlausgang „die Deutschen beunruhigt“.

Vor allem der Kommentar von AfD-Chefin Alice Weidel, dass die AfD „ein historisches Ergebnis“ verbuchen könne, wurde vielfach wiederholt. Anders das Nachrichtenmagazin „Polityka“, das von einem „Erdbeben für die deutsche Politik“ sprach und die AfD als „Element der DDR-Exotik“ bezeichnete. Ausführlich befasste es sich aus polnischer Sicht in einem offenbar vorbereiteten Artikel mit den Hintergründen. Typisch für das katholisch geprägte Polen verwies das Magazin auf Aussagen des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, der vor den Wahlen Christen dazu aufgerufen hatte, nicht für die Alternative für Deutschland (AfD) und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) zu stimmen. „Die Appelle der Bischöfe halfen wenig – was nicht verwunderlich ist, denn die Mehrheit sind Atheisten“, stellte „Polityka“ fest.

Und dann zog das Blatt hinsichtlich des BSW als möglichen Regierungspartner der CDU einen kritischen Vergleich zwischen dem heutigen deutschen Wahlsystem und jenem von 1933 und stellt fest: Weil in Deutschland anders als im polnischen Sejm Parteien proportional zur Zahl der für sie abgegebenen Stimmen vertreten seien, würden Koalitionen nicht von Parteien gebildet werden, die die meisten Stimmen erhalten hätten, sondern von jenen, die am besten miteinander auskämen. „Genau das war der Erfolg Hitlers, dessen NSDAP nie eine eigenständige Mehrheit errang, sondern in Gestalt monarchistischer Nostalgiker aus der DNVP einen Koalitionspartner fand“, resümierte „Polityka“. Und weiter: „Die Bildung einer Mehrheitskoalition unter Beteiligung des BSW könnte ein erstes Warnsignal sein.“

Italien: „BSW und AfD Putins Außenposten“

Als „Putins Außenposten in der EU“ bezeichnete das italienische Leitmedium, „La Repubblica“ das BSW und die AfD gleichermaßen und glaubt: „Der Keim des Putinismus wächst auch in strukturierten Ländern mit einer soliden demokratischen Tradition. Die Ereignisse in Thüringen und Sachsen sind der jüngste Beweis dafür.“ Im gleichen Tenor titelte die konservative Zeitung „La Stampa“, in Deutschland würde „die extremen Rechten einen Höhenflug erleben“. Dies bedeute eine Unterstützung für Putin. „Jetzt blickt Europa auf eine Zukunft, in der die Freunde und Diener des Zaren inmitten von Trollen und Desinformation aufblühen.“

Spanien: Zusammenbruch in Deutschland?

Die spanische Zeitung „El Mundo“ befürchtet ein „Szenario des realen politischen Zusammenbruchs in dem Land, das traditionell an der Spitze der europäischen Wirtschaft steht“. Die ausländerfeindliche Diskussion im Rahmen der Zunahme extremistischer Straftaten von Migranten stelle „eine ernsthafte Bedrohung für das europäische Projekt dar“.

Frankreich: „Harte Strafe für Koalition“

„Das Abschneiden der extremen Rechten in Thüringen und Sachsen schwächt die Koalition von Olaf Scholz weiter“, titelte das französische Leitmedium „Le Monde“. Und stellte nüchtern fest, dass diese „harte Strafe für die drei Koalitionsparteien wenig überraschend gewesen“ sei. Der französische Auslandssender „Radio France Internationale“, der mit seiner hohen Reichweite in Afrika das dortige Europabild entscheidend mitprägt, benutzte ebenso wie viele andere Auslandsmedien die Metapher „Erdbeben“ für das Wahlergebnis und bezog sich dabei auf die Tatsache, „dass zum ersten Mal in der deutschen Nachkriegsgeschichte eine rechtsextreme Partei eine Landtagswahl gewinnt“.

Deutsche Welle: „Russlands beste Freunde in Deutschland“

Ein weiterer Auslandssender, die von deutschen Steuermitteln unterhaltene „Deutsche Welle“ (DW), gibt sich in ihrem englischsprachigen Dienst besonders stramm Anti-AfD und -BSW und betitelte beide als „Russlands beste Freunde in Deutschland“.

Die DW kann eine hohe Reichweite in Lateinamerika und in der arabischen Welt vorweisen und prägt somit das dortige Bild über die Bundesrepublik mit. „Beide Parteien haben enge Beziehungen zu Russland und lehnen eine Unterstützung der Ukraine ab“, erklärt die DW. Sahra Wagenknecht und ihre neu gegründete Partei BSW seien entschiedene Kritikerinnen jedes militärischen Engagements. Und für Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine mache sie die USA und die NATO verantwortlich.

Englische Welt: Weltweit ins Rampenlicht gerückt

Die britische Zeitung „The Guardian“ vermutet hinter dem Wahlergebnis einen Misserfolg der deutschen Wiedervereinigung: „Der Erfolg der rechtsextremen AfD zeigt, dass Ost- und Westdeutschland immer weiter auseinanderdriften.“ Die beiden Landtagswahlen offenbarten, „wie Ostwähler ihre eigene politische Identität durchsetzen“.

Die öffentlich-rechtliche „Australian Broadcasting Corporation“ (ABC) stellte mit einem ausführlichen Onlinebeitrag überrascht fest, dass „das wenig bekannte deutsche Bundesland Thüringen nach dem Wahlsieg einer rechtsextremen nationalistischen Partei ins weltweite Rampenlicht gerückt ist“. Dies sei erstmals in einem deutschen Bundesland „seit der Nazi-Herrschaft“ der Fall.

Für das amerikanische „Wall Street Journal“ (WSJ) ist „die Hauptgeschichte“ der deutschen Landtagswahlen „weniger der Aufstieg der extremen Rechten als vielmehr der Zusammenbruch der Regierungskoalition von Olaf Scholz“. Ähnlich wie ABC kommt das WSJ zu dem Schluss: „Landtagswahlen in Deutschland erregen außerhalb des größten Landes Europas selten große Aufmerksamkeit. Diesmal machen jedoch alle eine Ausnahme, denn die Ergebnisse der Parlamentsabstimmungen am Sonntag in Sachsen und Thüringen regen weiterhin einen Kontinent auf, der bereits über den Niedergang traditioneller Parteien und den Aufstieg der Aufständischen genervt ist.“

Die in New York ansässige Weltnachrichtenagentur „Associated Press“ lässt sich in einem langen Beitrag über die Hintergründe des Wahlergebnisses aus und hebt am Ende hervor: „Auch im Osten ist die Haltung Deutschlands zum russischen Krieg in der Ukraine ein heikles Thema. Berlin ist nach den USA der zweitgrößte Waffenlieferant der Ukraine; sowohl AfD als auch BSW sind gegen diese Waffenlieferungen. Wagenknecht hat auch die jüngste Entscheidung der deutschen Regierung und der USA attackiert, ab 2026 mit der Stationierung von Langstreckenraketen in Deutschland zu beginnen.“

Naher Osten: „Hetzerische Rhetorik gegen Einwanderer“

In Israel scheinen die deutschen Landtagswahlen kaum auf Resonanz zu stoßen. Das Land ist derzeit ausschließlich mit sich selbst und dem Gaza-Krieg beschäftigt. Zeitgleich zur Eröffnung des Wahlergebnisses in Deutschland protestierten in Tel Aviv 200.000 Israelis gegen die Regierung Benjamin Netanjahus. Dennoch wurde ein deskriptiver Bericht über Thüringen und Sachsen von der Nachrichtenagentur „Reuters“ zumindest in der „Jerusalem Post“ veröffentlicht. In der auflagenstarken Zeitung „Haaretz“ fand sich dazu kein Beitrag.

Anders in der arabischen Welt. Hier sei stellvertretend das Leitmedium „Al Jazeera“ zitiert. Es stellt die Frage: „Müssen wir ein Wiederaufleben der Rechtsextremen in Europa befürchten?“ Über die AfD: „Höcke ist für seine hetzerische Rhetorik gegen Einwanderer und den Islam bekannt und hat sich in den letzten Jahren zu einem der radikalsten und prominentesten Führer der AfD entwickelt.“ Zum Hintergrund erklärt „Al Jazeera“ beispielsweise: „Die Abstimmungen in Thüringen und Sachsen fanden etwas mehr als eine Woche nach dem Tod von drei Menschen bei einem Messerangriff statt, der eine erbitterte Debatte über die Einwanderung in Deutschland entfachte.“

Bezeichnenderweise nennen „Al Jazeera“ sowie die meisten arabischen Medien nie die Nationalitäten der Messerangreifer in Deutschland.

Über den Autor:

Tom Goeller ist Journalist, Amerikanist und Politologe. Als Korrespondent hat er in Washington, D.C., und in Berlin gearbeitet, unter anderem für die amerikanische Hauptstadtzeitung „The Washington Times“. Seit April 2024 schreibt er unter anderem für die Epoch Times.



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