Deutschlandmuseum: 2.000 Jahre deutsche Geschichte, zwölf Epochen, eine Stunde

Eine Ausstellung, die von sich behauptet, in nur einer Stunde die mindestens zweitausendjährige Geschichte zur Entstehung Deutschlands zu erzählen, macht neugierig.
Titelbild
2.000 Jahre deutsche Geschichte als umfassendes Erlebnis in einer 4D-Ausstellung.Foto: Deutschlandmuseum
Von 26. August 2023

2.000 Jahre deutsche Geschichte, zwölf Epochen, eine Stunde – so das einladende Versprechen des neuen Deutschlandmuseums am Potsdamer Platz – im Herzen Berlins. Das klingt ähnlich herausfordernd, wenn nicht sogar „frech“ wie der Bildungs-Versuch von Dietrich Schwanitz Anfang der 2000er mit seinem Buch „Bildung – Alles, was man wissen muss“. Denn von vornherein dürfte bei beiden klar gewesen sein, dass man sich bei der Auswahl stark beschränken musste. Aber auch darin liegt ja ein Reiz: Was wurde ausgewählt und wie dargestellt?

Gerade die zweite Frage interessiert mich bei der Deutschland-Ausstellung besonders, wirbt man doch mit so plakativen Superlativen wie: „Ein Museum, wie du es noch nie gesehen hast: lebensgroße, detailgetreue Welten zum Eintauchen.“

Mit moderner Technik habe man ein 4D-Museum geschaffen, das über Aussichten, Umgebungsgeräusche und Gerüche historische Orte zum Leben erwecke. Das klingt spannend und fordert geradezu zum Selbsttest heraus – mit dabei meine beiden Töchter, neun und elf Jahre alt.

Germanische Rufe und Kampfgeschrei – Römerhelme und Schwerter

Während die Kasse und der Weg bis zum ersten Ausstellungsraum noch sehr gewöhnlich wirken, befindet man sich gleich hinter dem Drehkreuz tatsächlich in einer anderen Welt. Über sich ein Dach aus Eichenkronen, der Boden typisch weich, eben wie ein mit Eichenlaub bedeckter Waldboden. Dazu zieht ein modriger Geruch um die breiten Baumstämme, die mit schummrigem, stimmungsvollem Licht in Szene gesetzt wurden.

Tatsächlich fühlt man sich wie inmitten eines nächtlichen Eichenwaldes. Zwischen Geäst und Borke sieht man um sich in einer Art Nebel sowohl Römer als auch Germanen bewaffnet durch den Wald ziehen. Dann Rufe und Kampfgeschrei, schließlich Waffengeklirr und Kampfgeräusche. Auf dem Boden liegen Römerhelme und Schwerter – Spuren eines verlorenen Kampfes.

Und mittendrin Computerbildschirme, kunstvoll eingefasst in das Gesamtambiente, mit kurzen und leicht verständlich aufbereiteten Bildungsinhalten, Karten und anderem Material. Über Geschichten, Rätsel, Quiz-Spiele, die mit Knöpfen, Rädern und Hebeln verbunden sind, erfährt man viel Wissenswertes.

Dieses Konzept zieht sich durch alle Räume und wird als eine „einzigartige Kombination aus Bildung und Freizeitpark, Innovation und Geschichte“ vom Veranstalter beschrieben, die das Museum zu einer „neuen Art Museum“ machen würden. Ein hoher Anspruch bei der reichhaltigen und vielfältigen Berliner Kunst-, Museums- und Erlebniswelt.

Nach der „Varusschlacht“ im Jahr 9 nach Christus zwischen germanischen Stämmen, unter dem Cheruskerfürsten Arminus geeint und drei „ausgelöschten“ Legionen an Römern um Senator und Feldherr Publius Quinctilius Varus, geht es weiter in der deutschen Geschichte.

Nun begegnet man Karl dem Großen und Otto dem Großen und kann bei der Gründung des Heiligen Römischen Reichs Mitte des 10. Jahrhunderts „dabei sein“. Damit vollzieht man mal eben locker einen Sprung von rund 1.000 Jahren.

Sächsische Dynastie formte Großreich

Mit dem Ostfrankenstaat traten die Ottonen, eine sächsische Dynastie von Herrschern, die Nachfolge des karolingischen Kaisertums an. Damit wurde – und das ist wichtig für die nachfolgende Geschichte – das römische Kaisertum an das deutsche Königtum gebunden. Somit wurde von Otto I. das Heilige Römische Reich Deutscher Nation gegründet, auch wenn es erst später so genannt wurde. Dieses Reich hatte bis 1806 seinen Bestand – also ganze 800 Jahre lang.

Über Karl dem Großen und Otto dem Großen und der Gründung des Heiligen Römischen Reichs Mitte des 10. Jahrhunderts erfährt man in der Ausstellung. Foto: Deutschlandmuseum

Über das Hochmittelalter vom 11. bis 13. Jahrhundert mit seinen Ritterturnieren, dem Minnesang und der Lehnsherrschaft gelangt man zur Reformation und Martin Luther (frühes 16. Jahrhundert) samt der Erfindung des Buchdrucks unter Johannes Gutenberg. Er industrialisierte mit einem Handgießinstrument und einer Druckerpresse den Buchdruck und führte als erster eine serielle Herstellung genormter Einzelteile ein.

Über den 30-Jährigen Krieg ging es dann in die Zeit der Aufklärung mit den großen deutschen Denkern und Schriftstellern Kant, Goethe, Schiller, Leibniz und den Aufstieg Preußens von einem kleinen Herzogtum zu einer europäischen Großmacht.

Es folgt der Deutsche Bund (1815–1866) ein Staatenbund, bei dem sich die „souveränen Fürsten und freien Städte Deutschlands“ samt Holsteins und Luxemburg sowie die wichtigsten Mächte, die Großmacht Österreich und die Großmacht Preußen zusammenschlossen. Dazu wird berichtet vom Wartburgfest in Eisenach (1817, Thüringen) einer Protestkundgebung evangelischer Studenten und Professoren, die sich für einen deutschen Nationalstaat mit einer eigenen Verfassung einsetzten. Denn die Wartburg galt seit Luthers Flucht dorthin gemeinhin als deutsches Nationalsymbol. Hier darf natürlich nicht der große preußische Staatsmann Otto von Bismarck fehlen – hier wird auch bekannt gemacht, dass er acht Sprachen fließend gesprochen hat.

„Heil“-Rufe und Soldatenabsätze auf Kopfsteinpflaster

Der schnelle Abriss deutscher Geschichte, multimedial und atmosphärisch aufbereitet, scheint bisher bei den Besuchern gut anzukommen. So findet Maximilian Costa (37), ein Informatiker aus Berlin, dass die Ausstellung interessant und kurzweilig wirkt, mit „echt interessanten Einblicken“. Er verbrachte mehr als zwei Stunden mit der gesamten Familie dort und hat auch etwas Neues dazu gelernt. Zum Beispiel, dass die Varusschlacht nicht im Teutoburger Wald stattfand oder erst Karl der Große lebte und dann Otto der Große: „Das habe ich immer ein bisschen durcheinandergebracht“. Der einzige Verbesserungsvorschlag, der ihm zu entlocken war, war, dass die Veranstalter noch mehr zum Mittelalter hätten machen können.

Über das Hochmittelalter vom 11. bis 13. Jahrhundert mit seinen Ritterturnieren, dem Minnesang und der Lehnsherrschaft gelangt man zur Reformation und Martin Luther (frühes 16. Jahrhundert) samt der Erfindung des Buchdrucks unter Johannes Gutenberg. Foto: Deutschlandmuseum

Gehen wir weiter in der Zeit. Nach dem Wartburgfest geht es zur Revolution von 1848/49, die eine zentrale Bedeutung für die deutsche Demokratie- und Nationalstaatsgeschichte hatte. Sie gilt als Meilenstein der deutschen Demokratie und des deutschen Nationalstaats und wirkte in die Verfassungen der Weimarer Republik und der Bundesrepublik hinein.

Weiter ging es mit den Einigungskriegen, mit denen die Großmacht Preußen seine Idee eines Deutschen Reichs erfolgreich durchsetzte. Dem Deutschen Kaiserreich samt 1. Weltkrieg folgt die Weimarer Republik mit den glamourösen, moralisch ausschweifenden Zwanziger Jahren. Dann ergreift der Nationalsozialismus Deutschland und es beginnt der 2. Weltkrieg.

In dieser Zeitepoche durchquert man düstere Räume unter immer wieder ertönenden „Heil“-Rufen – von Menschenmassen hervorgebracht und von gesichtslosen Figuren mit ausgestrecktem Arm umgeben. Dazu ertönen laut die Trittgeräusche von unzähligen Soldaten, die im Gleichschritt über Kopfsteinpflaster marschieren. Beides zusammen erzeugt eine bedrohliche, fremdartige Atmosphäre.

„Es war wirklich ein Gänsehauterlebnis“

Davon besonders berührt war eine 32-jährige Berlinerin, die als Influencer-Marketing-Managerin tätig ist. „Das war wirklich super gut gemacht. Die Dunkelheit und die Geräusche und die ganze Aura, die die Räume ausstrahlten. Das Bedrohliche schuf wirklich ein Gänsehauterlebnis.“

Die Berlinerin zeigt sich dabei glücklich mit der gesamten Ausstellung: „Also ich habe nicht mit so vielen verschiedenen Räumen gerechnet, mit so viel Spannung und Spaß. Es war echt toll.“ Besonders gut gefiel ihr, dass man so „super viel interagieren konnte“. „Man konnte sowohl Quiz machen und es gab super viel zu sehen.“ Das sei einfach der Unterschied zu normalen Museen, findet sie.

Ihr Begleiter Christoph aus Ungarn fand die Ausstellung „cool“ – außer dass die „Audiosachen manchmal zu monoton“ waren. Den vibrierenden Boden in einer mit Holzbalken ausgebauten Stellung im Ersten Weltkrieg fand er zum Beispiel besonders gut. Er erklärt, dass er die Ausstellung unterschätzt habe.

Zurück zur Zeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg geht es Schlag auf Schlag weiter mit der deutschen Teilung und dem Mauerbau, dem deutschen Wirtschaftswunder in der BRD, bis schließlich die Mauer wieder fällt, die Deutschen aus Ost und West glücklich in den Armen liegend – und das wieder vereinigte Deutschland feiern.

„Nicht zu viel und nicht zu wenig“

Der Gang durch die Ausstellung war ein Auf und Ab der Emotionen, die auch die wechselvolle deutsche Geschichte eindrücklich widerspiegeln: von berauschter Siegesgewissheit bis zu Trauer, Tod und Verzweiflung, Dekadenz und Überfluss, zu Mangelwirtschaft und Unterdrückung, gipfelnd in Freudentaumel und ungeahnter Freiheit. Dies alles komprimiert auf wenige Räume.

Ist das nicht zu viel auf einmal?

Eine Berliner Medizinische Fachangestellte (50), die mit ihrer Freundin heute hier ist, findet das nicht. „Die Kürze der einzelnen Beiträge und die knapp gehaltene Auswahl ist genau richtig.“ Länger dürfte es auch nicht sein, gerade für Familien, die mit Kindern durch die Ausstellung gehen, findet sie. Die Ausstellungsmacher hätten es gut gemacht – nicht zu viel und nicht zu wenig, so ihr Resümee.

Auch Bianca Steger (50), Rechtsanwältin aus der Nähe von München, wirft nach dem Besuch der Ausstellung mit ihrer Familie mit Superlativen um sich: „Super gelungen – also Top-Sehenswürdigkeit.“

Sie fand alles es sehr gut aufbereitet und es hatte in ihren Augen an verschiedenen Stellen auch Charme. „Es sind natürlich ein paar Sprünge darin, aber man bekommt einen guten Überblick.“ Die vielen Geräusche, Lichter, Effekte, auch Gerüche machten als ganzes Paket einen super Eindruck.

Was hatten Silvester 1989, WM-Sieg-Feier 1990 und die Loveparade gemeinsam?

Und was sagt meine Begleitung? Meine Neunjährige fand die komplett eingerichtete Wohnung aus der Zeit des westdeutschen Wirtschaftswunders besonders gut. Man konnte daran sehen, wie die Wohnungen früher aussahen. Warum allerdings keine gleichwertige Wohnung aus der damaligen DDR gezeigt wurde, was sicher einen interessanten Kontrast dargestellt hätte, wissen nur die Ausstellungsmacher. Die frühere Werbung auf einem alten Fernseher und die vielen Haushaltsgeräte fand sie dabei besonders interessant. Sie würde daher auf jeden Fall wieder zu der Ausstellung gehen.

Auch die Elfjährige war begeistert, und sie hat etwas dazugelernt: „Dass es damals so viele germanische Stämme gab und dass die Runen-Schriftzeichen der Germanen immer nicht nur einen Buchstaben darstellen, sondern auch für etwas Konkretes standen.“ Aha!

Und was habe ich dazu gelernt? Dass das Silvesterfest am Brandenburger Tor 1989, die Feiern nach dem WM-Sieg der Deutschen Fußballnationalmannschaft 1990 und die Loveparade in Berlin in den 90ern alle was gemeinsam hatten. Man feierte gemeinsam Ost wie West, wobei die sonst doch manchmal so betonten Unterschiede gar keine Rolle mehr spielten – eben wie bei einer Nation.



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