Was Auslandsjournalisten in Peking zu fragen wagten
Wie die britische Zeitung The Times berichtete, stellte der britische Journalist und Ex-Soldat Alex Thompson bei der offiziellen Pressekonferenz am 14. August der Pressesprecherin des IOC, Giselle Davies, eine äußerst delikate Frage, die diese mehrfach zu umgehen versuchte: „Die Lügen, die die chinesische Regierung fabriziert hat, werden gerade aufgedeckt, fühlt sich das IOC dabei nicht peinlich berührt?“ Pressesprecherin Davies umrundet die Frage mehrfach mit salbungsvollen Worten, bevor sie sich zum IOC-Olympischen Hürdenlauf begibt: „Guten Morgen, Alex. In vielerlei Hinsichten zeigen die diesmaligen Spiele große Fortschritte… Dass in diesen großartigen Sportstätten solche bewundernswerten Wettbewerbe stattfinden… Wir sind stolz auf den Erfolg der Olympischen Spiele.“ Die vorgefertigt scheinenden Halbsätze waren für den Channel 4-Journalisten, der schon seit langem als kritischer China-Berichterstatter gilt, offenbar unbefriedigend, geschweige denn, dass seine Frage damit beantwortet worden wäre. Er wiederholte sie nochmals: „Meine Frage ist kurz. Sie lautet: Fühlt sich das IOC aufgrund des Bruchs der Versprechen, die China für die Vergabe abgab, nicht peinlich berührt und beschämt?“ Giselle Davis versucht nochmals der Hürde auszuweichen: „Ich denke, ich habe Deine Frage schon beantwortet.“ Die IOC-Sprecherin war sichtlich verärgert über die doch so hindernisreiche Pressestrecke. Keiner der Anwesenden war der Meinung, dass sie für diese Antwort die erforderliche Punktzahl erhalten sollte.
Die drohende Disqualifikation der IOC-Presseläuferin schien unvermeidlich. Sie jedoch versuchte, mit dicken Scheuklappen und gesenktem Kopf weiterhin den Parcours zu beenden: „Für die Sportler ist die reibungslose Durchführung der Spiele am wichtigsten.“ Wang Wei, Generalsekretär des 4.000 Mitarbeiter starken parteihörigen Nachbarvereins „BOCOG“ aus Peking, versuchte Davies noch aus der Patsche zu helfen. „Wir heißen alle Menschen der Welt herzlich willkommen. Die Olympischen Spiele werden das Tor Chinas öffnen.“ Jedoch waren die Wut und die Empörung über die unanständigen Fragen in seiner Stimme nicht mehr zu verbergen.
Die verhafteten Antragsteller
Bill Marcus, Journalist des amerikanischen Radiosenders FOX schilderte einem Bericht der New York Times zufolge während dieser Pressekonferenz, dass China drei Sonder-Protestzonen für die Bevölkerung eingerichtet habe, jedoch seien die chinesischen Bürger bei der Antragstellung entweder festgenommen oder beschimpft worden. Als er fünf Namen von Opfern, die er von Human Right Watch bekommen hatte, nennen wollte, wurde er von Sun Weide, dem Pressesprecher des Pekinger Komitees, unterbrochen, der ihn aufforderte, kurz und bündig zu sprechen. Daraufhin sagte der amerikanische Journalist, dass China versprochen habe, im Bereich der Menschenrechte mit den anderen Ländern Schritt zu halten. Über die Verhaftungen während der Antragstellung für eine genehmigte Demonstration wollte Bill Marcus wissen: „Welche Länder hat sich China dafür als Vorbild genommen?“ Generalsekretär Wang Wei antwortete im gewohnt autoritären Parteistil, die eigentliche Frage außer Acht lassend: „Sie sind bestimmt wegen der Berichterstattung über die Olympischen Spiele nach China gekommen.“ Das Komitee sei nur für die erfolgreiche Durchführung der Spiele zuständig und wies den Journalisten mit seiner Frage weiter an das Ministerium für Öffentliche Sicherheit.
Sonder-Protestzonen als „Politische Falle“
Peter Simpson, Journalist der Hongkonger Zeitung South China Morning Post, erhielt auf seine Frage über Menschenrechtsverletzungen eine alle verblüffende Antwort von Wang, die schon eher einer Offenbarung glich: „China hat im Jahr 2001 nicht alles versprochen, wir haben nur gesagt, dass die Olympischen Spiele die Chance schaffen, dass die Welt China kennenlernen kann.“ Als Simpson sich damit nicht zufrieden gab, würgte Wang gekonnt ab: „Hier findet keine Debatte statt.“
BBC-Journalist Michael Bristow sprach noch deutlicher, als er die Sonder-Protestzonen als „politische Falle“ bezeichnete. Der BOCOG-Generalsekretär war verärgert, die New York Times schrieb sogar, dass Wang sehr wütend ausgesehen habe. Unbeeindruckt davon ergänzte Bristow, dass bisher kein Chinese eine Genehmigung bekommen habe. Wang betonte immer wieder, dass das Pekinger Olympische Komitee nicht für die Frage der Sonder-Protestzonen zuständig sei und widersprach damit schon den Aussagen des Sicherheitsleiters des Komitees, dass die Einrichtung der Sonderzonen die großartige Entscheidung des Pekinger Komitees sei, was der gut informierte Bristow einwarf. Wang ignorierte den BBC-Journalisten jedoch völlig und behauptete weiter, dass die Ausweisung der Sonder-Protestzonen in den drei öffentlichen Parks den Fortschritt Chinas widerspiegele. Das sei eines der Rechte, die die chinesische Verfassung den chinesischen Bürgern gegeben habe, wie auch das Wahlrecht, resümierte Wang Wei weiter. Doch Michael Bristow gab nicht auf: „Wenn kein einziger Antrag genehmigt wird, wie kann das einen Fortschritt symbolisieren?“ Generalsekretär Wang war aufgebracht: „China ist vorangeschritten, das ist die einstimmige Meinung der Bevölkerung auf der Straße. Unterschätzen Sie bitte nicht die Intelligenz des chinesischen Volks und denken Sie auch nicht, dass Sie derjenige sind, der am intelligentesten ist.“
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