„Wie ein Traum“: Tränenreiches Wiedersehen für chinesischen Menschenrechtsanwalt und seine Familie
Li Wenzu, die Frau des chinesischen Menschenrechtsanwalts Wang Quanzhang, blickt in den Türspion ihrer Wohnung in Peking, wobei eine Hand den Türgriff ergreift und die andere sich an der Wand festhält, um das Gleichgewicht zu halten. Lis siebenjähriger Sohn Quanquan flitzt hin und her, während er sein Spielzeugschwert schwengt. Als sein Vater mit seinem Gepäck den Raum betritt, versteckt sich Quanquan hinter dem Schrank. Ihre grau-schwarze Katze flieht beim Anblick der Polizei, die Wang begleitet.
Li war am Vortag wegen einer Blinddarmentzündung einen Tag im Krankenhaus gewesen. Daher willigte wohl die Polizei ein, dem Menschenrechtsanwalt zu erlauben, seine Frau zu besuchen.
Eine Videoaufnahme ihres Wiedersehens vom 27. April wurde auf Video aufgenommen und in sozialen Medien verbreitet. Das Paar hält sich unter Tränen etwa zwei Minuten lang fest – ihr Sohn liegt bald in Wangs Armen.
In einem Interview sagt Wang, er fühle sich wie in „Trance“. „Endlich in der Lage zu sein, meine Frau und mein Kind zu umarmen – das war einmal eine tägliche Routine, aber es dauerte fünf Jahre, bis ich es wieder hierher geschafft habe“, sagt er.
Li hält die Hand ihres Mannes, sieht sich um und berührt kurz ihre Stirn. „Es fühlt sich wie ein Traum an“, sagt sie bewegt.
Menschenrechte
Wang vertrat politische Aktivisten, Opfer von Landenteignungen und Anhänger der verfolgten spirituellen Gruppe Falun Gong. Der 44-Jährige wurde im Juli 2015 im Rahmen einer landesweiten Razzia gegen Hunderte von chinesischen Rechtsverteidigern und Aktivisten verhaftet. Nach Beendigung seiner Haftstrafe wurde Wang am 5. April freigelassen.
Die Behörden schickten ihn direkt in seiner Heimatstadt Jinan in der östlichen Provinz Shandong in Quarantäne, wobei die Polizei im Wohnungsflur Wache hielt, erzählt Wang.
Als seine Frau am 26. April morgens über Unterleibsschmerzen klagte und wegen einer Blinddarmentzündung ins Krankenhaus eingeliefert wurde, rief Wang mehrmals die Polizei an und bat um Erlaubnis, sie sehen zu dürfen, und rief schließlich nach mehrstündigem Warten ein Taxi.
„Ich konnte nicht länger warten“, sagte er der Epoch Times. Aber an der Autobahneinfahrt holten ihn maskierte Polizisten in Zivil ein und brachten ihn zum Polizeirevier.
Sie erklärten sich bereit, ihn nach einem Verhandlungstag nach Peking zu begleiten. Li hing bis zum Abend des 26. April an einem intravenösen Infusionsbeutel.
Während Wangs Schwester in der Küche ein Festmahl aus Teigtaschen zubereitete, das den chinesischen Bräuchen für Familientreffen entsprach, dankte Wang seiner Frau dafür, dass sie ihr Kind während seiner Inhaftierung allein großzog.
Wang wird wahrscheinlich für weitere 21 Tage unter Hausisolation gestellt. Das ist ein Teil der neuen Stadtregeln in Peking zur Verhinderung der Ausbreitung von COVID-19 und ist für jeden vorgeschrieben. Wang sagte, er wolle diese Zeit genießen und habe nicht weiter darüber nachgedacht, was passieren werde, wenn seine Quarantäne ende.
Leben im Gefängnis
Wang verbrachte fast vier Jahre in Untersuchungshaft, während die Polizei seiner Familie ständig das Besuchsrecht verweigerte. Nach einem Geheimprozess im Januar letzten Jahres gab das US-Außenministerium eine Erklärung ab. Darin heißt es, dass das Ministerium „beunruhigt“ sei über Wangs Behandlung. Sie bemängeln ebenfalls, dass Wang keinen Rechtsbeistand seiner Wahl hat.
In der Erklärung steht: „Wir fordern China auf, Herrn Wang (…) die Wiedervereinigung mit seiner Familie zu ermöglichen. Wir sind nach wie vor besorgt über die sich verschlechternde Situation der Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte und der Grundfreiheiten in China und fordern China weiterhin nachdrücklich auf, seinen internationalen Menschenrechtsverpflichtungen nachzukommen und die Rechtsstaatlichkeit zu respektieren.“
Li und die Ehefrauen anderer inhaftierter Menschenrechtsanwälte haben wiederholt auf seinen Fall aufmerksam gemacht, wobei sie sich einmal in einem symbolischen Protest gegen die „Gesetzlosigkeit“ des chinesischen Regimes den Kopf rasierten. Die chinesischen Wörter für „Haar“ und „Gesetz“ sind Homophone, daher die symbolische Geste.
Im Juni 2019 reiste Li über 670 Kilometer von Peking zum Linyi-Gefängnis in Shandong, wo Wang inhaftiert war. Bei ihrem ersten Treffen seit seiner Verhaftung sagte Li, sie sei schockiert über sein hageres Äußeres, seine dünne Statur, seinen dunkleren Hautton und die sich vergrößernde Lücke zwischen seinen Vorderzähnen. Li besuchte Wang häufig, wann immer sie konnte, allerdings immer unter der strengen Aufsicht der Gefängniswärter.
Wang erzählte einem Hongkonger Fernsehsender, dass er während seiner Haft kein Geständnis abgelegt habe. Beamte haben ihm eine Mitteilung übergeben, in der ihm seine politischen Rechte vorenthalten wurden, fügte Wang hinzu. Es gebe „nichts zu bedauern“, sagte er zum Sender. „Andere Rechtsverteidiger haben auch [Verfolgung] erlebt und das kann ich auch.“
Nach der Freilassung von Wang hat Li Wenzu in einem Interview mit der Epoch Times gesagt, dass Wang an einer Ohrenentzündung litt und bei Telefongesprächen das Telefon eng an sein Ohr drücken müsse. Sein Gedächtnis habe sich seit der Zeit im Gefängnis wesentlich verschlechtert, fügte Li hinzu. „Er hat gestern versucht, ein WeChat-Konto zu registrieren, konnte sich aber einfach nicht mehr an den Bestätigungscode erinnern“, sagte Li.
Der Originalartikel erschien in The Epoch Times USA (deutsche Bearbeitung von sza)
Originalfassung: ‘Feels Like a Dream’: Teary Reunion for Freed Chinese Human Rights Lawyer and Family
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