„Impfung macht frei“: Corona-Maßnahmenkritiker wegen mutmaßlicher „Volksverhetzung“ vor Gericht
„Impfen ist der Weg zur Freiheit“, ließ der bayerische Ministerpräsident am 13. Juli 2021 über die sozialen Netzwerke verkünden. Das nahm der damalige Berliner Medienlehrer Rüdiger Borrmann (62) zum Anlass, eine Video-Collage zu erstellen. Diese veröffentlichte er auf privaten Kanälen im sozialen Netzwerk.
Er sah es damals als seine Pflicht, vor einer totalitären Entwicklung zu warnen: „Ich habe eine hohe Verpflichtung gespürt, auf falsche Entwicklungen hinzuweisen.“ Jetzt ist er Angeklagter in einem Strafverfahren vor dem Berliner Amtsgericht Tiergarten.
Ausschlaggebend dafür war eine Anzeige seines alten Arbeitgebers, der Berliner Senatsverwaltung, 2021 wegen eines mutmaßlichen Verstoßes gegen Art. 130 Volksverhetzung Absatz 3. Daraufhin schaltete sich die Berliner Staatsanwaltschaft ein. Das Amtsgericht erließ darauf einen Strafbefehl gegen Borrmann über 8.100 Euro. Hiergegen erhob Borrmann Einspruch.
Dabei geht es um zwei Videos. In ihnen äußerte sich der Berliner Lehrer kritisch zur Corona-Politik. So kritisierte er in einem der Videos, das aus vier Teilen besteht und im Juli 2021 entstand, eine Äußerung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) zur Wiedererlangung geschützter Grundfreiheiten nach einer Corona-Impfung. Diese setzte er in Bezug zu einem Schriftzug deutscher Nationalsozialisten.
Konkret wurde zunächst ein Standbild eingeblendet. Es zeigt eine Fotomontage eines KZ-Eingangstores, wo es statt „Arbeit macht frei“ – „Impfung macht frei“ heißt und zudem ein Fragezeichen darüber geblendet ist. Danach wird ein Tweet des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) vom 13. Juli 2021 eingeblendet, mit seiner Aussage „Impfen ist der Weg zur Freiheit“.
Anschließend wird ein Ausschnitt aus dem Film „Network“ (1976) gezeigt. Als Letztes kommt der österreichische Rechtsanwalt Michael Brunner mit einer verfassungsrechtlichen Einschätzung zu den Grundrechtseingriffen durch die staatlichen Corona-Maßnahmen zu Wort.
Staatsanwaltschaft sieht „Bagatellisierung“ des Holocausts
Die Berliner Staatsanwaltschaft sieht in dem Meme mit dem KZ-Tor und dem Text „Impfung macht frei“ eine „Bagatellisierung der massenhaften Vernichtung von Juden in Konzentrationslagern“.
Nach der Anklage erklärt der Verteidiger Tobias Gall, dass der Fall seines Mandanten den größten Skandalvorgang in seiner 30-jährigen beruflichen Laufbahn darstellt. „So etwas hat es in der alten liberal-demokratischen Republik nicht gegeben oder geben können.“ Die Atmosphäre, die in diesem Land im Zusammenhang mit den staatlichen Corona-Maßnahmen herrsche, sei in der Bundesrepublik etwas Neues. Der Staat dürfe nicht Meinungen durchsetzen, befürworten oder unterdrücken.
Im Falle von Borrmann gehe es um die Auslöschung einer beruflichen Existenz, findet Gall. Sein Mandant sei Opfer einer unfassbaren Spaltung. Gall berichtet von dem rbb-Journalisten Olaf Sundermeyer, den er als „embedded Antifa-Journalist“ sieht, der mit dem Schwert des Moralismus arbeite.
Sundermeyer hatte einen nach Galls Aussagen 10-minütigen „Tagesthemen“-Beitrag über den Berufsschullehrer und sein Collage-Video verfasst, in dem Borrmann als Querdenker und Corona-Leugner bezeichnet wurde. In dem Beitrag forderte der Journalist den Senat auf, Borrmann aus seinem Dienstverhältnis zu entlassen.
Für Borrmanns Verteidiger stellt das Senatsverhalten ein „Schaustück des Entgleisens staatlichen Handelns“ dar. Man habe einen politischen Kampf auf eine arbeitsrechtliche Ebene getragen. Ein Berufsschullehrer habe im Privatleben ein unbeschränktes Recht, sich auch zu politischen Stellungnahmen zu äußern. „Das hat der Senat aus dem Blick verloren“, so Gall.
In seinen Augen geht es um das Statuieren eines Exempels, um Aufmerksamkeit auf was „Skandalöses“ zu richten und mit den Instrumenten einer nicht mehr rechtsstaatlich agierenden Staatsanwaltschaft als verlängerter Arm der Senatsverhandlung eine bürgerliche Existenz zu beenden.
„Corona-Maßnahmen größter Völkermord aller Zeiten“
In dem anderen Video bezeichnet Borrmann die damaligen Corona-Maßnahmen als „den größten Völkermord aller Zeiten, der gerade stattfindet“. Für ihn sei es „Faschismus“, gegen den er kämpfe und seine Stimme erhebe, erklärt er dort. Er liebe die Zielvorgaben des Grundgesetzes „unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung“; diese fordere er ein. Gleichzeitig fordere er, dass alle ihren „Mund öffnen und was sagen“.
Weiter heißt es dort: Er sehe die Einordnung von kritischen Stimmen als „rechts“ als ein Ablenkungs- und Spaltungsmanöver, damit man nicht gegen die Verbrecher, die da oben säßen, [gemeinsam] vorgehe.
„Diese Regierung, die diese Corona-Maßnahmen beschlossen hat, sind [sic] historisch gesehen die [sic] größten Verbrecher aller Zeiten.“ Wenn man die Millionen an Opfern zusammenrechne, die nicht nur die Maßnahmen mit sich gebracht hätten, die Millionen von Verhungernden in den Drittweltländern und die Hungernden, die in den Städten nach Hause geschickt wurden, die nichts mehr zu essen gehabt hätten […], prangerte er damals an.
Hierin sah der Senat eine Beleidigung und Delegitimierung des Staates. Für Gall sind beide Vorwürfe absurd. Es sei nicht strafbar, polemisch zu sein. Eine Demokratie mache es aus, dass man sich auch mal streitet und alles aussprechen darf, solange man nicht in die erniedrigende Schmähkritik käme. Für Gall sei als Verteidiger Ziel, dass durch die richterliche Entscheidung die Ehre des Angeklagten wiederhergestellt werde. „Für uns gilt daher nur ein Freispruch.“
Staatsanwaltschaft zeigte sich auch entschlossen
Die Staatsanwaltschaft zeigte sich ebenfalls entschlossen, bis zuletzt zu kämpfen. Dabei richtete sich Staatsanwalt Reiner Krüger außergewöhnlich scharf und ohne dass ihm die Sitzungsleitung oblag, während der Verhandlung an die anwesende Öffentlichkeit. Diese bestand größtenteils aus Unterstützern Borrmanns und wenigen Medienvertretern. Zuvor gab es Gemurmel im Publikum. Nach ihnen polterte der Anklagevertreter, dass er dafür sorgen werde, dass „Störer“ den Sitzungssaal verlassen müssten.
Gegenüber Epoch Times zeigte sich Gall nach der Sitzung befremdlich darüber, dass der Staatsanwalt noch vor der Verhandlung geäußert hatte, dass es ja nur über unterschiedliche Rechtssprechungsansichten gehen würde, und man könne doch gleich plädieren. „Sie gehen in die Revision und dieser Fall wird ohnehin vom Bundesgerichtshof (BGH) entschieden“, gibt er den Staatsanwalt wieder.
Dass eine Volksverhetzung, also eine Verharmlosung der Völkerrechtsverbrechen des Nationalsozialismus vorliege, hält Gall für vollkommen abwegig: „Wenn man das als Staatsanwalt trotzdem weiterverfolgt, ist das in meinen Augen auch strafrechtlich relevant.“
„Die Haltung, man geht zum BGH, da kommt es dann zum Richterspruch, weil man eine bestimmte politische Rechtssprechung will, das halte ich für schlicht rechtswidrig“, befindet der auf Arbeitsrecht spezialisierte Anwalt.
Auch die Haltung der vorsitzenden Richterin im Prozess, Kerstin Stoppa, dass es auf sie gar nicht ankomme, weil die höheren Instanzen noch folgen würden und sie hier ohnehin nichts bewirken könne, fand er befremdlich. „Was ist das für ein Berufsethos?“ Auch in ihrer Instanz müsse es ihr um die Suche nach Gerechtigkeit und einer sachgerechten Beurteilung gehen.
Mit den Worten: „Ich sehe, dass offenbar beide Seiten hier mehr Redebedarf haben“, gab die Richterin einen Folgetermin in dem Prozess bekannt. Am 4. Januar geht es am Berliner Amtsgericht Tiergarten im Fall „Borrmann“ weiter.
Borrmann errang Teilerfolg im Arbeitsgerichtsprozess
In Bezug auf den Arbeitsrechtsprozess Borrmanns gegen die mehrfach ausgesprochene Kündigung der Berliner Schulverwaltung konnte der Medienpädagoge einen Teilerfolg erzielen.
Seine mehr als drei Kündigungen, die Borrmann vom Land Berlin für seine „Kritik an den Corona-Maßnahmen“ ausgesprochen bekommen hatte, hatte das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg für unwirksam erklärt. Zudem musste das Land seine Abmahnung einschließlich der Vorwürfe gegen Borrmann ersatzlos aus seiner Personalakte entfernen.
Das Gericht löste das Arbeitsverhältnis jedoch auf, weil der Richter offenbar keine Basis mehr für eine gute Zusammenarbeit zwischen Schulverwaltung und Borrmann sah. Gleichzeitig sprach das Gericht dem seit 2008 beschäftigten Lehrer eine Abfindung von 72.000 Euro zu und legte dem Land die gesamten Prozesskosten auf.
Die Deutung des Lehrers, mit seinem Beitrag eine scharfe Kritik an der Corona-Politik äußern zu wollen, habe nicht zwingend ausgeschlossen werden können, hieß es zur Begründung. Eine Überschreitung des Grundrechts auf Meinungsäußerung konnte das Gericht nicht eindeutig feststellen.
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist inzwischen rechtskräftig. Das beklagte Land hat seine zwischenzeitlich beim Bundesarbeitsgericht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wieder zurückgenommen.
Sowohl Gall als auch Borrmann gingen nach dem arbeitsgerichtlichen Urteil davon aus, dass das jetzige Strafverfahren vor dem Amtsgericht Tiergarten gleich eingestellt würde.
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