Blitzaufrüstung: Europa schmiedet neue militärische „Koalition der Willigen“

Auf Initiative des britischen Premierministers Keir Starmer werden am Donnerstag, 20. März, mehr als 30 Staaten ihre Generalstabschefs nach London entsenden, um darüber zu beraten, wie sie im Fall eines Waffenstillstands in der Ukraine reagieren wollen. Dies gab laut britischen Medien das Büro Starmers am 17. März bekannt. Es gebe eine „erhebliche Anzahl“ von Staaten, die bereit seien, im Falle eines Friedensabkommens mit Russland Friedenstruppen in die Ukraine zu entsenden, hieß es in der Erklärung.
Auch Kanada und Australien dabei
Großbritannien und Frankreich haben in den vergangenen Wochen erhebliche Bemühungen unternommen, Europa in den Friedensplan des amerikanischen Präsidenten Donald Trump für die Ukraine einzubinden. Starmer und der französische Präsident Emmanuel Macron treiben gemeinsam die Initiative zur Bildung einer neuen Koalition voran, seitdem Trump direkte Verhandlungen mit Russland ohne Beteiligung der Ukraine und Europas aufgenommen hatte. Deutschland hat sich an der französisch-britischen Initiative nur marginal beteiligt. Am 23. Februar wurde ein neuer Bundestag gewählt, und die Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer neuen Regierung haben mittlerweile begonnen.
Auf der Londoner Konferenz soll ausgehandelt werden, wie viele Soldaten die jeweiligen Staaten für eine Friedenstruppe zur Verfügung stellen können, „aber es wird eine bedeutende Truppe sein, mit einer beträchtlichen Anzahl von Ländern, die Soldaten stellen“, wird Starmers Büro in der Presse zitiert. Am Wochenende hat Starmer eine Telefonkonferenz mit zahlreichen Staats- und Regierungschefs europäischer und weiterer Länder geführt. Auch die Commonwealth-Staaten Kanada und Australien sind offenbar bereit, sich an einer „Koalition der Willigen“, wie die britische Presse das Vorhaben betitelte, zu beteiligen.
Macron und Starmer: Russland kann nicht mitbestimmen
Starmer drängt auf die Aufstellung einer möglichst breit aufgestellten internationalen Friedenstruppe, während der russische Präsident Wladimir Putin bereits vor geraumer Zeit bekannt gab, er werde keine NATO-Truppen in der Ukraine akzeptieren, da diese parteiisch pro Ukraine seien. Damit wären so gut wie alle Europäer ausgeschlossen. Stattdessen brachte Putin Friedenstruppen der kommunistischen VR China ins Gespräch.
Starmers Büro lässt Putins Argument nicht gelten und erinnerte sarkastisch daran, dass Russland die Ukraine auch nicht gefragt habe, „als es im vergangenen Jahr nordkoreanische Truppen an die Front entsandte“. Auch Macron hatte am 16. März in einem Interview erklärt, dass es für die Aufstellung einer Friedenstruppe in der Ukraine „nicht die Erlaubnis Russlands“ bedürfe, wie die Nachrichtenagentur „Reuters“ berichtete. „Die Ukraine ist souverän“, betonte Macron. „Wenn sie die Stationierung alliierter Streitkräfte auf ihrem Territorium verlangt, kann Russland dies weder akzeptieren noch ablehnen“, sagte Macron in einem Interview mit mehreren französischen Regionalzeitungen.
Großbritannien und Frankreich drängen derweil die USA weiterhin, in ihren Verhandlungen mit Russland auf Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu bestehen, um mögliche künftige russische Angriffe abzuschrecken. Sicherheitsgarantien waren jedoch offensichtlich in dem über zweistündigen Telefonat am 18. März zwischen Trump und Putin nicht Gegenstand des Gespräches.
Macron bei Scholz und Merz
Macron reiste am Dienstag, 18. März, zu einem Blitzbesuch nach Berlin. Dort hat er sich mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dessen designiertem Nachfolger Friedrich Merz (CDU) getroffen.
Eines der Top-Themen dürfte nach Angaben von Springer-Medien das Angebot Macrons gewesen sein, die EU-Staaten unter seinen atomaren Schutzschirm zu stellen. Frankreich verfügt seit 1958 über eigene Atomwaffen und eine entsprechende Truppe, „Force de frappe“ genannt. Aber auch über die allgemeine Aufrüstung aller europäischen Staaten soll gesprochen worden sein. Angeblich will Macron Europas rasante Aufrüstung durch Eurobonds finanzieren.
Das sind Staatsanleihen, die gemeinsam von allen Staaten der EU, in erster Linie Staaten der Eurozone, getragen werden. Deutschland als größtes Geldgeberland der EU hat sich bisher gegen Gemeinschaftsschulden gesträubt. Ob der designierte Bundeskanzler Merz angesichts der empfundenen Bedrohung durch Putin die Meinung der Deutschen dazu ändert, war bislang nicht zu erfahren. Da am Dienstag jedoch bereits die Schuldenbremse für den Haushalt der Bundesregierung drastisch gelockert wurde, ist es denkbar, dass Merz auf Macrons Vorschlag eingehen könnte.
Finnland und Baltikum in größter Sorge
Es sind zwar immer die drei großen europäischen Staaten Großbritannien, Frankreich und Deutschland, die bei den jüngsten Entwicklungen im Mittelpunkt stehen. An den nordöstlichen Außengrenzen Europas aber geht die Sorge vor einem Übergriff Russlands noch viel stärker um. Deshalb engagieren sich auch Länder wie die baltischen Staaten und Finnland, die alle eine Grenze zu Russland haben, stark für die Ukraine. Ihr Kalkül: Wird der Krieg dort beendet und aus ihrer Sicht die Aggression Russlands gestoppt, verringert sich die Gefahr an ihren eigenen Grenzen.
Finnland etwa, das mit 1.300 Kilometern die längste Grenze aller Europäer zu Russland hat, trifft sich regelmäßig zu bilateralen Konsultationen mit der Ukraine. Am 13. März unterzeichneten in Helsinki der finnische Verteidigungsminister Antti Häkkänen und der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerov ein weiteres Abkommen zur Verteidigungskooperation. Für die militärische Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern stellt laut einem Onlinebeitrag des finnischen Staatsrundfunks „Yleisradio“ Finnland ein Militärhilfepaket im Wert von rund 200 Millionen Euro zur Verfügung. Insgesamt hat Finnland seit Beginn des Krieges Militärhilfe im Wert von 3,3 Milliarden Euro an die Ukraine bereitgestellt.
Die Zusammenarbeit beziehe sich auf militärisches Material, Informationsaustausch, Forschung und Innovation sowie die Herstellung von Munition – insbesondere für Artillerie. Auch Projekte der finnischen Verteidigungsindustrie in Finnland und der Ukraine seien darin einbezogen. Häkkänen betonte: „Unsere Beziehung ist keine Einbahnstraße, sondern eine für beide Seiten vorteilhafte Partnerschaft.“
Finnland will von der Ukraine lernen
Laut Häkkänen gehört die Ukraine durch den Krieg nun zu den stärksten Streitkräften in Europa. Die ukrainischen Soldaten verfügten über umfangreiche Erfahrung in der Verteidigung gegen Russland. „Es ist klar, dass wir bei der Entwicklung unserer eigenen Verteidigung die Lehren der Ukraine aufmerksam verfolgen und ihre Erfahrungen nutzen sollten“, erklärte der finnische Verteidigungsminister.
Angst vor Russland drastisch gestiegen
Seit der Ankündigung von Trump, dass die USA nicht mehr jeden europäischen Staat verteidigen und sich möglicherweise sogar aus der NATO zurückziehen würden, geht in Europa die Angst um. Ungarn bildet eine Ausnahme, da sich der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán nach wie vor unter dem Schutz der Amerikaner wähnt. Denn er unterhält bereits seit der ersten Amtszeit Trumps gute persönliche Beziehungen zum amerikanischen Präsidenten. Beide wertschätzen sich öffentlich. Trump bezeichnete Orbán etwa im Januar vergangenen Jahres als „großen Führer“ und als „starken Mann“.
Die übrigen Europäer teilen diese Wertschätzung nicht und sehen sich nun damit konfrontiert, künftig für ihre eigene militärische Sicherheit sorgen zu müssen. Noch sind mehr als 60.000 US-Truppen in Europa stationiert. Aber wie lange noch?
EU stärker als bislang angenommen
In dieser als Sicherheitskrise in den europäischen Hauptstädten empfundenen Situation haben Frankreich und Großbritannien seit Wochen die Initiative ergriffen. Sie haben erkannt, dass die bisherige Führungsnation in der EU, Deutschland, derzeit aufgrund des Zusammenbruchs der Ampelregierung mit sich selbst beschäftigt ist. Damit zeigen sie nicht nur Führungsstärke, sondern auch, dass der europäische Kollektivgedanke in fast allen EU-Staaten inzwischen tiefer verwurzelt ist als bislang angenommen. Sobald die neue Bundesregierung ihre Arbeit aufnimmt, wird Deutschland jedoch wahrscheinlich wieder maßgeblich über die Gestaltung der europäischen Verteidigung mitbestimmen. Denn es geht dabei auch um Geld. Und da ist Deutschland der Zahlmeister der EU. Ohne deutsches Geld, keine Blitzaufrüstung.
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