Kardinal Woelki – Schwere Missbrauchs-Anschuldigungen gegen Orden in Niederbronn
Am Donnerstag erklärte Woelki gegenüber der „Kölnischen Rundschau“, man habe aufseiten der Kirche „Fehler gemacht“ und „Vertrauen verspielt“ bei der Aufarbeitung von Vorwürfen sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Zugleich bekräftigte der Kardinal seinen Aufklärungswillen. Er wolle erreichen, dass „die Betroffenen […] ein Stück Gerechtigkeit erfahren“.
Gegen ihn persönlich gerichtete Vorwürfe, er habe Missbrauchsvorwürfe gegen einen mittlerweile verstorbenen Priester vertuscht, wies Woelki erneut zurück.
Die linksgerichtete US-amerikanische Medienplattform „The Daily Beast“ will unterdessen an Auszüge jenes von Woelki in Auftrag gegebenen Gutachtens gelangt sein, dessen Veröffentlichung unter anderem daran scheiterte, dass Journalisten sich weigerten, eine Verschwiegenheitserklärung zu unterfertigen.
Schwere Anschuldigungen gegen Orden in Niederbronn
Besonders schwer wiegende Vorwürfe werden darin gegenüber dem Nonnenkloster Niederbronn in Speyer erhoben, in dessen Kinderheim es in der Zeit von 1963 bis 1972 zu systematischem sexuellem Missbrauch gekommen sein soll. Demzufolge sollen vorwiegend männliche Waisenkinder von dort aus gegen Geld an pädophile Priester oder Geschäftsleute mit entsprechenden Neigungen „vermietet“ worden sein. Speyer ist ein eigenes Bistum, das zur Kirchenprovinz Bamberg gehört. Ein Bezug zum Erzbistum Köln besteht nicht.
Bereits im Vorjahr hatte die „Deutsche Welle“ über die Vorwürfe berichtet, die Gegenstand einer Klage von 16 früheren Heimkindern sind, die behaupten, damals Opfer von Übergriffen geworden zu sein. Da der Menschenhandel für die Schwestern, die ihre Schützlinge häufig unter Drogen gesetzt haben sollen, lukrativer gewesen sei, hätten diese sich auch geweigert, die Kinder in Pflegefamilien abzugeben oder ihnen eine Adoption zu ermöglichen.
Der Orden selbst war bislang zu keiner Stellungnahme gegenüber „Daily Beast“ bereit. Die Details aus dem Bericht seien jedoch offenbar über Anwälte an unterschiedliche Presseorgane weitergereicht worden, nachdem die Veröffentlichung des Gutachtens an den Differenzen über die Verschwiegenheitserklärung scheiterte.
Von des Missbrauchs beschuldigten Klerikern mittlerweile 80 Prozent verstorben
Dem Bericht zufolge, der Gegenstand des Gutachtens sei, sollen 175 Personen, hauptsächlich Knaben im Alter zwischen acht und 14 Jahre, von den Missbrauchstaten betroffen gewesen sein. Der Hauptkläger, der heute 63-jährige Karl Haucke, warf Woelki Vertuschungsabsichten vor, nachdem dieser über das ursprüngliche Gutachten erklärt hatte, dieses sei „rechtlich nicht wasserdicht“ und bringe „untragbare Vorurteile“ gegen die Katholische Kirche zum Ausdruck, die durch mediale Skandalberichterstattung genährt würden.
Der Klage sei auch eine Umfrage unter 1.412 Personen beigefügt, die behaupten, in Pfarreien, Konventen oder Klöstern als Kinder oder Jugendliche missbraucht worden zu sein. Gegen mindestens 654 Mönche, Nonnen oder andere Ordensmitglieder wurden Vorwürfe erhoben. Etwa 80 Prozent der Betroffenen seien männlich. Allerdings seien auch 80 Prozent der beschuldigten Kleriker bereits verstorben und 37 der 654 Genannten hätten ihr Priestertum oder ihren Orden verlassen.
In mehreren Jahrzehnten, bevor in Berlin pädophile Strukturen in die staatliche Jugendfürsorge Einzug gehalten hatten, waren demnach solche anscheinend auch in Kirchen präsent.
Woelki fordert „handwerklich sauberes“ Gutachten
Am 18. März will Woelki ein neues Gutachten vorlegen, das sich mit Missbrauchsvorwürfen befasst, die zum Teil bis in die Nachkriegszeit zurückreichen. Bereits 2018 hatte das Erzbistum die Münchner Kanzlei Westphal Spilker Wastl mit einem Gutachten beauftragt. Vor einem Jahr wurde es fertiggestellt. Da Woelki in der Ausarbeitung jedoch methodische Mängel sowie Verstöße gegen Persönlichkeits- und Äußerungsrechte ausmachte, entschied er sich gegen eine Veröffentlichung, was auf Kritik stieß und Vertuschungsvorwürfe nach sich zog. Die Kanzlei weist die Vorwürfe von Woelki zurück und bot dem Erzbischof an das Gutachten zumindest auf der Seite der Kanzlei zu veröffentlichen – auf eigener Verantwortung und ohne rechtliche Konsequenzen für die Kirche. Doch auch dies lehnte Woelki anscheinend ab.
Nun ist der Kölner Strafrechtler Björn Gercke damit betraut, ein Gutachten zum Umgang mit Missbrauchsfällen zu erstellen. Woelki zufolge soll dieses „nicht der Endpunkt, sondern der Ausgangspunkt für weitere Aufklärung“ sein. Gerckes Expertise werde „handwerklich sauber“ sein und Woelkis Versprechen, Verantwortliche beim Namen zu nennen, einlösen.
Bereits im Januar hatte eine renommierte Anwaltskanzlei ein Gutachten im Auftrag des Erzbistums Berlin der Katholischen Kirche unter dem Titel „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich des Erzbistums Berlin seit 1946“ veröffentlicht.
Deutsche Bischofskonferenz beschloss 2018 Maßnahmenkatalog
Zu den am häufigsten gegen die Katholische Kirche erhobenen Vorwürfen im Zusammenhang mit Missbrauchsvorwürfen gehört unter anderem, dass diese Kleriker oder Ordenspersonen, deren Namen im Zusammenhang mit Anschuldigungen fielen, häufig nicht aus der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen entfernt hätten. In vielen Fällen habe man sich mit Versetzungen begnügt, zudem seien keine Informationen über Verdachtsmomente an staatliche Strafverfolgungsbehörden weitergereicht worden.
Im September 2018 hatte die Deutsche Bischofskonferenz die Studie „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ („MHG-Studie“) vorgestellt. Auf deren Grundlage hat die Institution bei ihrer Herbst-Vollversammlung 2018 in Fulda einen Maßnahmenkatalog beschlossen, der seither noch präzisiert und erweitert wurde.
Mehrere Diözesen haben mittlerweile ihre internen Richtlinien zum Umgang mit Klerikern verändert, die im Verdacht stehen, sexuelle Übergriffe begangen zu haben. So soll künftig sichergestellt werden, dass diese bis zu einer rechtskräftigen Entlastung nicht mehr mit Minderjährigen arbeiten.
Für die strafrechtliche Verfolgung sexuellen Missbrauchs sind jedoch staatliche Strafverfolgungsbehörden zuständig. Werden Anzeigen nach Ablauf der Verjährungsfrist erhoben oder sind die Beschuldigten verstorben, findet eine solche nicht statt.
Großteil der Vorwürfe wurde erst nach 2010 erhoben
In der MHG-Studie wurden deutschlandweit 1.670 Fälle von Kleriker genannt, die des sexuellen Missbrauchs beschuldigt wurden, hochgerechnet über die Jahre seit 1946 seien dies zwischen 4,4 und 5,1 Prozent aller Diözesan- und Ordenspriester.
Von den eingeleiteten staatlichen Ermittlungsverfahren wurden den Ergebnissen der Studie zufolge elf Gerichtsverfahren, in denen sich die Vorwürfe erhärten ließen, mit Urteilen oder Strafbefehlen abgeschlossen. Alle übrigen Ermittlungsverfahren wurden eingestellt; teilweise wegen Verfolgungsverjährung, teilweise weil die Beschuldigten bereits verstorben waren, und teilweise, weil sich der Tatverdacht nicht erhärtet habe. Ungeachtet der strafrechtlichen Verjährung hatte sich die Katholische Kirche in den meisten Fällen bereit erklärt, den mutmaßlichen Opfern eine Entschädigung zu bezahlen.
Dem Gutachten der Erzdiözese Berlin zufolge wurden die ersten Hinweise auf mutmaßliche Missbrauchsfälle nur in 29 Prozent der Fälle durch die möglichen Betroffenen selbst geäußert. In den übrigen Fällen hatten Dritte die Vorwürfe erhoben – von Gemeindemitgliedern oder Haushälterinnen bis zu Familienmitgliedern und anonymen Meldungslegern.
Die meisten Personen in diesem Gutachten, die behaupteten, selbst von Missbrauch durch Kleriker betroffen gewesen zu sein, sagten sie wurden ermutigt durch die mediale Berichterstattung nach Bekanntwerden der Missbrauchsvorwürfe am Berliner Canisius-Kolleg im Jahr 2010.
(Mit Material von AFP)
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