Bundestagswahl 2021 – Zu viele Träume vom Nanny-Staat

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Deutschland-Flagge.Foto: iStock
Von 11. August 2021

Was wir von Wahlprogrammen erwarten sollten? Zunächst sollte man wohl Klarheit und Konsequenz in den zentralen Programmpunkten der Parteien erwarten dürfen und eine Orientierung an Werten, die uns am Herzen liegen.

Sie sollten einen Begriff von „Allgemeinwohl“ kennen, wobei für Liberale und Konservative persönliche Freiheit und Eigentum im Mittelpunkt stehen, für Kollektivisten und Sozialisten sind die materielle Gleichheit – nicht nur die liberale Rechtsgleichheit – der Leitstern und Kompass aller Programmatik.

Sehen wir daraufhin die Parteiprogramme zu den Bundestagswahlen am 26. September durch, so gibt es kein klares Bild. In der Programmatik sogenannter rechter oder bürgerlicher Parteien (CDU/CSU, FDP und AfD) finden sich zweifellos etliche freiheitliche und wirtschaftsfreundliche Elemente, aber sie sind verbunden mit starken kollektivistischen Zügen.

Sie stehen mehr oder weniger hinter dem Ausbau des freiheits- und eigentumsadversen Wohlfahrtsstaates, der seit Bismarck die sozialen Ideale Deutschlands prägt, der seinerzeit gegen den Widerstand Ludwig Erhards und bis heute ungebrochen auf dem Vormarsch ist und die Ideale von Selbstverantwortung, Vertrags- und Eigentumsfreiheit, Personalautonomie, Subsidiarität und Dezentralisation verdrängt.

Bis auf den Punkt, dass wir heute bei realistischer Rechnung in einem Drittel-Netto-Staat, einer Art Taschengeldstaat, angelangt sind.

Zu viele Träume vom Nanny-Staat

Viele Bürger wollen nicht verstehen, dass sie hier mit ihrem eigenen Geld vom Staat abhängig gemacht wurden, denn – mit Ludwig Erhard zu sprechen: „Jede Ausgabe des Staates beruht auf einem Verzicht des Bürgers“.

Der Staat ist eben keine Kuh, die im Himmel gefüttert wird und auf Erden nur gemolken zu werden braucht. Zu schweigen von der weitestgehenden Abschaffung der Vertragsfreiheit, zum Beispiel bei der Sicherung gegen die Folgen ganz normaler Lebensrisiken: wie Alter, Unfall, Krankheit, Invalidität, Pflegesituation. Sogar die Familie ist bei allen Parteien Objekt der intensiven Patronage geworden, ihre Kosten und sogar ihre Erziehungs- und Betreuungsaufgaben werden schrittweise sozialisiert (Kita von Geburt an, Ganztagsschulen usw., staatliche Finanzierung der Elternfunktionen).

Einen konsequenten Gegenentwurf gegen diesen Entmündigungs- oder Nanny-Staat gibt es bei keiner der größeren Parteien, allenfalls Modifikationen, meistens aber einen Ausbau – und das bei Staatsschulden, die kriegsähnliche Dimensionen gewonnen haben und einer Geldpolitik („Nullzins“), welche die Geldvermögen und persönliche Lebensvorsorge elementar bedroht.

Bei den sogenannten linken Parteien geht das jetzt in letzte Konsequenzen (Grüne, SPD, besonders Die Linke, deren Programm übrigens feige-opportunistisch den Begriff „Sozialismus“ vermeidet). Wir sind aber auch tief im Nanny-Staat, wenn wir im CDU-Programm lesen: Es gelte, eine nationale „Strategie gegen Einsamkeit“ zu entwickeln oder bei der Linken: Es gebe ein „Recht auf persönliche Assistenz in allen Lebensbereichen“ – gegenüber dem Staat selbstredend.

Mehr „Gleichheit“ als Freiheit

Fast alle Programme sind mehr dem Programm der „Gleichheit“ als der Freiheit verpflichtet oder bei den Linken überhaupt nur der Gleichheit, die mit einer sogenannten sozialen Gerechtigkeit gleichgesetzt wird. Die Partei Die Linke behauptet gar: „Ungleichheit ist unsozial“.

Man kann bei den sogenannten bürgerlichen Parteien froh sein, wenn nicht weitere steuerliche Mehrbelastungen (Vermögens-, Einkommens-, Unternehmens-, Erbschaftssteuern) in Aussicht gestellt werden, vielleicht sogar eine echte Steuerreform nach dem Kirchhoff-Modell (AfD) oder allenfalls einige gruppenbezogene Erleichterungen (CSU). „Mehr Netto für alle“, „Leistung muss sich wieder lohnen“ – das war einmal.

Die Forderung nach „Entbürokratisierung“ gehört dabei zu den folgenlosen Floskeln, die seit Jahrzehnten in allen Wahlprogrammen auftauchen.

Die FDP-Programmatik ist vergleichsweise noch wirtschaftsfreundlich, auch das Programm der AfD, die in mancher Hinsicht in der Tat „alternativ“ wirkt (Europa-, Verfassungs-, Geldpolitik).

Einen Blick in kollektivistische Abgründe tut man bei dem Programm der Grünen mit ihrem extremen Ökomessianismus und Egalitarismus, auch ihrer Inländerfeindlichkeit und noch mehr bei der Linken, die mit einem rein sozialistischen Verstaatlichungsprogramm aufwartet. Ihre geld-, finanz- und steuerpolitischen Forderungen sind ein Gruselkabinett. Sie meint damit ein, wie sie schreibt, „gutes Leben“ für alle herbeizuführen.

Wir haben in jedem realsozialistischen Staat erlebt, wie dieses „gute Leben“ aussieht – aber Die Linke scheint unbelehrbar, auch in ihrem weltfremden Pazifismus und Universalismus.

Wie lange ist der Mittelstand noch tragfähig?

„Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.“ Man muss sich wundern, dass das, was wir an Unternehmer- und Marktwirtschaft noch haben, durch ihre unglaubliche Innovationskraft und Produktivität, namentlich des sogenannten Mittelstandes, den viel zu großen, ja monströs ausgewucherten Umverteilungs- und Versorgungsapparat trotz zunehmend ungünstiger demografischer Entwicklung bisher noch trägt.

Dennoch wird früher oder später eine Reform an Haupt und Gliedern dieses sich langsam selbst zerstörenden Gebildes notwendig sein.

Einstweilen wird der Wähler, wenn er sich der Freiheit und Selbstverantwortung verpflichtet sieht, wohl nach dem unbefriedigenden Prinzip des geringsten Übels verfahren – übel auch deswegen, weil es in Deutschland keine Möglichkeit der Korrektur von Parlamentsentscheidungen durch direkte Volksgesetzgebung wie in der Schweiz gibt.

Der Weg zu Reformen

So oder so: Für unzufriedene und besorgte Staatsbürger bleibt der Weg, in ihrem Umfeld für die besseren Ideen zu werben und Persönlichkeiten zu unterstützen, welche diese Ideen glaubwürdig darstellen, die politischen „Schumpeterunternehmer“.

So war es bei allen großen echten Reformen der Nachkriegszeit: von Ludwig Erhard bis zu Margaret Thatcher und den begeisterten Reformern Neuseelands. „Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren“ – dies ist wahr, auch wenn das Zitat nicht eben von einem Liberalen stammt.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe KW31



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