Wenn die Natur Gärtner spielt

Als es in unseren Wäldern noch Waldelefanten und Nashörner gab
Titelbild
Wanderweg durch einen ehemaligen Hutewald bei Kleinmachnow, das südlich von Berlin liegt. (ETD)
Von 11. Oktober 2007

Parkähnliche Landschaften mit lichtem Wald – gab es die schon, bevor wir Menschen aktiv in die Landschaftsgestaltung eingegriffen haben? Ökologen sagen ja. Und verweisen auf die großen Pflanzenfresser wie Waldelefanten, die dereinst hierzulande eine Ausbreitung dichter Wälder eindämmten.

„Megaherbivorentheorie“, also die Theorie von den großen Pflanzenfressern – mit diesem Sprachungetüm bezeichnen Ökologen den Ansatz, mit dem sie erklären, warum es bei uns in verschiedenen Epochen sowohl artenreiche Fluren als auch dichte Wälder gegeben hat. Die großen Grasfresser wie Auerochse und Wildpferd, früher zudem gewaltige Waldelefanten und Nashörner, aber auch die heute noch verbreiteten Arten wie Reh, Wildschwein und Hirsch, sorgten für halboffene Landschaften, bis sie vom Menschen zurückgedrängt wurden.

„Unter natürlichen Bedingungen gestalten die großen Pflanzenfresser Lebensräume für andere Arten und ganze Landschaften. Die Herbivorie muß daher als wesentlicher Prozess in mitteleuropäischen Ökosystemen im Naturschutz berücksichtigt werden.“ So fasst Margret Bunzel-Drüke von der Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz (ABU) in Klein Soest ihre wissenschaftliche Abhandlung mit dem Titel „Der Einfluß von Großherbivoren auf die Naturlandschaft Mitteleuropas“ zusammen.

Eine 700 jährige Eiche auf dem Fontane-Wanderweg. (ETD)
Eine 700 jährige Eiche auf dem Fontane-Wanderweg. (ETD)

Landläufig gilt als naturnaher Wald ein artenarmer Buchenhochwald, wie er aus der letzten Eiszeit hervorging. Dies war, so die Experten, nur möglich, da viele der großen Pflanzenfresser bereits zu Ende der Eiszeit vom Menschen in Europa ausgerottet worden waren. An ihre Stelle trat dichter Wald, der jedoch in der Antike bereits durch vielschichtige Kulturlandschaften aufgebrochen wurde.

Der Mensch übernahm die Rolle der wandernden Viehherden. Insbesondere die Form der Waldweide prägt bis in die Neuzeit hinein den Waldbau. In Deutschland wird der durch Waldweide bewirtschaftete Wald als Hudewald oder Hutewald, auch Hutung, bezeichnet. Der Hudewald ist durch den Verbiss der Tiere zumeist licht und besteht aus alten, hochstämmigen Bäumen. Viele der heute als Naturdenkmäler geschützten uralten Bäume, wie die bis zu Siebenhundert Jahre alten Eichen in Kleinmachnow, sind Überbleibsel dieser alten Hutungen. Im Mittelalter bildeten sie eine übliche Form des Waldbaus. Durch das periodisch erfolgende Eintreiben des Viehs in die Wälder hatte der Wald Erholungsphasen und entwickelte eine lockere, artenreiche Form, wie sie noch im Rheinhardswald in Nordhessen zu bewundern ist.

Schon im Hochmittelalter kam es zu einer starken Überweidung und Rodung der Hutewälder und damit zu einer stärker werdenden Versteppung der Landschaft. Dies führte im 19. Jhdt. zu einem Verbot der Waldweide in Deutschland. Die letzten Überbleibsel der alten Hudewälder stehen heute unter Naturschutz, bieten sie doch durch ihren alten Baumbestand Unterschlupf für viele vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten wie Hirschkäfer und Mittelspecht.

Im Naturschutz erfährt die Waldweide derzeit eine Renaissance.

Im Landschaftsschutz sowie zum Schutz von vom Aussterben bedrohten Haus- und Wildtierrassen wird die Waldweide immer wichtiger. In verschiedenen Teilen Deutschlands starteten Pilotprojekte mit ursprünglichen Haustierrassen wie dem Heckrind (einer Rückzüchtung des 1627 ausgestorbenen Auerochsen), Konik- und Exmoor-Ponys (ursprüngliche Pferderassen, die dem ausgestorbenen Tarpan ähneln) sowie Sattelschweinen. Unter strengen Kriterien extensiver Tierhaltung (um durch Überweidung entstehende forstliche Schäden zu vermeiden, in der Lippeaue in Westfalen kommt z.B. nur eine Großvieheinheit auf 3-4 Hektar) und nach sorgfältiger Recherche und eingehenden Studien liegen erste Ergebnisse vor.

Einige landschaftsbildende Großsäuger des vorgeschichtlichen Mitteleuropa (v.l.n.r.): Waldelefant, Waldnashorn, Auerochse, Tarpan und Wildschwein. Der Nachfahre des Waldelefanten, der asiatische Elefant, wird auch heute noch, wie vor fünftausend Jahren, in Burma, Indien und Thailand im Waldbau eingesetzt. Die letzten Waldnashörner dieser Erde leben heute scheu und zurückgezogen auf der Insel Sumatra, sie sind vom Aussterben bedroht. Anstelle des ausgestorbenen Auerochsen und des Tarpans werden heute deren Rückzüchtungen Heckrind und Konik in Europa im Landschaftsschutz eingesetzt. Schweine werden zur Mast seit der Antike in die Wälder getrieben. (ETD)Einige landschaftsbildende Großsäuger des vorgeschichtlichen Mitteleuropa (v.l.n.r.): Waldelefant, Waldnashorn, Auerochse, Tarpan und Wildschwein. Der Nachfahre des Waldelefanten, der asiatische Elefant, wird auch heute noch, wie vor fünftausend Jahren, in Burma, Indien und Thailand im Waldbau eingesetzt. Die letzten Waldnashörner dieser Erde leben heute scheu und zurückgezogen auf der Insel Sumatra, sie sind vom Aussterben bedroht. Anstelle des ausgestorbenen Auerochsen und des Tarpans werden heute deren Rückzüchtungen Heckrind und Konik in Europa im Landschaftsschutz eingesetzt. Schweine werden zur Mast seit der Antike in die Wälder getrieben. (ETD)

In einem Projekt im Naturpark Solling im südlichen Niedersachsen mit Exmoor-Ponys und Heckrindern konnten verstärkt zunehmende dynamische Prozesse in der Natur und bereits nach sechs Jahren eine erhebliche Zunahme der Artenvielfalt festgestellt werden. Eine Verdunkelung des Waldes durch schnellwachsende Schößlinge konnte ebenfalls verhindert werden. Ähnliche Ergebnisse wurden in einem der ersten Projekte dieser Art,zur Renaturierung vormalig intensiv bewirtschafteter Landstriche, durch den ABU-Naturschutzverein, in der Lippeaue in Westfalen mit Heckrindern erzielt.

Auch die Tiere selber zeigen ein natürlicheres Verhalten als ihre Kollegen aus der Stallhaltung, was auch einen erheblichen Einfluss auf die Fleischqualität hat: „Unter Eichen wächst der beste Schinken“ ist ein alter Spruch, auf den auch die Betreiber der Eichelschwein GmbH in Unterfranken setzt. Im rechten Maß angewandt eröffnet die Waldweide preiswerten und naturnahen Landschafts- und Naturschutz. Die Ergebnisse erster Forschungen stimmen hoffnungsvoll angesichts der häufig noch vorherrschenden Konzepte von Monokulturen und Massentierhaltung.

http://www.hutewald.de/

http://www.hutewald-basdorf.de/

http://www.abu-naturschutz.de/projekte/naturent/theorie.html

(Text erschienen in The Epoch Times Deutschland Nr. 8, Seite 13)



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