Milliardenbelastungen ohne Datengrundlage: Ampel kann Wärmepumpeneffekt nicht beziffern

Eine Unionsanfrage legt offen: Weder über den CO₂-Effekt noch über den Handwerkerbedarf oder die Fördersummen liegen der Ampel Details vor.
Titelbild
Hohe Kosten, unbekannter CO₂-Effekt: Das Symbolbild zeigt zwei Luft-Wärmepumpen an einer Hausfassade.Foto: iStock
Von 2. September 2023

Die Bundesregierung hat offenbar keine genaue Vorstellung davon, wie viel CO₂ mithilfe von Millionen Wärmepumpen überhaupt eingespart werden kann, die in den kommenden Jahren deutschlandweit eingebaut werden sollen. Das geht aus einer aktuellen Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion im Bundestag zum neuen „Gebäudeenergiegesetz“ (GEG, Volksmund: „Heizungsgesetz“) hervor.

Mit den Worten „Hierzu liegen der Bundesregierung gegenwärtig noch keine abschließenden Abschätzungen vor“ reagierte das BMWK mehreren Medienberichten zufolge auf Eintrag Nummer 71 einer Liste von 90 Fragen, die CDU und CSU zum GEG gestellt hatten. Die Frage sollte Klarheit über das Ausmaß der CO₂-Einsparungen in den Jahren 2024 bis 2030 schaffen, denn die Reduktion von CO₂ war von der Ampelregierung stets als oberstes Ziel und Grundlage für die von Anfang an umstrittene GEG-Novelle genannt worden. Der Fragekatalog der Union ist beim ZDF nachlesbar.

Im Kern geht es beim GEG darum, dass ab 2024 nur noch Heizsysteme in Häuser neu eingebaut werden dürfen, deren Betrieb zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien erfolgt. Im Wesentlichen sind es Wärmepumpen, die diese Vorgabe erfüllen.

Handwerkerbedarf und Fördersystemdetails ebenfalls unklar

Auch über die Zahl der benötigten Fachkräfte für den Einbau der Wärmepumpen weiß die Ampel nach Informationen der „Bild“ (Bezahlschranke) keineswegs Bescheid: „Der Bundesregierung liegen keine genauen Zahlen vor, wie viele Handwerker und Handwerkerinnen den Austausch bei maximaler Auslastung jährlich vornehmen können“, zitiert das Boulevardblatt Staatssekretär Udo Philipp (Grüne).

Einzelheiten zur Gestaltung der Förderprogramme sind nach Informationen der Frankfurter Börse ebenfalls noch offen: Die Regierung prüfe derzeit „Übergangsregeln, die einen ‚reibungslosen‘ Übergang zwischen bestehender und neuer Förderkulisse ermöglichen sollen“. Wie erst jüngst bekannt wurde, will die Bundesregierung auch Obergrenzen setzen. Faktisch beträgt die maximal erzielbare Förderung für den Heizungstausch 21.000 Euro.

Scharfe Kritik an Habecks Ideen

Thomas Heilmann, für die CDU Mitglied im Ausschuss für Klimaschutz und Energie, bezweifelt nach Informationen des rbb24-„Inforadios“, dass das Ministerium „alle 90 Fragen seiner Fraktion so beantworten“ könne. Da die Kostenfrage ungeklärt sei, habe es 2023 einen Run auf Öl- und Gasheizungen gegeben wie noch nie zuvor.

Heilmanns Fraktionskollege, der Energieexperte Andreas Jung (CDU), zog nach Angaben der Börse bereits ein vernichtendes Fazit:

Die soziale Flanke bleibt offen, der Klima-Effekt ist der Ampel selbst völlig unbekannt und echte Offenheit für technologische Vielfalt wird weiter durch Regelungswut erstickt“.

Auch der Illmenauer Nationalökonom Prof. Fritz Söllner hält nicht viel vom neuen GEG. Anfang Juli hatte er in einer Stellungnahme für den Bundestagsausschuss für Klimaschutz und Energie (PDF) resümiert, dass die GEG-Novelle „aus volkswirtschaftlicher Sicht äußerst kritisch zu beurteilen“ sei:

Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind ökologisch ineffektiv, ökonomisch ineffizient und mit der Wirtschaftsordnung der sozialen Marktwirtschaft nicht konform. Hinzu kommen praktische Probleme und Kosten bei der Umsetzung und Kontrolle der zahlreichen Detailregelungen“.

Söllner hält eine „möglichst allgemeine und einheitliche Emissionsteuer“ oder ein „möglichst umfassendes Emissionshandelssystem“, „wie es auf deutscher und europäischer Ebene“ bereits existiere, für den besseren Ansatz. „Darüberhinausgehende Maßnahmen sind nicht nur überflüssig, sondern auch schädlich. Dies gilt insbesondere für den vorliegenden Gesetzentwurf“.

GEG-Novelle am 8. September im Bundestag

Nach Informationen des „Handelsblatts“ soll das neue GEG trotz aller Bedenken am 8. September im Bundestag verabschiedet werden. Sollte das klappen, wäre Ende September der Bundesrat gefragt. Als Startdatum für das GEG ist der 1. Januar 2024 geplant. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte bereits im Juli angekündigt, für die zweite und dritte Lesung nichts mehr an dem Gesetzentwurf ändern zu wollen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte eine Bundestagsabstimmung zum GEG kurz vor der Sommerpause per Eilverfahren verboten: Den Parlamentariern müsse mehr Zeit zugestanden werden, um sich mit den Details des umfangreichen Vorhabens zu beschäftigen. Geklagt hatte CDU-MdB Thomas Heilmann.

Veraltete Graichen-Prognose bezifferte CO₂-Reduzierung

Nach dem Willen der Regierung soll ein großer Anteil der Eigentümer privater Wohnungen in Deutschland trotz aller Bedenken also womöglich ein Vermögen ausgeben, obwohl noch nicht einmal der Effekt für den „Klimaschutz“ beziffert werden kann.

Das Nachrichtenportal „NIUS“ geht von Belastungen in Höhe von „knapp 56 Milliarden Euro“ für die Immobilienbesitzer aus, die diese für den Austausch ihrer Öl- oder Gasheizungen zu tragen hätten. Die Wirtschaft müsste zusätzlich 16 Milliarden Euro für ihren Gebäudebestand aufbringen. Dabei seien jene Sanierungskosten, „die moderne Heizanlagen erst effizient betreibbar machen“, noch nicht einmal berücksichtigt. Auch die mehr 100 Milliarden Euro an Steuern, die der Fiskus für das parallele GEG-Förderprogramm eintreiben müsste, hätten laut „NIUS“ noch keinen Niederschlag in der Gesamtberechnung gefunden. „Dem sollen in 18 Jahren Einsparungen von bis zu 11,125 Milliarden Euro gegenüberstehen“, heißt es auf „NIUS“.

Nach Angaben des Portals hatte es Anfang April 2023 lediglich eine CO₂-Schätzung aus dem Büro des inzwischen entlassenen Ex-Staatssekretärs Dr. Patrick Graichen (Grüne) gegeben, die sich auf die inzwischen verworfene Ursprungsfassung des GEG bezogen hatte (PDF). Hintergrund war damals eine Schriftliche Anfrage des Co-Vorsitzenden der Linksfraktion, Dietmar Bartsch.

Nach Graichens Berechnungen hätten die ursprünglichen, noch strengeren Regeln in den Jahren 2024 bis 2030 insgesamt voraussichtlich 43,6 Millionen Tonnen Kohlendioxid eingespart. Davon wären 10,5 Millionen Tonnen allein im Jahr 2030 eingespart worden – dem letzten Jahr der Prognose, für das Graichen bereits einen Bestand von sechs Millionen Wärmepumpen angenommen hatte.

666 Millionen Tonnen CO₂-Gesamtausstoß allein 2022

Das gesamte, angenommene Sparpotenzial von 43,6 Millionen Tonnen innerhalb von sieben Jahren dürfte wegen der Lockerungen der Gesetzesnovelle (BT-Drucksache 20/6875, PDF) deutlich geringer ausfallen.

Zum Vergleich: Der Gesamtausstoß an „menschengemachtem“ CO₂ lag in der BRD nach Angaben des Umweltbundesamts allein im Jahr 2022 bei 666 Millionen Tonnen.

Einen fiktiven, gleichbleibenden Verbrauch in den Jahren 2024 bis 2030 vorausgesetzt, würden einem Gesamtausstoß von 4.662 Millionen Tonnen CO₂ in sieben Jahren damit Einsparungen von maximal 43,6 Millionen Tonnen gegenüberstehen. Um per GEG rund ein Prozent weniger „menschgemachten“ Kohlendioxid-Ausstoß aus Deutschland zu erreichen, würden Hunderttausende oder gar Millionen Haus- und Wohnungseigentümer, die den Vorgaben des GEG folgen müssten, an den Rand des Ruins gebracht.

Weltweiter Anteil Deutschlands unter zwei Prozent

Auch ein Blick auf den Rest des Globus mag lohnen: Im Vergleichsjahr 2022 führte die Nutzung „fossiler“ Energien nach Angaben des „Bayerischen Rundfunks“ (BR) weltweit zu einem Gesamtausstoß von 36,4 Milliarden „menschengemachter“ Tonnen CO₂ – Tendenz steigend. Die „Tagesschau“ berichtete sogar von einem Wert von 40,6 Milliarden Tonnen. Deutschland hätte daran 2022 somit einen rechnerischen Anteil irgendwo zwischen 1,64 und 1,83 Prozent gehabt.

Nach Angaben der Börse Frankfurt rechnet die Bundesregierung übrigens im Gegensatz zu früheren Verlautbarungen nicht mehr damit, dass der Preis für Gas „trotz der CO₂-Bepreisung“ in den kommenden Jahren steigen wird. Sie gehe vielmehr davon aus, dass der aktuelle Wert von 16,04 Cent für die Kilowattstunde 2035 „nach Abzug der Inflation“ auf 14,40 Cent sinken werde. Solche Vorhersagen seien allerdings „mit großer Unsicherheit“ behaftet. Derzeit steigt der Gaspreis wieder.

Noch im Mai hatte etwa Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) gegenüber der „Bild“ gesagt, dass es „sich viele Menschen nicht vorstellen [könnten], wie teuer Öl und Gas sein werden“.

Milliardenbelastung, aber „0,0 Prozent“ Einfluss aufs Weltklima

Der Energieökonom Prof. Manuel Frondel, Leiter des Kompetenzbereiches Umwelt und Ressourcen am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Berlin, hatte sich schon im Mai für den „Focus“ die Mühe gemacht, die Kosten für den „Umstieg von Gas auf Wärmepumpen“ auszurechnen: „Rund 225 Milliarden Euro zusätzlich bis 2045“ seien allein für jene Fälle zu berappen, in denen Wärmepumpen defekte Gasheizungen ersetzen sollten.

Durchaus berechenbar ist nach Ansicht von Frondel auch die Antwort zur Frage, wie viel CO₂ der massenhafte Einbau von Wärmepumpenheizungen in Deutschland bis 2045 einsparen wird. Frondels Antwort fiel eindeutig aus: „Die CO₂-Einsparungen durch die Heizwende werden das Klima zu 0,0 Prozent beeinflussen“.



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